Washington. Amerikas Indianer kämpfen um ihr eigenes Land und die Umwelt. In einen großen Streit schaltet sich nun auch Präsident Barack Obama ein.

Am Ende war es Miles Allard zu verdanken, dass sich der Prärie-Boden im Standing Rock-Indianer-Reservat nicht rot färbte vor Blut. Mit beschwörenden Worten redete der 68-Jährige vom Stamm der Chippewa auf die mit Gasmasken und Tüchern vermummten Demonstranten ein. „Räumt die Barrikaden. Keine Gewalt. Sonst haben wir verloren.“

Gemeinsam mit Hunderten anderen protestieren die jungen Männer, manche unter ihnen in Kriegsbemalung, in dem kargen Landstrich im US-Bundesstaat North Dakota gegen den Bau einer 2000 Kilometer langen Öl-Pipeline. Seit Nationalgardisten und Polizei in Kampf-Montur mit Schlagstöcken, Pfefferspray, Dumdum-Geschossen, Lärmkanonen, bissigen Hunden und Hubschraubern brutal gegen die „Landbesetzer“ vorgegangen sind und an einem Tag 140 verhaftet haben, kochen die Emotionen über.

Stammesführer befürchtete weitere Eskalation

Via Facebook-Video haben Zigtausende weltweit die hässlich Szenen mitverfolgt. David Archambault II, Stammesführer der Sioux, fürchtet weitere Eskalation. Sein Ziel: „Das Graben in der von Kultstätten und Gräbern unserer Ahnen durchzogenen Erde muss aufhören.“

Doch der Ruf kam im Weißen Haus an. Präsident Obama will auf der Zielgeraden seiner Amtszeit keine blutige Auseinandersetzung zwischen den Nachfahren der Ur-Einwohner und der Polizei. Die zuständigen Ingenieure des Army Korps sollen eine Verlegung der Pipeline prüfen, die „die Traditionen der ersten Amerikaner berücksichtigt“, sagt der Präsident. Aber zu einem Friedensangebot gehören immer zwei.

Bewohner haben Angst um ihr Trinkwasser

Und „Energy Transfer Partners“ denkt nicht dran. Die texanische Betreiber-Firma will ab Anfang 2017 täglich 500.000 Barrel Rohöl aus dem ergiebigen Bakken-Feld von der kanadischen Grenze bis nach Chicago/Illinois schleusen. Die dazu nötige Pipeline, 80 Zentimeter im Durchmesser, knapp vier Milliarden Dollar teuer, sollte zunächst an der einzigen größeren Stadt im Umkreis vorbeiführen. Bis der Stadtrat in Bismarck Gefahren für das Trinkwasser erkannte. Und eine Umleitung durchdrückte, bei der man weniger Widerstand erhoffte: die Außengebiete der „Standing Rock Indian Reservation“. Heimat von 10.000 „native americans“, die hier ein meist tristes Dasein fristen.

Aber die Indianer waren auf der Hut. Sie haben Angst, dass der Missouri River, ihre einzige Wasserquelle, durch Lecks in der Öl-Leitung verschmutzt wird. Die jüngste Katastrophe – am Montag schlug ein Bagger der größten Öl-Pipeline Amerikas in Alabama ein riesiges Loch – dient ihnen als Beleg. Den Beteuerungen des Betreibers, mit dem der republikanische Präsidentschaftskandidat Donald Trump wirtschaftlich verbunden ist, dass die Leitung in North Dakota „bombensicher“ ist, schenken sie keinen Glauben.

Widerstand vor Gericht und in sozialen Medien

Wie auch. Bei der Genehmigung wurden die Nachkommen der Ureinwohner übergangen. Seit Frühjahr wehren sie sich darum, unterstützt von Prominenten wie dem Schauspieler Mark Ruffalo, dem schwarzen Bürgerrechtler Jesse Jackson und einer großen Gemeinde in den sozialen Medien, vor den Gerichten. Sie wollen einen unbefristeten Baustopp. Aber zweimal gaben Richter dem Weiterbau der Röhre bereits grünes Licht. „Wir werden betrogen“, sagt Archambault II, „wieder haben wirtschaftliche Interessen mehr Gewicht als wir.“

In den beiden Abkommen von Fort Laramie, unterzeichnet 1851 und 1868, hatte Amerika den Indianern die riesigen Weiten westlich des Missouri „für alle Zeiten“ als Heimat versprochen. Der Goldrausch in den Black Hills von South Dakota und der Druck der Siedlerströme legten den Grundstein für einen historischen Wortbruch. Vom großen Reservat blieben nur kleine, oft unbrauchbare Landfetzen übrig.

Standing Rock wird zum Sammelpunkt

Das Bewusstsein um diese Täuschung ist die Triebfeder für das größte indianische Aufbäumen in den USA seit der militanten Besetzung von Wounded Knee 1973. Die Pipeline ist nur der Katalysator des Zorns.

Tausende Indianer kamen seit April per Auto, Pferd oder pedes nach Standing Rock. In Zeltdörfern halten sie Wache. „Dass wir hier zusammen sind, gibt mir den Stolz zurück, unsere Geschichte kommenden Generationen weiterzugeben“, sagt Retha Henderson. Die Enkelin eines Oglala Lakota-Indianers ist per Anhalter angereist. Auch wenn der Winter in den Dakotas Temperaturen um minus 20 Grad bereithält: Gehen will sie erst, wenn die „schwarze Schlange“, die Pipeline, beerdigt ist.

Unser Ziel, sagt Henderson , ist es, das Bewusstsein für „Mni Wiconi“ zu schaffen. Übersetzt: „Wasser ist Leben“.