Berlin. Die Wahl von António Guterres zum UN-Generalsekretär gilt als sicher. Auf den Ex-Ministerpräsidenten Portugals warten große Aufgaben.

Selten ächzte die Welt unter einer derartigen Krisenlast wie in diesen Tagen: Tödlicher Bombenhagel auf Aleppo, Dauer-Bürgerkriege in Syrien und in der Ukraine, die drohende direkte Konfrontation zwischen Russland und den USA, die größten Flüchtlingsströme seit 1945. Noch nie – so scheint es – waren die Vereinten Nationen (UN) so machtlos wie heute.

Das liegt, zum Teil zumindest, an der Führungsspitze. Unter dem seit 2007 amtierenden Generalsekretär Ban Ki-moon gab es keine einzige Initiative, die im kollektiven Gedächtnis haften blieb. Nun keimt wieder Zuversicht auf, wenigstens ein bisschen. Die einstimmige Nominierung des ehemaligen portugiesischen Ministerpräsidenten António Guterres zum neuen UN-Generalsekretär durch den Weltsicherheitsrat unterstreicht: Das höchste Gremium der Vereinten Nationen ist in der Lage, bei dieser wichtigen Personalie Seite an Seite zu stehen. Die Wahl in der Generalversammlung gilt als sicher.

In Bundesregierung herrscht neue Zuversicht

Guterres bringt wichtige Eigenschaften für das neue Amt mit. Als Regierungschef steuerte der Sozialist von 1995 und 2002 eine Minderheitsregierung durch schwierige Zeiten. Er verfügt über einen langen Atem und hat die Fähigkeit, parteiübergreifend Bündnisse zu schmieden. Der Mann, der von 2005 bis 2015 UN-Flüchtlingskommissar war, gilt als moralische Autorität.

In der Bundesregierung herrscht neue Zuversicht. „In einer Welt aus den Fugen kommt es mehr denn je auf die Vereinten Nationen an“, erklärte Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD). „Wir begrüßen die Nominierung von António Guterres durch den Sicherheitsrat und erwarten nun mit Spannung, wie die Generalversammlung entscheiden wird. Wir gehen davon aus, dass er auch dort alle Unterstützung erhalten wird – er ist ein hervorragender Kandidat!“, sagt Michael Roth, Staatsminister im Außenministerium, unserer Redaktion. Jürgen Hardt (CDU), Koordinator für die transatlantische Zusammenarbeit im Auswärtigen Amt, hegt ebenfalls Hoffnung. „Das Wichtigste für die Vereinten Nationen ist, zu Geschlossenheit zurückzufinden“, sagt Hardt unserer Redaktion. „Ich erwarte von ihm, dass er die UN-Instrumente zur Leistung humanitärer Hilfe und von Flüchtlingshilfe weiter verbessert und die Disziplin unter den UN-Mitgliedern erhöht, zugesagte Hilfe auch zu leisten.“

Auf den neuen UN-Generalsekretär warten bei seinem Amtsantritt am 1. Januar 2017 viele ungelöste Aufgaben. Hier einige der wichtigsten Baustellen:

1. Syrien – gesucht wird ein Brückenbauer mit Autorität

Das Nahost-Land gleicht nach fünf Jahren Bürgerkrieg einem tödlichen Inferno. Mit mehr als 300.000 Toten, fünf Millionen Flüchtlingen und acht Millionen Vertriebenen im eigenen Land zählt der Krieg zu den schlimmsten Konflikten der vergangenen Jahrzehnte. Der UN-Sondergesandte Staffan de Mistura versuchte zwar unermüdlich, die zerstrittenen Parteien an den Verhandlungstisch zu bekommen. Doch zu viele internationale und regionale Akteure kochen im syrischen Stellvertreterkrieg ihr eigenes Süppchen. Es besteht zumindest die Chance, dass ein Politiker vom Kaliber Guterres’ das politische Gewicht mitbringt, um starre Fronten zu entkrampfen.

2. Der Schutz von Zivilisten und humanitären Helfern

Der brutale Angriff auf einen UN-Hilfskonvoi nahe Aleppo vor wenigen Wochen zeigt die Verrohung und zunehmende Rücksichtslosigkeit der Konfliktparteien. Nun wird ein Mahner und Warner mit moralischer Durchschlagskraft gesucht. Wenn schon schwere Konflikte nicht kurzfristig entschärft werden können, dürfen zumindest Zivilisten nicht die Leidtragenden sein. Guterres täte gut daran, nicht nur eine breite Koalition von Regierungen hinter sich zu versammeln, sondern auch Menschenrechts- und Hilfsorganisationen.

3. Die weltweite Lösung der Flüchtlingskrise

Mehr als 60 Millionen Menschen sind weltweit auf der Flucht. Das vom fünfjährigen Bürgerkrieg zerrissene Syrien ist nur das dramatischste Beispiel. Bislang hat die Weltgemeinschaft bei der Bewältigung dieser Krise kläglich versagt. Guterres, der zehn Jahre lang UN-Flüchtlingskommissar war, kennt das Problem wie kein anderer. Die Welt muss endlich begreifen, dass Konflikte und Flüchtlingsströme nur mit globaler Solidarität eingedämmt werden können. Gesucht wird der große Wurf statt halb garer Anstrengungen der EU, während sich die USA, Russland oder die Golfstaaten wegducken.

4. Der UN-Sicherheitsrat muss reformiert werden

Die Reform des UN-Sicherheitsrates, der mit seinen fünf Veto-Mächten immer noch die Weltordnung vom Ende des Zweiten Weltkriegs im Jahr 1945 abbildet, scheint überfällig. Das Gremium wurde in den vergangenen Jahren durch Vetos immer wieder lahmgelegt. Die Reform muss in zwei Richtungen gehen. Das Gremium muss den neuen Kräfteverhältnissen in einer multipolaren Welt angepasst werden.

Neue wirtschaftliche und politische Schwergewichte wie Deutschland, Brasilien, Indien oder Japan sollten aufgenommen werden. Das Veto-Prinzip, wobei ein Akteur das gesamte Gremium lahmlegen kann, ist nicht mehr zeitgemäß. Mehr Entscheidungskraft würde der Grundsatz der qualifizierten Mehrheit bringen.