Tod von al-Bakr bringt sächsische Behörden in Erklärungsnot
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Lesezeit: 4 Minuten
Von Steffi Dobmeier
Berlin/Leipzig. Ein Terrorverdächtiger nimmt sich in einer Gefängniszelle das Leben. Wie kann das passieren? Die Behörden müssen Antworten liefern.
Für die sächsische Justiz und die Behörden des Landes ist der Tod des Terrorverdächtigen Dschaber al-Bakr ein Gau. Und er wirft Fragen auf. Wie ist es möglich, dass sich ein Terrorverdächtiger in einer Gefängniszelle das Leben nimmt? Noch dazu, wenn dessen Suizidabsichten offensichtlich bekannt waren?
Nicht nur der Dresdner Pflichtverteidiger von al-Bakr erhebt schwere Vorwürfe, auch die Politik spart nicht mit Kritik an den sächsischen Behörden, spricht von „Fiasko“ und einem „totalen Kontrollverlust“. Es gibt erste Rücktrittsforderungen an Sachsens Justizminister Sebastian Gemkow.
Kritik an sächsischen Behörden gibt es schön länger
Die sächsische Justiz ist nach dem Suizid nun in arger Erklärungsnot. Schon die Festnahme des Terrorverdächtigen am vergangenen Wochenende war zunächst fehlgeschlagen, al-Bakr konnte entwischen. Der Fahndungserfolg kam dann auch nicht etwa durch Ermittlungen, sondern weil drei Syrer in Leipzig den Verdächtigen der Polizei übergaben.
Terror-Verdächtiger von Syrern gefasst
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Es ist nicht das erste Mal, dass sich die Justiz in Sachsen unangenehmen Fragen stellen muss. Schon nach den fremdenfeindlichen Vorfällen in Clausnitz und Bautzen zu Beginn des Jahres standen die Behörden des Bundeslandes bundesweit in der Kritik. Nun ein weiterer Fauxpas, der sich zu einem veritablen Justizskandal ausweiten könnte.
Speziell gesicherte Hafträume
„Ich bin fassungslos, da ich davon ausgegangen bin, dass mein Mandant – jedenfalls zur Zeit – als einer der bestbewachtesten Gefangenen in Deutschland gelten konnte“, sagte al-Bakrs Anwalt Alexander Hübner am Morgen in einem Radiointerview mit MRD Sachsen. Den Verantwortlichen der Justizvollzugsanstalt sei das Suizidrisiko bekannt gewesen.
„Für jemanden, der sich im Hungerstreik befindet und als suizidgefährdet gelten konnte, gibt es allein auf Grund der Gesamtumstände besonders gesicherte Haftumstände“, sagte Hübner. Es gebe besonders gesicherte und mit Kameras überwachte Hafträume. Er sei davon ausgegangen, dass sein Mandant in einem solchen Raum untergebracht worden sei. „Aber anscheinend hat das nicht stattgefunden.“
„Was ist denn schon wieder in Sachsen los? Irre.“
Auch in der Politik ist die Fassungslosigkeit groß, die Liste der Kritiker schon nach kurzer Zeit lang. „Wenn ein unter Dauerbeobachtung stehender Terrorist offenbar Suizid begeht, dann läuft in der sächsischen JVA gewaltig was schief“, schreibt die rechtspolitische Sprecherin der Grünen-Landtagsfraktion in Sachsen, Katja Meier auf Twitter.
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Der Seeheimer Kreis, ein Zusammenschluss Konservativer innerhalb der SPD, spricht von einem „totalen Kontrollverlust der Behörden“. Der SPD-Verteidigungsexperte und Sprecher der Seeheimer, Johannes Kahrs, schrieb: „Was ist denn schon wieder in Sachsen los? Irre.“ SPD-Außenpolitiker Niels Annen kommentierte, er sei „sprachlos“.
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„Wie konnte das geschehen?“, fragte der Grünen-Politiker Volker Beck am Mittwochabend auf Twitter. Auch der Grünen-Haushaltspolitiker Tobias Lindner ist fassungslos: „Wie kann jemand, der angeblich unter ständiger Beobachtung stehen soll, erhängt aufgefunden werden?“
Ermittlern fehlt nun wichtige Informationsquelle
Unions-Innenexperte Wolfgang Bosbach hielt sich indes zurück. Er wolle noch nicht bewerten, ob es sich beim Suizid des Verdächtigen in der JVA Leipzig um ein Systemversagen handle, sagte er am Morgen im Deutschlandfunk. Er forderte die Verantwortlichen aber dazu auf, Fehler einzuräumen. Nun komme es auf die Aufklärung an und auf die Frage, welche Vorgaben es bei der Überwachung von al-Bakr gegeben habe und wie sie umgesetzt worden seien.
Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) forderte im ZDF Morgenmagazin eine „schnelle und umfassende Aufklärung der örtlichen Justizbehörden“. Er sei aber sicher, dass das angesichts der Dramatik der Lage „mit vollem Ernst“ gemacht werde. Um 11 Uhr haben die sächsischen Behörden in Dresden in einer Pressekonferenz Details bekannt gegeben.
Durch den Tod von al-Bakr fehlt der Generalbundesanwalt bei ihren Terror-Ermittlungen nun der Hauptverdächtige und damit die wichtigste Informationsquelle. Das wird eine Aufklärung der geplanten Taten auch in Bezug auf die mögliche Beteiligung von Hintermännern deutlich erschweren. Ein mutmaßlicher Komplize sitzt in Untersuchungshaft. Er ist der Mieter der Wohnung von al-Bakr in Chemnitz, in der am Wochenende der gefährliche Sprengstoff TATP gefunden worden war.
Hauptstadt Inside von Jörg Quoos, Chefredakteur der FUNKE Zentralredaktion
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