Berlin. Einige Unions-Politiker fordern vehement ein Burka-Verbot. Andere EU-Länder haben die Vollverschleierung untersagt. Ein Überblick.

Wegen der Diskussion um ein Verschleierungsverbot muslimscher Frauen liegen sich Befürworter und Gegner seit Jahren immer wieder über Kreuz. Die Debatte spaltete schon mehrmals die deutsche Politik. Derzeit fordert die Union ein Verbot. Die Unionsinnenminister wollen diese Woche die „Berliner Erklärung“ verabschieden, die ein Verbot beinhaltet.

Seit einem Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte aus dem Jahr 2014 darf theoretisch jedes europäische Land ein solches Gesetz einführen. Was spricht in Deutschland dafür, was dagegen? Und wie gehen die anderen EU-Länder mit der Streitfrage um? Ein Überblick.

Situation in Deutschland

In Deutschland hat der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages im Jahr 2012 ein Gutachten veröffentlicht, laut dem ein generelles Burka-Verbot verfassungswidrig wäre. Es verstoße gegen das Neutralitätsgebot des Grundgesetzes. „Ein Verbot kommt nur im Einzelfall als Ergebnis einer Abwägung mit kollidierenden Verfassungsgütern in Betracht“, heißt es darin. Auch andere Experten kommen zu dem Schluss: Bei Staatsdienern oder in Schulen seien Verbote möglich, ansonsten widerspricht ein Verbot „der religiös-weltanschaulichen Neutralität des Strafrechts“, wie zum Beispiel der Rechtsexperte Bijan Fateh-Moghadam von der Universität Münster feststellt. Seine Befürchtung: Verschleierungsverbote führten zu einer Art „Zwangssäkularisierung“, die die Religionsfreiheit untergraben würde. Kritiker eines Verbots heben zudem hervor, dass die Burka in Deutschland praktisch fast nie zu sehen ist. Bei SPD und Grünen trifft das Verbot auf Widerwillen. Der Grüne Jürgen Trittin wirft der Union beispielsweise vor, Feindbilder zu stärken.

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Frankreich: Erstes Verbot in der EU

Als erstes europäisches Land hat Frankreich im April 2011 das Tragen von Vollschleiern in der Öffentlichkeit verboten. Dazu gehören die Burka und der Niqab. Bei Verstößen droht Frauen eine Geldstrafe von bis zu 150 Euro. Zudem können Frauen, die gegen das Verbot verstoßen, zum Besuch eines Kurses in Staatsbürgerkunde verurteilt werden. Nach offiziellen Zahlen tragen in Frankreich weniger als 2000 Frauen eine Vollverschleierung. In den fünf Jahren des Burka-Verbots hat die Polizei insgesamt um die 1500 Knöllchen fürs Burka-Tragen ausgestellt. Das Gesetz wurde unter der damaligen Regierung von Staatspräsident Nicolas Sarkozy in die Nationalversammlung eingebracht. Die Parlamentarier stimmten mit überwältigender Mehrheit für das Verbot: Mit 336 Ja-Stimmen und nur einer einzigen Gegenstimme.

Unterschiede von Burka, Niqab und Co.

