Berlin. Wird es am Ende doch nicht Parteichef Sigmar Gabriel? Angeblich wächst in der SPD die Zustimmung für Martin Schulz als Kanzlerkandidat.

Bei der Entscheidung über den SPD-Kanzlerkandidaten für die Bundestagswahl im Herbst 2017 deutet sich womöglich eine überraschende Wende an. Eine wachsende Zahl führender Genossen favorisiere inzwischen den Präsidenten des EU-Parlaments, Martin Schulz, für den Job, berichtet der „Spiegel“ vorab.

„Über alle Flügel und Landesgruppen hinweg gibt es eine breite ,Bloß nicht Gabriel‘-Bewegung“, zitiert das Magazin einen SPD-Abgeordneten. Gabriel kämpfe nicht nur gegen die Skepsis der Partei. Interne Umfragen zeigten zudem, dass der SPD-Chef selbst unter den eigenen Wählern kritisch gesehen werde.

„Wir brauchen einen Kandidaten, der rockt“

Schon in der Vergangenheit war immer wieder Kritik an dem SPD-Vorsitzenden laut geworden. Er gilt auch in den eigenen Reihen bei vielen als wankelmütig und unberechenbar. Bereits bei der Bundestagswahl 2013 hatte Gabriel Peer Steinbrück den Vortritt lassen müssen. Gabriel hat sich bislang nicht klar zu seinen Ambitionen geäußert.

„Viele einflussreiche Sozialdemokraten“, so der „Spiegel“-Bericht weiter, fürchteten, dass Gabriel sich bei einer Kandidatur noch immer selbst im Weg stehen könnte. „Wir brauchen einen Kandidaten, der rockt, der es aber vor allem nicht selbst verbockt“, zitiert der Bericht einen SPD-Spitzenmann.

Weil Schulz in absehbarer Zeit bekennen müsste, ob er für eine weitere Amtszeit als EU-Parlamentspräsident kandidiert, könnte eine Entscheidung über den SPD-Kanzlerkandidaten noch im Oktober fallen. Dazu würde passen, dass verschiedene Medien in Schulz’ Heimat Aachen darüber spekulieren, der 60-Jährige könnte den Bundestagswahlkreis im Essener Süden übernehmen. Dort kandidierte beim letzten Mal die SPD-Politikerin Petra Hinz, die über ihren gefälschten Lebenslauf stolperte.

Sigmar Gabriel sieht die SPD nicht unter Druck

Gabriel äußerte sich am Freitag nicht direkt zu dem Bericht. Er sagte aber, dass es für seine Partei schön sei, wenn Beobachter mehrere Mitglieder „für in der Lage halten, Frau Merkel abzulösen“.

Gabriel sieht seine Partei bei der Entscheidung über den Kanzlerkandidaten nicht unter Zugzwang. „So lange die Union nicht Klarheit hat, wer bei denen antritt, obwohl sie die Kanzlerin stellt, ist die SPD unter gar keinem Druck“, sagte der Vizekanzler in Berlin. „In der CDU gibt es offensichtlich große Not, weil man Angst hat, dass Frau Merkel nicht nochmal antreten könnte.“ Verglichen damit befinde sich seine SPD in einer komfortablen Lage. (W.B./dpa)