Darum entschied Trumps-Vize Mike Pence das TV-Duell für sich
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Lesezeit: 5 Minuten
Von Dirk Hautkapp
Washington/Farmville. Im Duell der US-Vize-Kandidaten wirkte Demokrat Tim Kaine fahrig. Kontrahent Mike Pence dagegen kam seine Arbeit als Moderator zugute.
Vize-Präsidenten in Amerika haben nicht viel zu sagen. Es sei denn, die Nr. 1 gibt ihnen den Auftrag. Oder stirbt. Dann rückt der „Veep“ über Nacht ins erste Glied und führt die allem Untergangsgerede zum Trotz noch immer stärkste Macht der Erde. Weil die Anwärter auf den am 8. November zu vergebenden Top-Job, Hillary Clinton (im Falle ihrer Wahl 69) und Donald Trump (dann bald 71), laut Ärzten zwar kerngesund aber eben schon im fortgeschrittenen Alter sind, rücken darum ihre Beifahrer im Rennen um das Weiße Haus allmählich ins Rampenlicht.
Tim Kaine (58), Senator, früher Gouverneur von Virginia und Clintons Kandidat, und Mike Pence (57), früher Gouverneur von Indiana und Trumps Sozius, erhielten am Dienstagabend die einmalige Gelegenheit, sich via Fernsehen erstmals einem größeren Publikum vorzustellen. Was vielleicht auch nötig war, denn 40 Prozent der Amerikaner kannten sie bisher nach Erhebungen der Meinungsforschung nicht.
Zweite TV-Auflage zwischen Trump und Clinton
Eigenen politischen Gestaltungswillen zeigten die erfahrenen Politiker bei ihrem im Sitzen abgehaltenen Schlagabtausch erwartungsgemäß nicht. Beide verlegten sich, wie von den Regisseuren beider Kampagnen vorher akribisch einstudiert, komplett auf die Tätigkeit eines Strafverteidigers, der seinen Mandanten mit allen Mitteln vor Gericht gut dastehen lassen will; in der Hoffnung auf eine gnädige Jury daheim an den Bildschirmen.
Um es vorweg zu nehmen: Der Abend in Farmville, einer kleinen Stadt im Süden des Bundesstaates Virginia, wird schon morgen vergessen sein, wenn sich die politische Klasse für die zweite TV-Auflage zwischen Trump und Clinton am Sonntag in St. Louis warmläuft. Dan Balz, der Doyen der Kommentatoren-Kaste in Washington, fasst den Schlagabtausch Kaine/Pence denn auch treffend zusammen: „Debatten von Vizepräsidentschafts-Kandidaten spielen kaum eine Rolle. Sie produzieren manchmal erinnerungswürdige Video-Clips, aber sie bewegen nichts in den Umfragen.“
Tim Kaine trieb Gegenüber in die Enge
Dabei gab sich Tim Kaine alle Mühe. In der ihm nicht sonderlich gut stehenden Rolle des „Attack Dog“ (Kampfhund) versuchte der gläubige Christ das auf 90 Minuten angelegte Duell zu einem Tribunal über die vielen Ausrutscher und Provokationen der vergangenen Monate von Donald Trump gegen Frauen, gesellschaftliche Minderheiten und Andersdenkende zu machen. „Ich kann mir nicht vorstellen, wie Gouverneur Pence den von Beleidigungen getriebenen Stil von Donald Trump verteidigen kann“, trieb der hibbelig und etwas zu verbissen wirkende Kaine sein weißhaariges Gegenüber in die Enge.
Pence, ein ebenfalls tief religiöser Anwalt, parierte die Angriffe mit gelassenem Hakenschlagen und warf dem Demokraten vor, mitverantwortlich für eine „Lawine von Beleidigungen“ zu sein. Dass Hillary Clinton das Gros der Trump-Anhänger unlängst als „beklagenswerte“ Leute abkanzelte, sei schlimmer als alles, was man Donald Trump vorwerfen könne.
Moderatorin warb um Disziplin
Zugute kam Pence bei seiner „Abwehrarbeit“ die jahrelange Erfahrung als Moderator einer Radio-Sendung. Seine sonore Domian-Stimme, seine unaufgeregte Gestik und Mimik war das Kontrastprogramm zu Kaine, der oft mit schmallippig vorgetragenen Kontern dazwischengrätschte; obwohl die etwas überforderte Moderatorin Elaine Quijano vom Sender CBS immer wieder um Disziplin warb. „Die Leute zuhause an den Bildschirmen können sie nicht verstehen, wenn sie ständig durcheinander reden.“
In den wenigen störungsfreien Augenblicken offenbarte Pence gleichwohl Facetten, die seinem parallel eifrig twitternden „Boss“ nicht gefallen haben können. Als Kaine Trumps jüngste Attacken gegen eine ehemalige Schönheitskönigin und seine führende Rolle in der perfiden Obama-ist-gar-kein-echter-Amerikaner-Bewegung aufspießte, mogelte sich Mike Pence um eine klare Verteidigung seines „Herrn“ herum und ging stattdessen auf Gegenangriff: Unter Obama/Clinton sei Amerikas Rolle in der Welt „geschwächt“ worden, die Wirtschaft sei „erstickt“, der Staatshaushalt „hoffnungslos überschuldet“, der Nahe Osten „in Auflösung begriffen“ und das Militär „geschrumpft“. Pence kreiste in seinen Bemerkungen immer wieder um einen Schlüsselbegriff: „Führungsstärke.“
Er verortet sie selbstredend bei Trump, der als Geschäftsmann bewiesen habe, wie man Erfolge produziert. Dass Trump 1995 eine Milliarde Dollar Verlust erzeugte und danach mutmaßlich 18 Jahre lang durch Abschreibungen von der Einkommenssteuer befreit war, wertet Pence als Ausdruck von „Brillanz“.
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Trumps Vize entschied Duell für sich
Als dann der Name Wladimir Putin fiel, drehte der Wind. Anders als Trump, der dem russischen Präsidenten regelmäßig huldigt, dessen Führungsstärke preist und Schmeicheleien dankbar annimmt, nannte Pence den Mann im Kreml einen „kleinen und rüpelhaften Anführer“, der versuche, Amerika die Regeln zu diktieren. In Syrien, wo Moskau und Washington just ihre Kooperationsversuche zur Beilegung des Bürgerkrieges eingestellt haben, muss es aus Pence’ Sicht darauf eine Antwort geben: Luftangriffe aus Assads Truppen. Dass diese Einheiten von Putin gestützt und versorgt werden, was im Falle einer US-Intervention zu folgenschweren Kollateralschäden führen könnte, ließ Pence unerwähnt.
„Wir sind gespannt, was Donald Trump zu diesem Vorstoß sagen wird“, schrieb noch in der Nacht das Magazin „Politico“. Der New Yorker Milliardär reagierte wie erwartet – an der Sache vorbei. „Wir sollten alle stolz auf Mike sein!“, lobte der Kandidat seinen Vize, der nach Blitzumfragen das Duell gegen Kaine für sich entschied.
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Hauptstadt Inside von Jörg Quoos, Chefredakteur der FUNKE Zentralredaktion
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