Berlin . Norbert Lammert (CDU) verabschiedet sich nach über 40 Jahren aus der Politik. 2017 will er nicht mehr für den Bundestag kandidieren.

Norbert Lammert wirkte aufgerüttelt, wach und entschlossen. Doch politikmüde wirkte er nicht, als er vor zwei Wochen auf der Bühne der Dresdner Semperoper stand und eine halbe Stunde lange eine Rede zur deutschen Einheit hielt. Der Bundestagspräsident warb für ein selbstbewusstes und weltoffenes Deutschland. Und als draußen, auf den Straßen der sächsischen Hauptstadt, Hunderte Pegida-Anhänger Hass und Frust aus ihren Kehlen pfiffen, änderte Lammert spontan seine Rede – und kritisierte die Proteste scharf.

Lammert gab sich staatsmännisch. Doch jetzt zieht er sich zurück. Nach mehr als 40 Jahren in der Politik. Wer seine Rede in Dresden verfolgte, den überrascht diese Entscheidung.

Bundestagspräsident Lammert kandidiert 2017 nicht mehr für Bundestag

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    2017 wolle er nicht mehr bei der Bundestagswahl antreten, schrieb er an den Vorsitzenden des CDU-Kreisverbandes Bochum, Christian Haardt, und den Landesvorsitzenden der CDU Nordrhein-Westfalens, Armin Laschet. „Nach reiflicher Überlegung habe ich mich entschieden, bei den Bundestagswahlen 2017 nicht wieder zu kandidieren.“ Elf Jahre ist Lammert schon Bundestagspräsident – das zweithöchste politische Amt in Deutschland. Auch diesen Posten wird er mit seinem Rückzug aus dem Parlament räumen.

    Zeit für einen Wechsel

    Der Abschied aus der aktiven Politik falle ihm nicht leicht, so Lammert, der auch seine engsten Mitarbeiter nicht vorab über seine Entscheidung informiert hatte. „Ich denke, es ist nun Zeit für einen Wechsel“, schreibt Lammert, zumal auch er nicht „immer jünger“ werde.

    Der 67-jährige Lammert wird als exzellenter, geistreicher Redner geschätzt. Seine Amtsführung gilt als demonstrativ unabhängig. Dies hat dem gebürtigen Bochumer parteiübergreifend professionelle Sympathien eingebracht. „Nicht die Regierung hält sich ein Parlament, sondern das Parlament bestimmt und kontrolliert die Regierung“, lautet eine seiner oft wiederholten Mahnungen.

    Anerkannt bei allen Fraktionen

    Sogar die Oppositionsfraktionen der Grünen und Linken im Bundestag schätzen Lammert. Er hat sich immer für die Minderheitenrechte eingesetzt – egal ob es um die Kritiker der Euro-Rettung in der Union oder um Grüne und Linke ging. Für manche überschritt er allerdings bei seiner Ausübung des Bundestagspräsidenten die Kompetenzen, die das Amt erlaube.

    Der Sohn eines Bäckermeisters und Vater von vier Kindern absolvierte in der Politik die klassische Ochsentour: Schon als Schüler war er in der Jungen Union aktiv. 1975 wurde er Ratsvertreter in seiner Heimatstadt Bochum. 1980 gelang ihm der Sprung in den Bundestag.

    Wohl keine Bewerbung als Bundespräsident

    In Unions-Kreisen hieß es von mehreren Seiten, möglicherweise stecke Lammerts Frau hinter der Entscheidung für den Rückzug. Ihr wird eine ausgeprägte Abneigung gegen Repräsentationspflichten nachgesagt, was sich nicht mit den Pflichten der Frau eines Staatsträgers vertrage. So wurde Lammert zuletzt immer wieder als möglicher Kandidat der Union für das Amt des Bundespräsidenten genannt – er selbst hatte aber immer wieder gesagt, dass er dieses nicht anstrebe. Sein Abschied aus der „aktiven Politik“ klingt zudem nicht nach einer Bewerbung um das höchste Staatsamt. (cu)