Moskau. Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel weist Kritik an seiner Russland-Reise zurück. Er beruft sich dabei auf Willy Brandts Ostpolitik.

Mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin hatte sich Sigmar Gabriel schon eine offene Kontroverse in dessen Residenz geliefert. Am Tag danach knöpfte sich der Wirtschaftsminister seine Kritiker in Deutschland vor: Ein Kontaktabbruch gegenüber Russland habe nur negative Folgen. Die internationalen Konflikte ließen sich ohne das Land nicht lösen, warnte der SPD-Vorsitzende am Donnerstag in Moskau zum Abschluss seines Russlandbesuchs. In dieser Haltung hätten ihn auch russische Menschenrechtsaktivisten bestärkt, die er getroffen hatte: „Die sagen, je häufiger wir hierher kommen, desto besser.“

In Berlin war zuvor Kritik an seiner Reise laut geworden, der CDU-Abgeordnete Karl-Georg Wellmann etwa sprach von einem „völlig falschen Signal“. Gabriels Antwort: Dass er sich für Putins Propaganda einspannen lasse, sei „dummes Zeug“. Notwendig sei ein „doppelter Dialog“ mit Russland, erklärte der Vizekanzler. „Wir brauchen Signale der Entspannung, aber wir dürfen auch die Differenzen nicht verschweigen.“

Gabriel vermied allzu freundliche Töne

Bei Gesprächen unter anderem mit seinem russischen Amtskollegen Alexej Uljukajew hatte der Minister zuvor Möglichkeiten ausgelotet, die wegen der Sanktionen eingetrübten deutsch-russischen Wirtschaftsbeziehungen wieder zu beleben. Uljukajew stellte die deutsche Beteiligung an Großprojekten wie einer Schnellbahntrasse in Aussicht. Gabriel versicherte, die deutsche Wirtschaft wolle in Russland aktiv bleiben. Gabriel wertet die Wirtschaftsbeziehungen auch als Beitrag zur Entspannung im deutsch-russischen Verhältnis.

Eigentlich ist der Vizekanzler um eine Wiederannäherung an Russland bemüht, er hat vor kurzem eine gemeinsame europäische Abrüstungsinitiative gefordert und berief sich dabei auf den früheren Bundeskanzler Willy Brandt (SPD) und dessen Ostpolitik. Doch angesichts der Zuspitzung in der Syrien-Krise vermied Gabriel in Moskau allzu freundliche Töne. Er zeigte sich gegenüber Putin empört über den jüngsten Angriff auf einen US-Hilfskonvoi in Syrien, nannte den Vorfall „absolut unannehmbar“ und einen „dramatischen Rückschlag“. Den Verdacht, Russland stecke hinter der Attacke, machte sich Gabriel nicht zu eigen – Putin hatte im Gespräch mit dem Vizekanzler entsprechende Vorwürfe der USA klar zurückgewiesen.

Vier-Augen-Gespräch mit Putin

Im Vier-Augen-Gespräch habe Putin mehr Engagement von den USA in Syrien verlangt, berichtete Gabriel. Putin wolle die Bereitschaft auch der USA, die Einhaltung eines Waffenstillstands zu kontrollieren. „Das ist ja einer der großen Konfliktfälle, dass die Amerikaner jedenfalls bislang nicht bereit sind, dafür entsprechend einzutreten“, sagte Gabriel. Und im Ukraine-Konflikt gestand Gabriel der russischen Seite zu, dass nicht sie allein für Verzögerungen beim Friedensprozess verantwortlich sei: „Auch die Ukraine muss sich in vielfacher Hinsicht bewegen.“

Der Wirtschaftsminister gehört zu jenen, die für einen schrittweisen Abbau der bis Anfang 2017 verlängerten Sanktionen plädieren, unter denen auch die deutschen Exporte leiden. Die EU solle nicht mehr auf einer vollständigen Umsetzung des Minsker Abkommens beharren, sondern die Sanktionen schon bei substanziellen Fortschritten Stück für Stück zurücknehmen. Doch Gabriel stellt auch klar: „Das Ende der Sanktionen wird nur kommen, wenn wir den Friedensprozess in der Ukraine voranbringen. Das ist die Bedingung dafür.“