Bagdad. Die irakische Armee hat den Sturm auf die IS-Bastion Mossul gestartet. Die UN rechnen mit der Flucht von bis zu einer Million Menschen.

Im Irak droht mit der beginnenden Schlacht um Mossul nach Angaben der Vereinten Nationen eine humanitäre Katastrophe. Rund 1,5 Millionen Einwohner seien durch die aufziehenden schweren Kämpfe akut gefährdet, warnte das UN-Büro zur Koordinierung humanitärer Hilfe (OCHA) am Montag in Genf. Iraks Regierung will die seit 2014 von der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) beherrschte Stadt im Norden des Landes zurückerobern.

UN-Nothilfekoordinator Stephen O’Brien warnte, die Offensive der irakischen Armee und ihrer Verbündeten könnte bis zu eine Million Menschen in die Flucht schlagen. Zehntausende wehrlose Männer, Frauen und Kinder seien dem Risiko ausgesetzt, von Extremisten des IS als lebende Schutzschilder missbraucht zu werden. Heckenschützen könnten wahllos Zivilisten töten.

Aufnahmelager für rund 250.000 Flüchtlinge

O’Brien betonte, dass die UN und ihre Partner Vorbereitungen für eine große Flüchtlingsbewegung getroffen hätten. Rund 60.000 Menschen könnten in bereits eingerichteten Flüchtlingscamps außerhalb Mossuls Schutz finden. Weitere Aufnahmelager für gut 250.000 Flüchtlinge würden bereitgestellt. Laut UN-Funktionären könnte es Wochen oder Monate dauern, um Mossul von den Fanatikern des IS zu befreien.

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) sagte unterdessen, dass bereits jetzt die Stabilisierung von Mossul nach der Befreiung vorbereitet werden müsse. „Wir haben auch hier den Vorschlag gemacht, schon jetzt zu Beginn der Offensive einen sogenannten Stabilisierungsrat Mossul einzurichten“, sagte Steinmeier vor einem Treffen der EU-Außenminister am Montag in Luxemburg. Es gehe darum, Lebensbedingungen zu schaffen, unter denen die Zivilbevölkerung dort bleiben und dorthin zurückkehren könnte.

Mögliche Niederlage mit hohem Symbolwert

Die irakische Armee hatte am Montagmorgen die lange angekündigte Offensive zur Rückeroberung der IS-Hochburg Mossul gestartet. „Ich kündige heute den Beginn des heldenhaften Einsatzes an, der Euch vom Terror und der Unterdrückung durch Daesch befreit“, sagte Iraks Ministerpräsident Haider al-Abadi im Staatsfernsehen.

Die Rückeroberung Mossuls wäre ein wichtiger Meilenstein im Kampf gegen den IS, dessen arabischer Name Daesch lautet. Für die Extremisten wäre es eine Niederlage mit hohem Symbolwert. Der Regierungschef rief die Einwohner der Stadt auf, mit den irakischen Streitkräften zu kooperieren.

Irakische Armee und Polizei sollen vorrücken

Von Mossul aus rief IS-Chef Abu Bakr al-Bagdadi 2014 das sogenannte Kalifat aus, das die von den Extremisten eroberten Gebiete in Syrien und dem Irak umfasst. Seit dem Sommer 2015 gerät der IS im Irak jedoch immer stärker in die Defensive. Er verlor wichtige Städte im Süden des Landes an die irakischen Truppen, die bei ihrem Vormarsch von Schiiten-Milizen mit Verbindungen zum Iran und US-Luftangriffen unterstützt werden.

Um Racheakte bei der Erstürmung von Mossul zu vermeiden, sollten nur die irakische Armee und Polizei in die Stadt vorrücken, sagte Abadi. Die Bevölkerung dort besteht überwiegend aus Sunniten. Im Irak kommt es immer wieder zu Kämpfen zwischen Sunniten und Schiiten.

Einer der größten Militäreinsätze seit 2003

Die USA sagten dem Irak ihre Unterstützung zu. Auch die anderen Partner der internationalen Allianz gegen den IS stünden bei dem bevorstehenden schwierigen Kampf an der Seite des Landes, sagte US-Verteidigungsminister Ash Carter. Der Start der Offensive sei ein entscheidender Moment, um den IS zu besiegen.

Zuvor hatte bereits der US-Beauftragte für die Anti-IS-Koalition, Brett McGurk, gesagt: „Wir sind stolz, bei diesem historischen Einsatz an Eurer Seite zu stehen.“ Der eingeläutete Sturm auf die zweitgrößte Stadt des Irak und letzte Bastion des IS könnte einer der größten Militäreinsätze im Irak werden seit dem Sturz von Machthaber Saddam Hussein 2003.

Zehntausende Flugblätter über Mossul

Vor der Einnahme durch den IS 2014 lebten in der nordirakischen Metropole knapp zwei Millionen Menschen. Derzeit sollen es bis zu 1,5 Millionen sein.

Vor dem Start der Offensive wurden Zehntausende Flugblätter über Mossul abgeworfen. Darin wurde die Bevölkerung gewarnt, dass der Vormarsch samt Luftangriffen kurz bevorstehe. Zudem wurde erklärt, dass er keine Zivilisten zum Ziel hat. Die Einwohner sollten sich von bekannten Häusern der radikal-islamischen Kämpfer fernhalten.

In Syrien ist der IS noch immer stark

Sollte die Stadt befreit werden, wäre der IS im Irak militärisch weitestgehend besiegt. Im Nachbarland Syrien beherrscht die sunnitische Terrormiliz allerdings noch immer große Gebiete. Kräfte der irakischen Armee und der Polizei hatten in den vergangenen Wochen und Tagen im Umland von Mossul Stellung bezogen.

Russlands Präsident Wladimir Putin sagte am Sonntag, er hoffe, dass die USA und ihre Verbündeten alles täten, um Opfer unter den Zivilisten zu vermeiden. (rtr/dpa/epd)