Bautzen. In Bautzen ist es in den vergangenen Tagen gleich mehrfach zu Ausschreitungen gekommen. Die Polizei vermutet, dass es so weitergeht.

Polizeichef Uwe Kilz lächelt für einen kurzen Moment stolz, als er im Bautzener Gewandhaus vor der Presse seinen dramatischen Einsatz von 21 Uhr bis 3 Uhr morgens beschreibt – und beenden kann mit dem Satz: „Wir konnten die Sicherheit in Bautzen wiederherstellen.“ Alles, was er bis dahin beschrieben hat, erfüllt fast den Tatbestand der Anarchie: 80 Deutsche und 20 Asylbewerber prügelten „augenscheinlich alkoholisiert“, so Kilz, am späten Mittwochabend aufeinander ein mit Flaschen und Holzlatten, die sie aus Büschen geholt hatten.

Mitten auf dem Kornmarkt der pittoresken Innenstadt von Bautzen kam es demnach zu einer Massenschlägerei. Die Polizei wurde um 20.50 Uhr dazu gerufen, trennte die Masse und wurde dann selbst angegriffen. Es wurde Verstärkung bestellt, erst dann habe man die Asylbewerber wieder in ihr Heim bringen können.

Asylbewerber bräuchten mehr Betreuung

Laut Polizeichef sei die Gewalt von den jungen Flüchtlingen ausgegangen. „Vier der Rädelsführer konnten wir auf andere Heime verteilen“, sagt Kilz. Diese seien schon vorher auffällig gewesen. Er wisse von mindestens einem der 15- bis 20-Jährigen, der stark traumatisiert sei vom Krieg in seiner Heimat. „Eigentlich bräuchten sie psychologische Unterstützung, aber das können wir nicht leisten.“ Von April bis August dieses Jahres zählte Kilz 72 Einsätze mit Beteiligung von Flüchtlingen.

Flüchtlinge und Rechte prügeln sich in Bautzen

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    Doch selbst als die Flüchtlinge wieder in ihrer Unterkunft waren, kam die Stadt nicht zur Ruhe. In der Nacht wurden wahllos Autos beschädigt und an verschiedenen Orten kam es zu weiteren Gewaltausbrüchen. Wieder sollen Rechte und Asylbewerber beteiligt gewesen sein. Als ein Krankenwagen in das Flüchtlingsheim in der Dresdner Straße unterwegs war, sei er von „mehreren augenscheinlich rechtsmotivierten Männern“ an der Anfahrt gehindert und „mit Steinen beworfen“ worden. „Wir haben den Rettungswagen schließlich mit Polizeischutz zum Heim begleitet“, sagt Kilz. Ein 18-jähriger Marokkaner wurde wegen einer Schnittwunde behandelt.

    Politiker sind entsetzt

    Bautzens Oberbürgermeister Alexander Ahrens (parteilos) verurteilt die Ausschreitungen. „Ich bin wütend und entsetzt“, sagt Ahrens und fordert eine gründliche Aufarbeitung. Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) äußert sich ebenfalls entsetzt: „Der Ausbruch der Gewalt in Bautzen – von welcher Seite auch immer – ist völlig inakzeptabel“, sagt er „Spiegel Online“. Auch er ist erschüttert über die Attacke auf den Rettungswagen. Diese gefährde nicht nur Verletzte sondern auch die Helfer. „Das ist tiefer Hass und menschenverachtend.“ Er erwarte, so Tillich, dass die Täter von Polizei und Justiz zur Rechenschaft gezogen werden.

    Mehdi (rechts) aus Marokko zeigt eine Schnittverletzung, die er sich nach eigenen Angaben bei den tätlichen Übergriffen Mittwochabend zugezogen hat.
    Mehdi (rechts) aus Marokko zeigt eine Schnittverletzung, die er sich nach eigenen Angaben bei den tätlichen Übergriffen Mittwochabend zugezogen hat. © dpa | Sebastian Kahnert

    Doch sind die Täter wirklich so einfach auszumachen? Ein Anwohner sagt, dass die minderjährigen Asylsuchenden häufig den Streit beginnen würden. Doch Mohammad, ein 21 Jahre alter Kurde aus Syrien, sieht das anders. „Ich bin auch schon auf dem Kornplatz angegriffen worden“, sagt er. „Ein Typ mit Glatze schrie mich an und sagte, ich solle nach Hause gehen.“ Mohammad wohnt seit zwei Jahren in Bautzen und hat Deutsch gelernt. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass nur die Flüchtlinge den Streit beginnen.“

    Im Februar wurde ein brennendes Flüchtlingsheim gefeiert

    In Bautzen leben derzeit 830 Asylbewerber, bei einer Einwohnerzahl von 40.000. Die Stadt im Dreiländereck mit Polen und Tschechien geriet wegen ihres Umgangs mit Flüchtlingen im Februar in die Schlagzeilen: Schaulustige hatten in der Nacht zum 21. Februar unverhohlen ihre Freude über ein brennendes – noch unbewohntes – Asylbewerberheim ausgedrückt. Nur Tage zuvor hatte im sächsischen Clausnitz ein Mob von rund 100 Menschen einen Bus mit Flüchtlingen blockiert. Der sächsische Landtag berief damals eine Sondersitzung ein, der Ruf des gesamten Bundeslandes stand auf dem Spiel.

    In Bautzen aber ist die Situation erneut eskaliert und die Polizei bereitet sich noch am Donnerstagabend auf einen nächsten Großeinsatz in der Nacht zum Freitag vor. „Wir haben Informationen“, sagt der Polizeichef, „dass es wieder zu Übergriffen kommen wird.“ Außerdem wurde in den sozialen Netzwerken zu Demonstrationen in Bautzen aufgerufen. Für Asylbewerber gilt seit Donnerstagabend in Bautzen ab 19 Uhr eine Ausgangssperre und ein generelles Alkoholverbot.