Leipzig/Berlin. Im Sommer soll sich Dschaber al-Bakr in der Türkei aufgehalten haben. Geprüft wird, ob er sich als Terrorist schulen ließ.

Der unter Terrorverdacht in Leipzig festgenommene Syrer Dschaber al-Bakr soll sich vor seinen Anschlagsvorbereitungen in der Türkei aufgehalten haben. Der 22-jährige mutmaßliche Bombenbauer habe Deutschland im Frühjahr bis zum Spätsommer verlassen, berichtet die „Welt“ unter Berufung auf Ermittlerkreise. Auch „Spiegel Online“ berichtet das und beruft sich auf syrische Bekannte von al-Bakr.

Geprüft wird laut „Welt“, ob er von der Türkei aus nach Syrien reiste und sich dort in einem Ausbildungslager islamistischer Terroristen schulen ließ. Vor dem Hintergrund des Falls ist eine Diskussion über mehr Kompetenzen für die Geheimdienste bei der Überprüfung von Flüchtlingen entbrannt.

Laut „Welt“ und „Spiegel Online“ kehrte al-Bakr erst Ende August nach Deutschland zurück. Nach Angaben der Behörden wurde er seit Mitte September vom Verfassungsschutz beobachtet, nachdem es Hinweise auf Anschlagsplanungen der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) auf Infrastruktureinrichtungen in Deutschland gegeben habe. Zuletzt war er im nordsächsischen Eilenburg gemeldet. Aus der Wohnung dort war er aber nach Angaben von Nachbarn schon vor einem Jahr ausgezogen.

Auffällig viel Bargeld in US-Dollar

Nach seiner Rückkehr aus der Türkei hat der Syrer dem „Welt“-Bericht zufolge nach einer neuen Wohnung in Sachsen gesucht. Dabei soll er andere Asylbewerber um Hilfe gebeten haben, die allerdings misstrauisch geworden seien. Auch habe er über auffällig viel Bargeld in US-Dollar verfügt, hieß es.

Ein Nachbar des Syrers, in dessen Wohnung al-Bakr festgenommen worden war.
Ein Nachbar des Syrers, in dessen Wohnung al-Bakr festgenommen worden war. © dpa | Jan Woitas

Nach einem missglückten Zugriff der Polizei am Samstag in Chemnitz war al-Bakr am Montag in Leipzig festgenommen worden. In der Chemnitzer Wohnung, in der er sich aufgehalten haben soll, fanden die Ermittler 1,5 Kilogramm hochgefährlichen Sprengstoff, Zünder und Metallteile. Laut Verfassungsschutz hatte er die Berliner Flughäfen im Visier.

Leipziger Oberbürgermeister will Syrer treffen

Die drei Syrer, die ihn am Wochenende zunächst bei sich in Leipzig aufgenommen, dann aber als Terrorverdächtigen erkannt, überwältigt und der Polizei übergeben hatten, müssen nun um ihre Sicherheit fürchten. „Denn eine solche Tat wird sicherlich vom IS nicht vergessen“, sagte der Leiter der Leipziger Syrienhilfe, Hassan Zeinel Abidine. Unter ihren Landsleuten in Deutschland sei „die mutige Tat der Syrer“ sehr gewürdigt worden.

