München. Beate Zschäpe will vor Gericht wohl wieder schweigen. Streit gibt es nun aber auch darum, ob ältere Texte von ihr vorgelesen werden.

Der Staatsschutzsenat am Oberlandesgericht München hat vorübergehend die Öffentlichkeit aus dem Terrorverfahren ausgeschlossen. Grund war ein Antrag der Verteidigung, weil Opferanwalt Alexander Hoffmann in einem Beweisantrag aus einem persönlichen Brief der Angeklagten Beate Zschäpe vom März 2013 an einen Gefangenen in Bielefeld zitieren möchte.

Hoffmann hatte zunächst aus dem Brief zitiert, die Verhandlung wurde nach dem Antrag der Verteidigung aber unterbrochen. Die Prozessbeteiligten sollen hinter verschlossenen Türen erörtern, ob das Verlesen des Beweisantrags in öffentlicher Verhandlung oder unter Ausschluss der zahlreichen Zuschauer und Journalisten von der weiteren Verhandlung erfolgen soll. Je nach Ergebnis dieser Erörterung darf Rechtsanwalt Alexander Hoffmann seinen Antrag danach noch einmal im Beisein der Öffentlichkeit wiederholen oder nicht.

Brief sei nicht richtig beschlagnahmt worden

Zschäpe-Verteidiger Wolfgang Stahl kritisierte, dass der in den Akten befindliche Brief seiner Mandantin gerade nicht als Beweismittel für den Prozess beschlagnahmt wurde. Vielmehr sei er in „unzulässiger Weise“ in einem Gefängnis sichergestellt und an eine Verfassungsschutzbehörde weitergeleitet worden. Diese habe das Schreiben dann an die Polizei und die Polizei an die Bundesanwaltschaft übergeben.

Den Brief hatte Zschäpe in der Untersuchungshaft im März 2013 an einen im Gefängnis bei Bielefeld sitzenden Neonazi geschrieben. Die von Hoffmann bereits vor Gericht verlesen Passage lässt erkennen, dass die Angeklagte durchaus einen eigenen Willen hat.

Zschäpe will keine Fragen beantworten

Der Ausschluss der Öffentlichkeit am 309. Verhandlungstag ist bereits der zweite derartige Fall im NSU-Prozess. Bereits 2014, bei der Vernehmung eines Brandenburger Verfassungsschützers vor Gericht, musste das Publikum vorübergehend den Verhandlungssaal verlassen, damit über Verfahrensfragen ohne Anwesenheit der Öffentlichkeit beraten werden konnte.

Die Hauptangeklagte hatte zudem vor Gericht klargestellt, keine Fragen der NSU-Opfer und des psychiatrischen Gutachters, Prof. Henning Saß, zu beantworten. Ihr Verteidiger, Mathias Grasel, verlas am Mittag eine entsprechende Erklärung seiner Mandantin. Sollte das Gericht Fragen der Nebenklage für wichtig erachten und sich diese zu Eigen machen, würde seine Mandantin darauf antworten, fügte ihr Vertrauensanwalt an.

Am Vormittag hatte der frühere Kassenwart des im Jahr 2000 verbotenen Neonazinetzwerkes „Blood & Honour“ weiterhin bestritten, dem Thüringer Verfassungsschutz Informationen geliefert zu haben. Auf Nachfrage des Gerichts, ob er seine früheren Angaben vor Gericht ergänzen oder korrigieren möchte, antwortete der Ostthüringer Marcel D. mit „nein“. Marcel D. hatte 2015 bestritten, V-Mann des Verfassungsschutzes gewesen zu sein.

Droht Zeugen ein Ordnungsgeld wegen verweigerte Aussage?

Als ihn der Vorsitzende Richter nun erneut fragte, ob er „Kontakt zu Verfassungsschutzbehörden, insbesondere dem Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz“ hatte, verweigerte der 41-Jährige diesmal die Aussage. Wegen laufender Ermittlungen der Münchner Staatsanwaltschaft gegen ihn berief er sich auf sein Recht, sich selbst nicht belasten zu müssen. Opferanwalt Sebastian Scharmer kritisierte, dass sich der Zeuge auf Ermittlungen berufen könne, die offensichtlich von falschen Tatsachen ausgehen. Er fordert, ein Ordnungsgeld zu verhängen, weil der Zeuge nicht aussagen wolle.

Jochen Weingarten verteidigte das Recht von Marcel D., keine Angaben machen zu müssen. Das Gericht habe keinen Einfluss auf die Ermittlungen der Münchner Staatsanwaltschaft, daher bestehe die Gefahr dass sich der Zeuge belasten könnte. Den Verlauf der Verhandlung verfolgte an diesem Vormittag auch ein Münchner Staatsanwalt in der letzten Reihe der Zuschauertribüne. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen den 41-Jährigen wegen des Verdachts der uneidesstattlichen Falschaussage. Zeugenaussage und schriftliche Unterlagen sollen V-Mann-Tätigkeit von Marcel D. trotz vernichteter Akten belegen.

Verteidigung fordert Originaldokumente ein

Olaf Klemke, der Verteidiger des früheren Jenaer NPD-Funktionärs Ralf Wohlleben, forderte das Gericht auf, vom Thüringer Verfassungsschutz das Original der mutmaßlichen Verpflichtungserklärung von Marcel D. beizuziehen und dessen Unterschrift mit weiteren Schriftproben zu vergleichen.

Beate Zschäpe gilt als letzte Überlebende der mutmaßlichen Terrorzelle „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU). Zu der seit Anfang 1998 im Untergrund lebenden Gruppierung sollen noch Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt gehört haben. Der NSU wird für zehn Morde, 15 Raubüberfälle sowie zwei Sprengstoffanschläge verantwortlich gemacht. Zschäpe muss sich vor Gericht unter anderem wegen Mittäterschaft verantworten.

Insgesamt fünf Angeklagte vor Gericht

In dem seit Mai 2013 laufenden Verfahren sind insgesamt fünf Personen aus der Neonaziszene angeklagt. Ralf Wohlleben und Carsten S. müssen sich wegen Beihilfe zum Mord verantworten. Sie sollen die Tatwaffe für neun rassistisch motivierte Morde beschafft haben. Holger G. und André E. wirft die Bundesanwaltschaft unter anderem Unterstützung einer terroristischen Vereinigung vor.