Burka, Niqab, Hidschab: In der islamischen Welt tragen Frauen verschiedene Verschleierungen. Sie unterscheiden sich stark voneinander. Die extremste Form der Verschleierung ist die Burka. Das Ganzkörpergewand, das die Augen mit Stoff verdeckt, ist vor allem in Afghanistan und Pakistan verbreitet. In Afghanistan sind die Burkas meist blau, sie werden aber auch in anderen Farben gefertigt. Am meisten verbreitet in europäischen Ländern sind...
Burka, Niqab, Hidschab: In der islamischen Welt tragen Frauen verschiedene Verschleierungen. Sie unterscheiden sich stark voneinander. Die extremste Form der Verschleierung ist die Burka. Das Ganzkörpergewand, das die Augen mit Stoff verdeckt, ist vor allem in Afghanistan und Pakistan verbreitet. In Afghanistan sind die Burkas meist blau, sie werden aber auch in anderen Farben gefertigt. Am meisten verbreitet in europäischen Ländern sind... © imago/Paulo Amorim | imago stock&people
... die schwarzen Burkas. Die Vollverschleierung dient auch dazu, ärmere Kleidung zu verbergen. Bis zum Ende der Taliban-Herrschaft in Afghanistan galt eine Burka-Pflicht. Trotzdem verlassen die meisten Frauen das Haus nach wie vor nicht ohne die Verschleierung.
... die schwarzen Burkas. Die Vollverschleierung dient auch dazu, ärmere Kleidung zu verbergen. Bis zum Ende der Taliban-Herrschaft in Afghanistan galt eine Burka-Pflicht. Trotzdem verlassen die meisten Frauen das Haus nach wie vor nicht ohne die Verschleierung. © REUTERS | © Gonzalo Fuentes / Reuters
Das zweite traditionelle Kleidungsstück der Vollverschleierung ist der sogenannte Niqab. Der Unterschied zur Burka besteht darin, dass die Augenpartie sichtbar ist. Seinen Ursprung hat der Niqab in der Beduinen-Kultur auf der Arabischen Halbinsel, er diente in erster Linie als Sonnenschutz. Es gibt wie auch bei den anderen Kleidungsstücken diverse Variationen. Der einfache Niqab wird hinter dem Kopf verknotet, eine andere Variante wird mit einem Stirnband befestigt. Vor allem...
Das zweite traditionelle Kleidungsstück der Vollverschleierung ist der sogenannte Niqab. Der Unterschied zur Burka besteht darin, dass die Augenpartie sichtbar ist. Seinen Ursprung hat der Niqab in der Beduinen-Kultur auf der Arabischen Halbinsel, er diente in erster Linie als Sonnenschutz. Es gibt wie auch bei den anderen Kleidungsstücken diverse Variationen. Der einfache Niqab wird hinter dem Kopf verknotet, eine andere Variante wird mit einem Stirnband befestigt. Vor allem... © Gwendoline Le Goff / PanoramiC
... in Ägypten, Syrien, Jordanien und dem Irak tragen Frauen den Niqab. Aber auch in anderen nordafrikanischen Ländern ist die Vollverschleierung verbreitet. Die Verbote in den europäischen Ländern betreffen die Burka und auch die Niqabs – und somit alle Formen der Vollverschleierung. Der Niqab wird gewöhnlich kombiniert mit dem sogenannten Tschador. Dieser wird auch allein getragen, ...
... in Ägypten, Syrien, Jordanien und dem Irak tragen Frauen den Niqab. Aber auch in anderen nordafrikanischen Ländern ist die Vollverschleierung verbreitet. Die Verbote in den europäischen Ländern betreffen die Burka und auch die Niqabs – und somit alle Formen der Vollverschleierung. Der Niqab wird gewöhnlich kombiniert mit dem sogenannten Tschador. Dieser wird auch allein getragen, ... © dpa | Boris Roessler
... so dass die Frauen sehr viel mehr Gesicht zeigen. Der Tschador ist vor allem im Iran verbreitet. Die Frauen tragen diesen Umhang um Kopf und Körper, wobei die Motive dafür ganz unterschiedlich sind. Für einige Berufszweige ist diese Verschleierung sogar verpflichtend, zum Beispiel in Schulen.
... so dass die Frauen sehr viel mehr Gesicht zeigen. Der Tschador ist vor allem im Iran verbreitet. Die Frauen tragen diesen Umhang um Kopf und Körper, wobei die Motive dafür ganz unterschiedlich sind. Für einige Berufszweige ist diese Verschleierung sogar verpflichtend, zum Beispiel in Schulen. © imago / Xinhua
Vor der islamischen Revolution galt im Iran vorübergehend ein Verbot des Hijabs und somit jeglicher Verschleierung. Später durften Frauen nur noch mit Hijab für staatliche Institutionen arbeiten und letztlich wurde der Tschador für alle Mädchen und Frauen ab neun Jahren verpflichtend eingeführt.
Vor der islamischen Revolution galt im Iran vorübergehend ein Verbot des Hijabs und somit jeglicher Verschleierung. Später durften Frauen nur noch mit Hijab für staatliche Institutionen arbeiten und letztlich wurde der Tschador für alle Mädchen und Frauen ab neun Jahren verpflichtend eingeführt. © imago/JOKER | imago stock&people
Der Hidschab, das Kopftuch, ist die häufigste Form der Verschleierung. Ein einfaches Kopftuch bedeckt Haare, Ohren und den Hals. In zahlreichen muslimischen Ländern ist diese Form der Verschleierung Pflicht.
Der Hidschab, das Kopftuch, ist die häufigste Form der Verschleierung. Ein einfaches Kopftuch bedeckt Haare, Ohren und den Hals. In zahlreichen muslimischen Ländern ist diese Form der Verschleierung Pflicht. © imago/ZUMA Press | imago stock&people
Für viele Frauen ist das Kopftuch nicht nur Bekenntnis zu ihrer Religion, sondern auch ein Ausdruck von Modebewusstsein.
Für viele Frauen ist das Kopftuch nicht nur Bekenntnis zu ihrer Religion, sondern auch ein Ausdruck von Modebewusstsein. © imago/ZUMA Press | imago stock&people
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Belgien: Gefängnis als Sanktion

