Bogotá. Nach 52 Jahren sollte der blutige Konflikt mit der Farc-Guerilla in Kolumbien beendet werden. Doch das Volk hat mit „Nein“ gestimmt.

Völlig überraschend haben die Kolumbianer das historische Friedensabkommen zwischen der Regierung und der linken Guerillaorganisation Farc abgelehnt. Bei der Volksabstimmung am Sonntag stimmten 50,21 Prozent gegen den Vertrag, wie die Wahlbehörde nach der Auszählung fast aller Stimmen mitteilte. 49,78 Prozent votierten für das Abkommen. Alle Umfragen waren von einer Bestätigung des Abkommens ausgegangen.

Der Friedensvertrag sollte den ältesten bewaffneten Konflikt Lateinamerikas mit mehr als 220.000 Toten und über fünf Millionen Vertriebenen beilegen. Wie es nun weitergeht, ist völlig unklar.

Gegner kritisieren zu milde Strafen für Farc-Rebellen

Die Regierung und die linken Farc-Rebellen hatten den Vertrag nach knapp vierjährigen Verhandlungen vor einer Woche im Beisein von vielen Staats- und Regierungschefs und UN-Generalsekretär Ban Ki Moon in der kolumbianischen Stadt Cartagena unterzeichnet. Die noch rund 8000 Kämpfer sollten unter Beteiligung von UN-Beobachtern ihre Waffen abgeben, diese sollten eingeschmolzen und für Mahnmale verwendet werden.

Die Gegner des Abkommens hatten vor allem die relativ milden Strafen für die Guerilleros kritisiert – eine Sonderjustiz sieht maximal acht Jahre Haft für Farc-Verbrechen vor. Ebenfalls kritisch wird die staatliche Hilfe bei der Gründung eines politischen Projekts gesehen.

Präsident Santos will weiter für Abkommen kämpfen

Die marxistisch ausgerichteten Farc sehen sich als Anwalt der armen Landbevölkerung. Für die kommenden zwei Wahlperioden bekommen sie mindestens fünf Sitze im Senat und in der Abgeordnetenkammer garantiert – auch wenn ihre Partei keine entsprechend hohe Stimmenanzahl gewinnen sollte.

Kolumbiens Präsident Juan Manuel Santos, der schon als Kandidat für den Friedensnobelpreis gehandelt wurde, will weiter für das Abkommen kämpfen. „Ich gebe nicht auf. Ich werde mich bis zum letzten Tag meiner Amtszeit um den Frieden bemühen“, sagte Santos. Er schickt nun seine Unterhändler wieder nach Kuba, wo mit internationaler Beteiligung die Verhandlungen stattfanden. Auch mit den Gegnern des Abkommens will er Gespräche aufnehmen.

Hurrikan „Matthew“ drückt Wahlbeteiligung

Die „Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens“ (Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia – Farc) schlossen eine Rückkehr zum bewaffneten Kampf zunächst aus. „Die Farc halten an ihrer Bereitschaft zum Frieden fest und unterstreichen ihren Willen, nur noch Worte als Waffen zum Aufbau der Zukunft zu nutzen“, sagte Farc-Kommandeur, Rodrigo Londoño alias „Timochenko“.

Die Wahlbeteiligung lag angesichts der Bedeutung nur bei enttäuschenden 37,43 Prozent. Heftiger Regen und Sturmböen wegen des Hurrikans „Matthew“ über der Karibik dürften die Beteiligung gedrückt haben. Während in früheren Konfliktregionen das „Sí“-Lager vorne lag, überwog die Ablehnung vor allem im Zentrum des Landes rund um die Hauptstadt Bogotá und die Wirtschaftsmetropole Medellín. Das knappe Ergebnis zeigt, wie tief gespalten die kolumbianische Gesellschaft nach über 50 Jahren Konflikt ist.

Ergebnis des Votums für Santos bindend

Für Präsident Santos ist das Ergebnis bindend. Nach dem negativen Votum kann er das Abkommen nun zunächst nicht umsetzen. Es gibt Überlegungen, ob sich nun der Kongress den Friedensvertrag zu eigen machen und in Kraft setzten könnte. Gegen den Willen der Wähler dürfte das allerdings schwer zu vermitteln sein.

Santos hatte den Friedensprozess mit den Farc in das Zentrum seiner Präsidentschaft gestellt. Wegen der Friedensverhandlungen hatte er sich auch mit seinem Vorgänger und Ziehvater Álvaro Uribe überworfen. Trotz seines Triumphs zeigte sich Ex-Präsident Uribe versöhnlich. „Alle wollen Frieden, keiner will Gewalt“, sagte er. Mit seiner rechten Partei Centro Democrático wolle er zu einem „nationalen Pakt für den Frieden“ beitragen – er fordert, den Vertrag neu auszuhandeln. Der konservative Hardliner macht die Farc für den Mord an seinem Vater verantwortlich.

Friedensvertrag sieht auch Kampf gegen Drogenhandel vor

Der Vertrag sieht auch eine Landreform und eine Bekämpfung des Drogenhandels vor. Allerdings gibt es auch Befürchtungen, dass sich Kämpfer einfach anderen Banden anschließen, zudem gibt es bisher kein Abkommen mit der ELN-Guerilla, die noch rund 2000 Kämpfer haben soll. Norwegens Außenminister Børge Brende, der die Friedensverhandlungen aktiv unterstützt hatte, zeigte sich sehr enttäuscht. Er hoffe, dass der Waffenstillstand halte und neue Verhandlungen aufgenommen werden, sagte er dem Sender NRK. (dpa)