Terror-Verdächtiger von Syrern gefasst

Mit der Festnahme eines mutmaßlichen Terroristen in Leipzig ist offenbar ein größerer Anschlag der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) in Deutschland verhindert worden.
Mit der Festnahme eines mutmaßlichen Terroristen in Leipzig ist offenbar ein größerer Anschlag der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) in Deutschland verhindert worden. © Getty Images | Carsten Koall
Der 22-jährige Syrer Dschaber al-Bakr hat nach Angaben von Sachsens Innenminister Markus Ulbig konkrete Pläne verfolgt und Vorbereitungen für einen Sprengstoffanschlag getroffen. Nach Erkenntnissen des Bundesamtes für Verfassungsschutz wollte der Verdächtige wohl einen Flughafen in Berlin attackieren.
Der 22-jährige Syrer Dschaber al-Bakr hat nach Angaben von Sachsens Innenminister Markus Ulbig konkrete Pläne verfolgt und Vorbereitungen für einen Sprengstoffanschlag getroffen. Nach Erkenntnissen des Bundesamtes für Verfassungsschutz wollte der Verdächtige wohl einen Flughafen in Berlin attackieren. © Polizei Sachsen/dpa | Christian Zander
Der 22-Jährige war in der Nacht zu Montag in Leipzig festgenommen worden.
Der 22-Jährige war in der Nacht zu Montag in Leipzig festgenommen worden. © Getty Images | Carsten Koall
Zwei Syrer hatten ihn nach eigenen Angaben in einer Wohnung im Nordosten der Stadt überwältigt, gefesselt und der Polizei übergeben.
Zwei Syrer hatten ihn nach eigenen Angaben in einer Wohnung im Nordosten der Stadt überwältigt, gefesselt und der Polizei übergeben. © Getty Images | Carsten Koall
Sein Anruf bei der Polizei sei zunächst aufgrund von Verständigungsproblemen erfolglos geblieben. Daraufhin sei er mit einem Foto von Al-Bakr zu einem Polizeirevier gefahren.
Sein Anruf bei der Polizei sei zunächst aufgrund von Verständigungsproblemen erfolglos geblieben. Daraufhin sei er mit einem Foto von Al-Bakr zu einem Polizeirevier gefahren. © dpa | Hendrik Schmidt
Medien berichteten vom Ort der Festnahme: Nachdem der 22-Jährige am 8. Oktober bei einem Polizeieinsatz in Chemnitz den Beamten entkommen war, übergaben ihn seine Landsleute am 10. Oktober der Polizei.
Medien berichteten vom Ort der Festnahme: Nachdem der 22-Jährige am 8. Oktober bei einem Polizeieinsatz in Chemnitz den Beamten entkommen war, übergaben ihn seine Landsleute am 10. Oktober der Polizei. © Getty Images | Carsten Koall
Bei dem Anti-Terror-Einsatz in Chemnitz hatte die Polizei am 8. Oktober in einer Wohnung mehrere hundert Gramm hochexplosiven Sprengstoff gefunden. Zuvor waren die unverdächtigen Bewohner des Hauses in der Siedlung „Fritz Heckert“ aus ihren Wohnungen geleitet worden.
Bei dem Anti-Terror-Einsatz in Chemnitz hatte die Polizei am 8. Oktober in einer Wohnung mehrere hundert Gramm hochexplosiven Sprengstoff gefunden. Zuvor waren die unverdächtigen Bewohner des Hauses in der Siedlung „Fritz Heckert“ aus ihren Wohnungen geleitet worden. © dpa | Hendrik Schmidt
Dschaber al-Bakr soll einen Sprengstoffanschlag geplant haben. Er entkam der Polizei nach Angaben eines Sprechers nur knapp. Nach Informationen vom 9. Oktober sollen die Beamten ihn gesehen haben, konnten ihn aber nicht fassen. Eine LKA-Sprecherin bestätigte, dass ein Warnschuss abgegeben worden sei.
Dschaber al-Bakr soll einen Sprengstoffanschlag geplant haben. Er entkam der Polizei nach Angaben eines Sprechers nur knapp. Nach Informationen vom 9. Oktober sollen die Beamten ihn gesehen haben, konnten ihn aber nicht fassen. Eine LKA-Sprecherin bestätigte, dass ein Warnschuss abgegeben worden sei. © dpa | Hendrik Schmidt
Einsatzkräfte des SEK stürmten die Wohnung, in der sich der Verdächtige aufgehalten hatte. Das Wohngebiet wurde abgeriegelt.
Einsatzkräfte des SEK stürmten die Wohnung, in der sich der Verdächtige aufgehalten hatte. Das Wohngebiet wurde abgeriegelt. © REUTERS | FABRIZIO BENSCH
Der Sprengstoff, den die Ermittler schließlich fanden, war offenbar gut versteckt gewesen.
Der Sprengstoff, den die Ermittler schließlich fanden, war offenbar gut versteckt gewesen. © REUTERS | FABRIZIO BENSCH
Weil der Transport sehr gefährlich gewesen wäre, vernichteten Spezialisten den Fund durch gezielte Sprengung in den extra ausgehobenen Erdlöchern in der Siedlung.
Weil der Transport sehr gefährlich gewesen wäre, vernichteten Spezialisten den Fund durch gezielte Sprengung in den extra ausgehobenen Erdlöchern in der Siedlung. © dpa
