Berlin. Die deutsche Justiz ermittelt gegen Facebook. Es geht um Drohungen und Mordaufrufe im Netz. Auch Konzernchef Zuckerberg steht im Fokus.
Erstmals geht die deutsche Justiz gegen amerikanische Facebook-Manager vor. Die Staatsanwaltschaft München I hat gegen führende Verantwortliche des Internetkonzerns ein Ermittlungsverfahren wegen Volksverhetzung eingeleitet. Der Würzburger Rechtsanwalt Chan-jo Jun, der die Anzeige erstattet hat, bestätigte unserer Redaktion einen entsprechenden Bericht des „Spiegel“.
Unter den Beschuldigten sind Firmengründer Mark Zuckerberg, Geschäftsführerin Sheryl Sandberg sowie der Europa-Cheflobbyist Richard Allan und dessen Berliner Kollegin Eva-Maria Kirschsieper.
Anwalt erstellte Liste gemeldeter Beiträge
Chan-jo Jun (42) hat nach seinen Angaben die Facebook-Manager im Laufe mehrerer Monate über 438 Inhalte mit strafrechtlicher Relevanz informiert. Doch nicht alle wurden entfernt – für ihn der Anknüpfungspunkt: Die Manager des Internetriesen duldeten Mordaufrufe, Gewaltandrohungen, Holocaustleugnung und andere Delikte. Der Anzeige liegt die Liste von Fällen bei, die zeigen soll, dass das Unternehmen auch nach wiederholter Aufforderung entsprechende Beiträge nicht löschte. Darunter fanden sich etwa Postings wie (Zitat im Original) „benzin drüber und anzünden allesamt!“ bezogen auf eine syrische Familie.
Bei einer stichprobenartigen Überprüfung unserer Redaktion waren am Freitag die meisten dieser Inhalte entweder von den Urhebern möglicherweise nach Aufforderung entschärft worden oder nicht mehr verfügbar. Es findet sich aber etwa noch ein Foto mit einer Aufforderung (Text so im original): „Ab im Backofen mit die Frau.“ Der Anwalt räumt ein, dass es unter seiner Sammlung auch juristische Grenzfälle gebe. Er hat aber auch eine Liste beigefügt, die die Kontrollstelle jugendschutz.net dokumentiert habe.
Facebook quittierte Einschreiben nicht
Der Anwalt freut sich nun in einer Stellungnahme: „Wir sehen jetzt, dass deutsches Recht auch im Internet gilt und auch gegenüber Internet-Giganten durchsetzbar ist – selbst wenn diese versuchen, sich mit windigen Tricks zu verstecken.“ Facebook versuche mit allen Mitteln, dass seinen Mitarbeitern keine Kenntnis nachgewiesen werden könne. Auch Einschreiben mit Rückschein würden nicht quittiert.
Facebook habe es zwar „unter Druck in einzelnen Monaten geschafft, passable Ergebnisse zu erzielen“ und konsequenter Inhalte entfernt. Danach habe Facebook aber immer wieder nachgelassen, wenn der Druck nachließ. Juns Ziel ist es, dass Facebook eine empfindliche Millionenstrafe zahlen muss. Es soll für das Netzwerk teurer werden, rechtswidrige Beiträge nicht zu löschen. Ein YouTube-Video dokumentiert einen Ende Oktober von Jun gehaltenen Vortrag, in dem er das Thema erläutert.
Hamburger Staatsanwälte lehnten Ermittlungen ab
Die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens sei „der wichtigste Etappensieg. Erstmals besteht auch der politische Wille, gegen Facebook mit Sanktionen vorzugehen“. Die Hamburger Staatsanwaltschaft hatte noch im März abgelehnt, weiter zu ermitteln: Begründung war, dass sich die Beschuldigten außerhalb des Zuständigkeitsbereichs der deutschen Justiz aufhielten. (law/W.B.)