Berlin. Festnahmen, Zensur, Drohungen – der türkische Präsident Erdogan wird zum Despoten. So sehen die Medien die brisante Entwicklung.

„Wir werden uns nicht ergeben.“ Mit dieser ebenso trotzigen wie mutigen Schlagzeile reagierten die Redakteure der türkischen Zeitung „Cumhuriyet“ auf die Verhaftung der Führungsspitze des regierungskritischen Blattes. Auch die deutsche Presse hat den erneuten Schlag gegen die Pressefreiheit in der Türkei scharf kritisiert. Die Skepsis ist groß.

Denn die Verhaftungen waren nur ein weiterer Schritt zur Gleichschaltung aller wichtigen Institutionen des Landes. Die nächste Aktion ließ nicht lange auf sich warten: Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan ließ am Donnerstag die Chefs der Oppositionspartei HDP festnehmen. Die Ausschaltung der Opposition ist offenbar in vollem Gange.

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„Erdogan hat einen Gegenputsch entfesselt“

Auch die „Säuberungen“ (Erdogan) im öffentlichen Dienst gehen weiter. Mehr als 60.000 Staatsbedienstete sind inzwischen entlassen worden. Nach Angaben von Staatsmedien sitzen derzeit mehr als 36.000 Menschen in Untersuchungshaft.

Für „Spiegel Online“ ist klar: „Es bestätigt sich mehr und mehr: Präsident Recep Tayyip Erdogan hat nach dem gescheiterten Militärputsch einen Gegenputsch entfesselt. Er richtete sich zuerst gegen Gülen-nahe Soldaten und Beamte, dann gegen oppositionelle Journalisten und nun gar gegen Abgeordnete. Erdogan zerstört mittlerweile ganz offen die Pfeiler der türkischen Demokratie – und die EU wirkt ohnmächtig.“

„Der Präsident verwandelt sein Land in eine Diktatur“

Tatsächlich scheint Staatschef Erdogan bereit, alle Brücken seines Landes zu Europa abzubrechen. Dass er damit die außenpolitische Isolation und den wirtschaftlichen Niedergang der Türkei riskiert, scheint ihm völlig egal zu sein. Die EU-Mitgliedschaft hat Ankara ohnehin abgeschrieben.

Merkel spricht von alarmierender Situation in der Türkei

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    Die „FAZ“ kommentiert dazu: „Es ist längst höchste Alarmstufe. Der türkische Präsident verwandelt sein Land in rasender Geschwindigkeit in eine Diktatur. Dem dürfen die EU und Deutschland nicht tatenlos zusehen, auch wenn sie fürchten, dass Erdogan den Flüchtlingsdeal aufkündigen und Hunderttausende Migranten Richtung Europa in Marsch setzen könnte. Sich um die Meinungsfreiheit in der Türkei zu sorgen – dafür ist es zu spät. Seinen nächsten Schritt hat Erdogan schon angekündigt: Im Ausnahmezustand, den er hat verlängern lassen, soll das – gleichgeschaltete – Parlament möglichst schnell über die Einführung der Todesstrafe abstimmen. Als nächstes kommen dann die Todesurteile.“

    Zugang zu Twitter zeitweise blockiert

    Nach der jüngsten Eskalation vom Freitag mit dem Autobomben-Anschlag in der Stadt Diyarbakir im Südosten des Landes griffen die türkischen Behörden erneut zu drastischen Maßnahmen. Nach Angaben verschiedener Quellen wurde zumindest zeitweise der Zugang zu den sozialen Netzwerken wie Twitter und WhatsApp blockiert. Dies twitterte unter anderem Ayla Albayrak, Korrespondentin des „Wall Street Journal“:

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    „Erdogan testet, wie weit er gehen kann“

    Die EU steckt in einem Dilemma. Einerseits kann sie zu den Vorgängen in der Türkei nicht schweigen. Das würde an der Glaubwürdigkeit der selbst ernannten „Wertegemeinschaft“ Europa kratzen. Auf der anderen Seite wollen Angela Merkel und die anderen Regierungschefs Erdogan nicht noch weiter gegen sich aufbringen – wegen des Flüchtlingspakts sind sie auf das Wohlwollen des Despoten von Ankara angewiesen.

    Dazu schreibt der „Mannheimer Morgen“: „Erdogan testet mit den jüngsten Repressionen gegen kritische Medien und dem Ruf nach der Todesstrafe offenbar aus, wie weit er gehen kann. Er weiß: Die EU braucht ihn in der Flüchtlingskrise. Das stimmt. Aber es darf kein Freibrief für den türkischen Staatschef sein, der immer mehr zum Despoten mutiert. Eine EU, die gegen Russland Sanktionen verhängt, muss den Mut haben, dieses Instrument auch gegen die Türkei einzusetzen.“