Hamburg. Marcus Weinberg und CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt über den Unionsstreit und Krach mit dem Koalitionspartner.

Zwischen den Unions-Schwestern tobt seit Monaten der Streit über die Flüchtlingspolitik. Obergrenzen, Burka-Verbot und Bevorzugung von Christen unter den Migranten sind Streitthemen. In Hamburg trafen sich Gerda Hasselfeldt, die CSU-Landesgruppenchefin in Berlin, und Marcus Weinberg, der familienpolitische Sprecher der Union – und demonstrierten Einigkeit.

So einträchtig sieht man CDU und CSU selten beieinander. War die Stimmung in der Union jemals so schlecht wie heute?

Marcus Weinberg: Im täglichen Geschäft gibt es mehr Harmonie und gemeinsame Erfolge, als es die Öffentlichkeit derzeit wahrnimmt. Gerade wir beide sind immer an Lösungen interessiert.

Gerda Hasselfeldt: Das stimmt. Allerdings haben wir in der zentralen Frage der Flüchtlingspolitik einige Punkte, die noch nicht zu Ende diskutiert sind. Das müssen wir in den nächsten Wochen gemeinsam auf den Weg bringen.

Betrachtet man die derzeit Handelnden, kommen Zweifel auf.

Weinberg : Wir hatten immer schon mal Differenzen. Das liegt auch an unserer Rollenbeschreibung. Die CDU kann sich mit Positionen offener Richtung Mitte bewegen, weil wir die CSU auf der anderen Seite haben. Und die CSU kann klare Kante zeigen, auch weil die CDU die Mitte abschirmt. Diese Rollenverteilung war gut eingespielt und erfolgreich. Die aktuellen Differenzen sind weitergegangen, als gut ist. Und sie sind unnötig, da uns weiterhin mehr verbindet, als uns trennt. Aber ich bin zuversichtlich, dass wir uns in den kommenden Wochen auf eine Sprache verständigen.

Hasselfeldt: Trotz mancher Differenzen verbindet uns auch in der Flüchtlingsfrage mehr als uns trennt. Wir haben beispielsweise die Asylpakete 1 und 2 gemeinsam auf den Weg gebracht und in der Koalition durchgesetzt. Dazu gehört zum Beispiel die Einstufung von Albanien, Montenegro und dem Kosovo als sichere Herkunftsstaaten, die Einführung eines längeren Aufenthalts für Asylsuchende in Erstaufnahmeeinrichtungen, ein Beschäftigungsverbot für Asylbewerber aus sicheren Herkunftsstaaten, beschleunigte Asylverfahren binnen einer Woche für Antragsteller aus sicheren Herkunftsstaaten und die Aussetzung des Familiennachzugs für subsidiär Schutzberechtigte für zwei Jahre. Zusammen mit der Schließung der Balkanroute und dem EU-Türkei-Abkommen hat das dazu geführt, dass die Zahl der Flüchtlinge deutlich zurückgegangen ist.

Der Streit zwischen Horst Seehofer und Angela Merkel ist aber nicht beigelegt, ganz im Gegenteil.

Hasselfeldt : Diese noch vorhandenen Differenzen müssen wir beseitigen.

Brauchen die beiden einen Coach, um ihre Differenzen zu beseitigen?

Hasselfeldt : Natürlich nicht. CDU und CSU sind zwei eigenständige Parteien. Da ist es gut und richtig, dass es inhaltliche Diskussionen gibt. Am Ende werden wir zu gemeinsamen Lösungen kommen. Das schließt nicht aus, dass die CSU auch wieder mit einem Bayernplan eigene Akzente setzt. In den nächsten Wochen finden die Deutschlandkongresse von CDU und CSU statt. Da geht es unter anderem um die Auswirkungen der Globalisierung, die Digitalisierung und den demografischen Wandel. Das ist doch eine gute Basis.

Wer macht den ersten Schritt auf den anderen zu ­ Horst Seehofer oder Angela Merkel?

Hasselfeldt : Beide wissen, dass eine Verständigung nötig ist.

Weinberg: Das fordern auch die Abgeordneten und Verantwortlichen in beiden Parteien. Angela Merkel und Horst Seehofer sind keine Hasardeure. Manchmal muss man polarisieren, aber dann muss man wieder zu einer gemeinsamen Sprache und einheitlichen Position zurückfinden. Das wird uns im Herbst gelingen. Von einer Fortdauer des Streits profitieren nur die Populisten.

Die SPD schaut sich das Theater auch ganz gern an. Einige wittern Morgenluft.

