Teheran. Vizekanzler Gabriel will die Handelsbeziehungen zu Iran wiederbeleben. Bei seiner Reise hat er viele freundliche Botschaften im Gepäck.

Am Mittag ist die Welt wieder in Ordnung in Teheran, die Verstimmung über Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel ist vorüber. Gabriel steht unter einem Bild des früheren Revolutionsführers Ajatollah Khomeni, abwechselnd klopft er seinem iranischen Amtskollegen Ali Tayebnia auf die Schulter, redet auf ihn ein und schüttelt ihm immer wieder die Hand. Gerade haben die beiden eine Erklärung unterschrieben, in der Deutschland und Iran sich ein „neues Kapitel“ engerer wirtschaftlicher Beziehungen versprechen.

Der Wille zu mehr Kooperation ist da, und Gabriel hat viele freundliche Botschaften im Gepäck: Bundesregierung und deutsche Wirtschaft wollten die Politik von Präsident Hassan Rohani zur Öffnung des Landes unterstützen, verspricht der Vizekanzler. Auch deshalb wolle Deutschland wirtschaftliche Fortschritte im Iran fördern.

Schrille Töne vom Vortag vorbei

Wandel durch Handel: Die schrillen Misstöne vom Vortag sind also vorbei. Das Teheraner Außenministerium hatte Gabriel noch vor seiner Ankunft deutlich gewarnt, der Iran werde es „keinem Land erlauben, sich in innenpolitische Fragen einzumischen“. Konservative Medien veröffentlichten ein Foto des Vizekanzlers mit der Parole: „Lasst den Zionistenfreund nicht in unser Land.“ Gabriel wiederum hatte vor seiner Abreise angekündigt, er wolle in Teheran nicht nur über die Wirtschaftsbeziehungen reden, sondern auch über „schlimme Menschenrechtsverletzungen“ oder die Rolle Irans im Syrienkrieg, in dem es Machthaber Baschar al-Assad stützt.

Jetzt, in der iranischen Öffentlichkeit, klingt Gabriel freundlicher: Er lobt etwa Irans Angebot zum Rechtsstaatsdialog oder appelliert – ohne Schuldzuweisung – an die Bereitschaft der islamischen Republik, mehr Verantwortung zur Beendigung des Syrienkonflikts zu übernehmen. Es ist eine Gratwanderung. Gabriel will zu politischen Differenzen nicht schweigen, aber bei seinem zweitägigen Besuch soll die Wiederbelebung des deutsch-iranischen Handels im Mittelpunkt stehen. Der Minister findet für diesen „doppelten Dialog“ einen Ausweg: Die Meinungsverschiedenheiten beklagt er lautstark noch in Deutschland – in Teheran ist er ganz der diplomatische Sachwalter der deutschen Wirtschaft. Die Erörterung kniffliger Menschenrechtsfälle bleibt Vier-Augen-Gesprächen vorbehalten.

Handelsvolumen könnte sich rasch verdoppeln

Die Wirtschaftsdelegation von rund 120 Unternehmen dankt es ihm. Die Einigung im Atomstreit des Westens mit dem Iran hat das Tor geöffnet für Handel und Investitionen. Nach der Aufhebung der Sanktionen ist der Nachholbedarf groß – von Straßen über Flughäfen bis zum Energiesektor plant der Iran Hunderte Großprojekte. Hoffnungen machen sich vor allem Unternehmen des Maschinen- und Anlagenbaus, der Energie-, Automobil- und Chemiebranche und der Gesundheitswirtschaft.

Das bescheidene Handelsvolumen von aktuell 2,4 Milliarden Euro im Jahr könnte sich zügig verdoppeln. Am Rande des Besuchs werde eine Reihe von Firmenverträgen unterschrieben – allerdings nicht im erhofften Umfang. Gabriel warnt ohnehin vor zu hohen Erwartungen: „Es wird kein Wunder geschehen nach schwieriger Eiszeit.“

Iran wählt im nächsten Jahr

Zudem ist die internationale Konkurrenz groß, China hat während der westlichen Sanktionen seine Präsenz massiv ausgebaut. Vor allem aber klagen Unternehmen über Bürokratie und Korruption im Iran und über mangelnde Finanzierungsmöglichkeiten, die auch durch Restriktionen der USA fortbestehen. Die Investitionsbereitschaft deutscher Firmen hat sich spürbar abgekühlt, wie mitreisende Unternehmer bestätigen.

Umgekehrt macht sich im Iran Ernüchterung breit. Dabei braucht Präsident Rohani wirtschaftliche Erfolge, um bei der Wahl 2017 bestehen zu können. Auf die Einladung der Kanzlerin nach Berlin wartet Rohani noch, aber Gabriel verspricht, es gebe ein politisches Interesse, die Reformer zu unterstützen – auch wenn niemand die Augen verschließt vor dem harten Kurs nach innen, der in einer steigenden Zahl von Hinrichtungen ablesbar ist.

Noch in Deutschland hatte Gabriel erklärt, ein normales Verhältnis sei erst möglich, wenn Iran das Existenzrecht Israels akzeptiere. In Teheran spricht der Vizekanzler milder davon, dass der Iran den Konflikt zwischen Israel und Palästina anders sehe als Deutschland.

Da gibt sich auch die iranische Seite verständig: Unterschiede in den Ansichten zweier Länder seien doch „ganz natürlich“.