In Belgien gilt ein Verbot seit Juli 2011. Beinahe wäre es das erste europäische Land geworden, dass die Vollverschleierung aus der Öffentlichkeit verbannt. Allein der Sturz der damaligen Regierung verhinderte ein entsprechendes Gesetz im Jahr 2010. Wer dort sein Gesicht im öffentlichen Leben so verhüllt, dass er nicht mehr zu identifizieren ist, muss mit Strafen zwischen 15 und 150 Euro oder bis zu sieben Tagen Gefängnis rechnen. Nach dem Verbot reichten mehrere Muslima Klagen beim belgischen Verfassungsgericht ein. Das Gericht urteilte jedoch: Die Religionsfreiheit sei nicht absolut. Das Verschleierungsverbot diene der öffentlichen Sicherheit, der Gleichheit zwischen Mann und Frau und dem gesellschaftlichen Zusammenleben.

Niederlande: Bei Verstoß sollen 400 Euro Strafe drohen

Die niederländische Regierung will Burkas und ähnliche Kleider im staatlichen Bereich verbieten. An Schulen, in staatlichen Gebäuden, im öffentlichen Verkehr und in Krankenhäusern solle keine gesichtsbedeckende Kleidung mehr getragen werden dürfen, entschied die Regierung am vergangenen Freitag in Den Haag. Bei einem Verstoß soll eine Geldstrafe von 400 Euro drohen. Das Verbot diene der Sicherheit und einer guten Kommunikation mit den Bürgern, erklärte die Regierung. Nach dem Gesetzesvorschlag sollen Burkas und gesichtsverhüllende Schleier auf der Straße erlaubt bleiben. Das Verbot schränke die Religionsfreiheit nicht ein, sagte Innenminister Roland Plasterk. „In Schulen muss man einander in die Augen sehen können.“ Wann das Gesetz in Kraft tritt, ist unsicher. Zunächst müssen beide Kammern des Parlaments zustimmen.

Schweiz: Verbot im Ferienkanton Tessin

Seit Juli 2016 gilt auch im Schweizer Ferienkanton Tessin ein Verbot. Bei einem kantonalen Referendum hatte 2013 eine Mehrheit der Tessiner Bevölkerung für das Verschleierungsverbot gestimmt. Die Bußgelder in dem Kanton sind exorbitant hoch: Frauen müssen mit einem Bußgeld von 10.000 Franken rechnen, umgerechnet etwa 9200 Euro. „Wenn man den arabischen Touristen gut erklärt, dass die Autorität des Kantons – das Parlament – dies beschlossen habe, wird das Verhüllungsverbot gut befolgt“, sagte der Polizeichef und Vize-Präsident der Stadt Lugano, Michele Bertini, der Zeitung „Blick“. Die Region ist bei gut betuchten Touristen aus arabischen Ländern populär. Laut Bertini gab es seit Anfang Juli sechs Fälle, in denen Polizisten verschleierte Frauen angehalten haben. Sie seien mit einem Flugblatt in arabischer Sprache über die Vorschriften informiert worden. (mit dpa)