Berlin. Die Entscheidung über einen Gauck-Nachfolger ist verschoben. Viele Kandidaten haben bereits abgelehnt, doch das muss nichts heißen.

Schwarze Limousinen vor dem Kanzleramt, ein Treffen von drei Parteichefs und die Frage nach dem höchsten Amt im Staat: Parallelen zum 19. Februar 2012 drängen sich auf, als am Abend eines Sonntags Joachim Gauck gegen den Willen von Kanzlerin Angela Merkel als Bundespräsident-Kandidat auserkoren wurde.

Doch diesmal ging man ohne einen Namen auseinander. SPD-Chef Sigmar Gabriel verließ nach anderthalb Stunden kommentarlos das Kanzleramt. Später hieß es aus Teilnehmerkreisen, Merkel, Gabriel und CSU-Chef Horst Seehofer hätten sich vertagt, aber vereinbart, die Gespräche fortzusetzen. Noch ist die Suche nach einem Konsenskandidaten also nicht aufgegeben.

Konsenskandidat nicht um jeden Preis

Die Lage ist vertrackt. Auf der einen Seite hat der SPD-Chef bereits öffentlich signalisiert, dass er Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) ins Rennen schicken will. Damit hat er Merkel unter Druck gesetzt und das Klima zwischen SPD und Union in der Präsidentenfrage deutlich abkühlen lassen.

Auf der anderen Seite wollen Merkel und Seehofer eine Kandidatur des in der Bevölkerung beliebten Außenministers nicht unterstützen. Seehofer hatte vor dem Treffen zwar betont, ein gemeinsamer Kandidat sei ein wichtiges Signal einer großen Koalition. Aber in der Union ist man sauer über Gabriels Vorstoß.

Union scheut gemeinsamen Kandidaten mit Grünen

Der 76-jährige Gauck hatte im Juni erklärt, er stehe aus Altersgründen nicht für eine zweite Amtszeit zur Verfügung. Sein Nachfolger wird am 12. Februar von der Bundesversammlung gewählt. In diesem aus Bundestag und Bundesrat zusammengesetzten Gremium verfügt die Union zwar über einen großen Stimmenvorsprung. Es reicht aber nicht für eine im dritten Wahlgang nötige eigene Mehrheit.

Dafür fehlen CDU und CSU knapp 90 Stimmen. Die Union könnte auch einen Kandidaten mit den Grünen aufstellen, doch wäre dies ein Signal, das Unionsstrategen so kurz vor der Bundestagswahl für schwierig halten.

Auch SPD geht Risiko ein

Gabriel und die SPD-Spitze wiederum haben zunächst wenig Grund, von einem Kandidaten wieder abzurücken, für den es in der Bundesversammlung auch Stimmen der Opposition geben dürfte. Doch auch für die SPD ist das Risiko, mit ihrem Kandidaten zu scheitern, nicht gering: Sie läge zusammen mit Grünen und Linken knapp unter der absoluten Mehrheit; ein rot-rot-grüner Kandidat hätte damit allenfalls in einem dritten Wahlgang, in dem die einfache Mehrheit genügt, eine Chance. Vertrackter geht es kaum.

In der SPD herrschte vor dem Treffen die Erwartung, dass Merkel doch noch Vorschläge für eine Konsenspersonalie macht. Zwar gebe es, anders als mitunter dargestellt, keine Vereinbarung in der Koalition, einen gemeinsamen Kandidaten aufzustellen – aber natürlich seien Absprachen in der Koalition für beide Seiten von Vorteil, hieß es. Am Sonntag zirkulierten erneut Namen möglicher Kandidaten.

Voßkuhle wäre der ideale Kandidat

Lange galt der 67 Jahre alte Bundestagspräsident Nobert Lammert als erste Wahl der Union. Der kluge, redegewandte, um Ausgleich bemühte Parlamentspräsident der CDU wäre auch Politikern von Grünen und Linken vermittelbar. Doch Lammert hatte aus persönlichen Gründen mehrfach abgewinkt. Am Sonntag sagte er im „Bericht aus Berlin“: „Ich habe, glaube ich, eine realistische Vorstellung sowohl von meinen Möglichkeiten wie von diesem Amt.“

Verfassungsgerichtspräsident Andreas Voßkuhle gilt zwar auf beiden Seiten als präsidiabel. Er wäre der ideale Konsenskandidat. Der auf SPD-Ticket nach Karlsruhe gekommene Jurist war schon 2012 Merkels Favorit. Damals lehnte er ab. Auch jetzt soll der 52-Jährige abgesagt haben – doch es hieß, die Kanzlerin versuche, ihn umzustimmen.

Schon öfter Probleme bei Kandidatenkür

Die Kür der Kandidaten für das Schloss Bellevue lief bereits in den vergangenen Jahren holprig: Im Februar 2004, Merkel war damals Oppositionsführerin, wurde der ehemalige Präsident des Internationalen Währungsfonds, Horst Köhler, in der Wohnung des damaligen FDP-Chefs Guido Westerwelle als Kandidat von Union und FDP auserkoren.

2010 wählte Merkel den ehemaligen niedersächsischen Ministerpräsidenten Christian Wulff aus, der nach nur 20 Monaten im Amt zurücktrat. Mit seiner Nominierung wurde damals Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen übergangen. Sie gilt heute erneut als mögliche Unionskandidatin.

Noch bis Ende November Zeit?

2012 wurde Merkel dann Gauck aufgezwungen. Nach einem dramatischen Ringen hatte sie ihren Widerstand gegen den Favoriten von SPD und Grünen aufgegeben, um einen drohenden Koalitionsbruch von Union und FDP zu verhindern.

Die Suche geht nun also weiter. So groß sei der Druck nicht, „bis Ende November“ sei schon noch Zeit.