Weinberg : Es wäre ein Treppenwitz, wenn ausgerechnet die SPD, die in der Koalition lange jede Verschärfung der Asylpolitik verhindert hat, vom Unionsstreit profitiert. Unser Streit mag nerven, aber die jetzigen Absetzbewegungen der SPD sind heuchlerisch und zeugen von keiner anständigen politischen Kultur.

Wenn ich die Forderungen der CSU höre, dürfte der Streit noch weitergehen. So möchte die CSU christliche Einwanderer bevorzugen. Ist das auch Ihre Position?

Weinberg : Wir müssen zwischen Schutz und dauerhaftem Bleiberecht unterscheiden. Schutz vor Verfolgung und Krieg ist allen zu gewähren. Aber wir wissen auch, dass Menschen, die aus einem verwandten Kulturbereich kommen, weniger Probleme mit der langfristigen Integration haben. Aber wenn es an unserer Tür klopft und ein Mensch sucht Schutz, müssen wir helfen.

Hasselfeldt: Unsere Forderung bezieht sich nicht auf Flüchtlinge, sondern auf Zuwanderer in den Arbeitsmarkt. Dass wir hier in Deutschland Zuwanderer aus Ländern bevorzugen, die unserer christlich-abendländischen Kultur am nächsten stehen, halte ich für sinnvoll. Andere Einwanderungsländer machen das auch so.

Sie befürworten ein Burkaverbot, Frau Hasselfeldt.

Hasselfeldt : Ich bin für ein differenziertes Burkaverbot, für ein Verbot der Vollverschleierung im öffentlichen Dienst, vor Gericht, in Schulen und Hochschulen, im Straßenverkehr - dort also, wo eine Identifizierung nötig ist. Die Vollverschleierung widerspricht unseren Werten wie der Gleichberechtigung von Mann und Frau und erschwert die Integration. Im Übrigen haben wir die Mehrheit der Bevölkerung auf unserer Seite.

Weinberg: Das sehe ich genauso: Man muss den Menschen im öffentlichen Bereich ins Gesicht schauen können, aber ihnen auch das grundgesetzlich verbriefte Recht auf private Religionsausübung gewähren. Mit dem differenzierten Verbot bekommen wir das hin.

Warum tun wir uns so schwer, Spielregeln zu definieren?

Weinberg : Ich glaube, wir sind schon deutlich weiter gekommen. Wer hier leben möchte, muss eine Identität für diese Gesellschaft, ihrer Rechtsstaatlichkeit und ihre Kultur entwickeln.

Hasselfeldt: Das hat die CSU schon vor Jahren gefordert, etwa in Bezug auf das Erlernen der deutschen Sprache. Damals sind wir scharf kritisiert worden, heute fordern das alle wie selbstverständlich. Auch unser Vorschlag der Leitkultur wurde verrissen, heute ist das wenig umstritten. Wir brauchen einen Wertekonsens über die Art und Weise unseres Zusammenlebens. Spielregeln erleichtern die Integration.

Arbeit ist für die Integration entscheidend. Doch nur wenige Flüchtlinge konnten schon in Jobs vermittelt werden. Was muss sich ändern?

Weinberg : Wer dauerhaft hier bleiben darf, braucht eine berufliche Perspektive. Doch die Wahrheit ist auch, dass das nicht die Mehrheit der Flüchtlinge ist. Der weitaus größere Teil wird dieses Land wieder verlassen müssen. Natürlich bekommen Flüchtlinge aus dem Irak oder aus Syrien hier Schutz, aber sie werden eines Tages wieder zurückgehen müssen. Und: Dort werden sie für den Wiederaufbau ihres Landes benötigt. Es geht also nicht nur um die dauerhafte Integration, sondern auch um die Vermittlung von grundlegenden Fertigkeiten für vorübergehend Schutzsuchende. Wir müssen den Flüchtlingen auch Angebote etwa über das THW oder die Bundeswehr machen, die sie vorbereiten für den Wiederaufbau ihrer Heimat.

Im nächsten Jahr wird der Bundespräsident gewählt. Frau Hasselfeldt gilt als mögliche Kandidatin...

Weinberg : Frau Hasselfeldt wäre eine ausgezeichnete Kandidatin! Aber die Wahl findet ja erst nächstes Jahr statt. Da haben wir noch Zeit.

Frau Hasselfeldt, Sie werden als Geheimfavoritin gehandelt.

Hasselfeldt : Alles Spekulation.

Sie stehen also nicht zur Verfügung?

Hasselfeldt : Aus Respekt vor dem Amt beteilige ich mich nicht an Spekulationen.