Hongkong. Mit Billig-Stahl überschwemmt China den Weltmarkt. Wirtschaftsminister Gabriel hat das in China angeprangert. Nun gibt es Bewegung.

Im Streit um Billig-Stahlimporte aus China sieht Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) nach seinen Gesprächen mit der chinesischen Regierung in Peking erste Hoffnungszeichen für eine Lösung, aber noch keinen Grund zur Entwarnung. „Natürlich werden wir das Angebot der chinesischen Regierung annehmen und auf allen Ebenen über eine Lösung verhandeln“, sagte Gabriel dieser Redaktion am Rande seines Besuchs in Hongkong. „Es ist aber zu früh für eine Entwarnung, es handelt sich um einen wirklich großen Konflikt.“

Der Wirtschaftsminister hatte bei seinen Gesprächen mit dem chinesischen Ministerpräsidenten Li Keqiang und Handelsminister Gao Hucheng in Peking unter anderem auch die Stahlimporte zu Niedrigpreisen kritisiert: China überschwemmt den Weltmarkt mit Billigstahl, weil die heimische Stahlindustrie enorme Überkapazitäten hat. In Europa sind wegen der Dumping-Exporte Zehntausende Arbeitsplatze in Gefahr. Bislang wehrte die Regierung in Peking alle Vorwürfe ab.

Gabriel: Es geht um unfairen Wettbewerb

Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) steigt vor der Westmesse in Chengdu (China) in seine Limousine.
Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) steigt vor der Westmesse in Chengdu (China) in seine Limousine. © dpa | Bernd von Jutrczenka

Doch gegenüber Gabriel bot sie an, jetzt intensiv mit Deutschland und auf europäischer Ebene über das Thema zu sprechen, wie der Minister in Hongkong berichtete. Gabriel sagte dieser Redaktion: „Europa und Deutschland dürfen keinen Zweifel daran lassen, dass wir auf der Seite unserer Stahlarbeiter stehen. Und zwar nicht, weil wir sie vor Wettbewerb schützen wollen – sondern weil wir sie vor unfairem Wettbewerb schützen müssen, mit dem die wettbewerbsfähige und ökologisch saubere Stahlindustrie in Europa durch subventionierten Stahl aus China verdrängt würde.“

Die EU müsse deshalb auch ihre Anti-Dumping-Maßnahmen fortsetzen. „Ich würde uns nicht dazu raten, mit dem Druck nachzulassen.“ Erste Anti-Dumping-Zölle habe die EU verhängt, zum ersten Mal in einem Stahlbereich sogar rückwirkend. 17 von 39 Antidumping-Maßnahmen im Stahl richten sich gegen China. Das zeigt die Dimension“, meinte der SPD-Politiker. Die EU wehre sich also schon, und er habe nicht die Erwartung, dass der Konflikt übermorgen erledigt sei.

Warnung vor größeren Konflikten

Bereits in der kommenden Woche werde sich der EU-Handelsministerrat erneut mit dem Problem befassen. Das während seiner Gespräche in Peking unterbreitete Angebot der chinesischen Regierung, über die Probleme jetzt intensiv zu reden, sollten Deutschland und die EU aber nutzen: „Eine Einigung ist besser, als bald in größere Konflikte zu geraten.“

Das Signal im Stahl-Streit gilt als ein Erfolg Gabriels bei seiner China-Reise, die am Sonnabend zu Ende geht. Bei einer Asien-Pazifik-Konferenz der deutschen Wirtschaft in Hongkong rief Gabriel dazu auf, Deutschland und Europa sollten China mit einer „Strategie des Selbstbewusstseins“ begegnen. Es gelte, die eigenen Interessen „nicht ängstlich und nicht schüchtern“ zu vertreten.

Er verteidigte damit auch seine ungewöhnlich offene Kritik an den Investitionsbedingungen für deutsche Unternehmen in China, die anfangs zu Irritationen in Peking geführt hatten. Niemand erwarte, das China von heute auf morgen ein offener Investitionsstandort wie Deutschland werde, meint der Wirtschaftsminister. Aber die Entwicklung müsse zumindest in diese Richtung gehen, während es so scheine, als wähle China die entgegen gesetzte Richtung und behindere zunehmend ausländische Investoren. Darüber müsse man offen und öffentlich reden.

China hat eine Strategie, Europa nicht

Führende Wirtschaftsvertreter aus der Unternehmerdelegation, die Gabriel nach China begleitete, stärkten dem Minister den Rücken für sein Vorgehen. Der Vorsitzende des Asien-Pazifik-Ausschusses der deutschen Wirtschaft, Hubert Lienhard, sagte, die Forderungen seien richtig, er selbst habe sie auch schon wiederholt in China erhoben. Gabriel meinte, das Problem sei, dass bei der bevorstehenden „Neuvermessung der Welt“ zwar China eine Strategie habe, die man nicht unterschätzen dürfe – Europa haben dagegen keine. Die EU müsse deshalb jetzt klären, bei welchen industriellen Feldern es seine Wettbewerbsfähigkeit mit zusätzlichen Anstrengungen stärken und wie es China begegnen.

Ein Freihandelsabkommen mit der Europäischen Union, das China sich wünscht, sieht der Wirtschaftsminister vorerst nicht. „Erst muss es ein Investitionsschutzabkommen zwischen beiden Regionen geben.“