Bonn. Eine Hauptstadt, zwei Regierungssitze – die Doppelstrukturen machen das Regieren schwieriger, so ein Bericht. Der Aufwand ist enorm.

Die deutsche Teilung ist auch 26 Jahre nach der Wiedervereinigung noch nicht Geschichte – zumindest nicht, was die Aufteilung der Bundesregierung zwischen Berlin und Bonn betrifft. Aufgrund doppelter Dienstsitze mussten Bundesbedienstete im vergangenen Jahr rund 20.700 Dienstreisen zwischen den Städten absolvieren. Der „Statusbericht zur Umsetzung des Berlin/Bonn-Gesetzes“, den Bundesbauministerin Barbara Hendricks (SPD) am Dienstag in Berlin vorstellte, kommt zu dem Ergebnis, dass „sowohl die Effektivität als auch die Effizienz der Zusammenarbeit“ unter dieser Teilung leiden.

Zwar würden Aufgaben vollständig und fristgerecht erfüllt, heißt es in dem Berichtsentwurf, den die Bundesbauministerin, die zugleich auch Sonderbeauftragte des Bundes für den Berlin-Umzug ist, am Montag allen Ministerien vorgelegt hatte. Allerdings zu einem hohen Preis. Die Funktionsfähigkeit der Bundesregierung werde „durch einen erheblichen Mehraufwand und damit auf Kosten der Effizienz aufrechterhalten“, heißt es in dem Papier.

"Ich gebe keine Empfehlung in der Bonn-Berlin-Frage, sondern eine Bestandsanalyse"

Die teilungsbedingten Kosten beziffert die Bundesregierung auf rund 7,6 Millionen Euro im Jahr, die durch Reisekosten und teilungsbedingte Doppelfunktionen entstehen. Nicht erfasst ist dabei der Ausfall von Arbeitszeiten, der durch die Dienstreisen entsteht. Für den Statusbericht hatte Hendricks leitende Mitarbeiter der Ministerien an beiden Standorten befragen und Datenmaterial sammeln lassen. Die SPD-Politikerin betonte, dass keine noch so aufwendige technische Unterstützung die persönliche Anwesenheit etwa in einer Besprechung ersetzen könne.

Ihren Bericht will sie dennoch nicht als Plädoyer für eine Verlagerung aller Dienstsitze in die Bundeshauptstadt verstanden wissen. „Ich gebe keine Empfehlung in der Bonn-Berlin-Frage, sondern habe eine ergebnisoffene Bestandsanalyse vorgenommen, die als Grundlage für die weitere Debatte dienen soll“, so die Ministerin.

Unter den Bundesministerien gibt es acht Berlin-Ressorts mit erstem Dienstsitz an der Spree und sechs Bonn-Ressorts mit erstem Dienstsitz am Rhein. Zwei Dienstsitze haben sie jedoch alle. Dem Bericht zufolge arbeiten derzeit von insgesamt knapp 20.000 Beschäftigten 12.654 (64,3 Prozent) in Berlin und 7030 (35,1 Prozent) in Bonn. Die Bonner Mitarbeiter sind dabei im Durchschnitt fünf Jahre älter als die Kollegen in Berlin – und drei Viertel gehen in den kommenden 20 Jahren in den Ruhestand. „Bei ungesteuertem Fortlauf der Entwicklung wird sich die Verlagerung von Ministeriumsarbeitsplätzen verschärfen“, sagte Hendricks.

Berlin übt eine Sogwirkung aus - auch in den Ministerien

Doch nicht nur aus demografischen Gründen gibt es ein stetiges Mitarbeiterwachstum in Berlin und einen entsprechenden Abbau im 480 Kilometer Luftlinie entfernten Bonn. Nach dem Gesetz von 1994 soll zwar mehr als die Hälfte der Mitarbeiter der Bundesministerien in Bonn arbeiten. Bereits seit 2008 ist das aber nicht mehr der Fall. „Die gesetzlich geforderte Ansiedlung des Kernbereichs der Regierungsfunktionen in Berlin üben eine Sogwirkung auf die übrigen Mitarbeiter aus“, beschreibt die Ministerin den Effekt. Die Region Bonn beharrte allerdings zuletzt im Juni dieses Jahren erneut darauf, dass alle Ministerien mit Erstdienstsitz in Bonn diesen auch weiterhin behalten müssten.

Den Bonnern rief die Ministerin jedoch ins Gedächtnis, dass es in der Region im Jahr 2015 mehr als 37.000 Arbeitsplätze in Einrichtungen des Bundes gab. Im Jahr 2000 waren es 35.000. „Es wäre im Interesse der Region Bonn, wenn man nicht so tun würde, als würde einfach alles so bleiben, wie es ist, wenn man gar nichts tut“, mahnte Hendricks. Sie betonte, sie habe nie von einem Komplettumzug gesprochen. Sie verwies darauf, dass eine Verlagerung aller Dienstsitze nach Berlin ohnehin die Aufgabe vieler Jahre wäre. „Dazu müssten in Berlin erst einmal die Räumlichkeiten geschaffen werden“, sagte sie.

Der Statusbericht befeuert die Debatte um einen Komplettumzug

Auch wenn die Umzugsbeauftragte des Bundes jegliche Parteinahme sorgsam vermeidet – schließlich hatten sich die Regierungsparteien bei ihren Koalitionsverhandlungen auf das Festhalten am Bonn-Berlin-Gesetz geeinigt –, befeuert der Statusbericht die Debatte. Mit der Wiedervereinigung der Bundesregierung in Berlin käme ein teurer und ineffizienter Anachronismus endlich zu seinem Ende, sagte etwa der Vorsitzende der Landesgruppe Berlin in der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, Kai Wegner. „Es ergibt keinen Sinn, weiter auf einer absurden Arbeitsteilung zu beharren, denn der Rutschbahneffekt in Richtung Berlin ist eine Realität.“ Die Planung eines geordneten Umzugs sei das Gebot der Stunde.“

Auch der Bund der Steuerzahler macht sich für einen Komplettumzug stark. „Die Zweiteilung muss beendet werden, weil die Regierungsarbeit einen zentralen Standort braucht – und das ist Berlin“, sagte Präsident Reiner Holznagel.