Später nahmen die Polizisten einen Verdächtigen im Fritz-Heckert-Wohngebiet in Chemnitz fest. Der Syrer soll der Mieter der Wohnung sein, in dem der Sprengstoff gefunden wurde.
Später nahmen die Polizisten einen Verdächtigen im Fritz-Heckert-Wohngebiet in Chemnitz fest. Der Syrer soll der Mieter der Wohnung sein, in dem der Sprengstoff gefunden wurde. © dpa | Bernd März
Gegen ihn wird – wie gegen den Hauptverdächtigen Al-Bakr, nachdem bundesweit öffentlich gefahndet wurde – wegen der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat (Paragraf 89a StGB) ermittelt.
Gegen ihn wird – wie gegen den Hauptverdächtigen Al-Bakr, nachdem bundesweit öffentlich gefahndet wurde – wegen der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat (Paragraf 89a StGB) ermittelt. © dpa | Bernd März
Während der Fahndung riegelte die Polizei am Nachmittag des 8. Oktober den Hauptbahnhof in Chemnitz ab.
Während der Fahndung riegelte die Polizei am Nachmittag des 8. Oktober den Hauptbahnhof in Chemnitz ab. © dpa | Arno Burgi
Die Fahnder nahmen zwei Männer fest.
Die Fahnder nahmen zwei Männer fest. © dpa | Arno Burgi
Die Festgenommenen hatten einen Koffer bei sich. Ein ferngesteuerter Roboter zur Bombenentschärfung untersuchte auf einem Gleis im Hauptbahnhof in Chemnitz den roten Koffer. Er erwies sich als harmlos. Die beiden Männer kamen am 9. Oktober wieder frei.
Die Festgenommenen hatten einen Koffer bei sich. Ein ferngesteuerter Roboter zur Bombenentschärfung untersuchte auf einem Gleis im Hauptbahnhof in Chemnitz den roten Koffer. Er erwies sich als harmlos. Die beiden Männer kamen am 9. Oktober wieder frei. © dpa | Arno Burgi
Auch am Berliner Flughafen Schönefeld erhöhte die Polizei am 8. Oktober die Sicherheitsvorkehrungen.
Auch am Berliner Flughafen Schönefeld erhöhte die Polizei am 8. Oktober die Sicherheitsvorkehrungen. © Getty Images | Clemens Bilan
Die Beamten kontrollierten zahlreiche Fahrzeuge. „Wir hatten Hinweise – nachrichtendienstliche Hinweise – , dass er zunächst einmal Züge in Deutschland angreifen wollte. Zuletzt konkretisierte sich dies mit Blick auf Flughäfen in Berlin“, sagte Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen am 10. Oktober.
Die Beamten kontrollierten zahlreiche Fahrzeuge. „Wir hatten Hinweise – nachrichtendienstliche Hinweise – , dass er zunächst einmal Züge in Deutschland angreifen wollte. Zuletzt konkretisierte sich dies mit Blick auf Flughäfen in Berlin“, sagte Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen am 10. Oktober. © Getty Images | Clemens Bilan
In Chemnitz waren hunderte Polizisten im Einsatz.
In Chemnitz waren hunderte Polizisten im Einsatz. © dpa | Arno Burgi
Großeinsatz der Polizei im Fritz-Heckert-Wohngebiet in Chemnitz.
Großeinsatz der Polizei im Fritz-Heckert-Wohngebiet in Chemnitz. © dpa | Bernd März
Ein Großaufgebot von mehreren hundert Polizisten war im Einsatz.
Ein Großaufgebot von mehreren hundert Polizisten war im Einsatz. © dpa | Bernd März
Sondereinsatzkräfte der Polizei im Plattenbauviertel in Chemnitz.
Sondereinsatzkräfte der Polizei im Plattenbauviertel in Chemnitz. © dpa | Arno Burgi
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Nach Bundeskanzlerin Angela Merkel und Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (beide CDU) dankte am Dienstag auch Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) den Syrern für ihre Hilfe. Sie hätten „mit ihrem beherzten persönlichen Eingreifen entscheidend dazu beigetragen“, al-Bakr „dingfest“ zu machen. „Herr Jung würde sich gern mit den drei Neu-Leipzigern persönlich treffen“, sagte sein Sprecher. Allerdings wisse man nicht, wo die Syrer derzeit seien und wie man mit ihnen in Kontakt treten könne.

Unionspolitiker fordern Überprüfung aller Flüchtlinge

Unionspolitiker bekräftigten angesichts des Falles ihre Forderung nach einer lückenlosen Überprüfung aller Flüchtlinge. Auch all diejenigen, die bereits im Land seien, müssten „auch unter Beiziehung unserer Nachrichtendienste“ überprüft werden, sagte Parteichef Horst Seehofer.

SPD-, Linke und Grünen-Politiker warnten dagegen vor einem pauschalen Verdacht gegen geflüchtete Menschen. Schon jetzt hätten die Geheimdienste im Verdachtsfall Zugriff auf sensible Daten von Asylsuchenden, sagte die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Ulla Jelpke. (dpa)