Hillary Clinton läuft gerade Gefahr alles zu verspielen
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Von Dirk Hautkapp
Washington. Nach Clintons Kollaps wird ihr Gesundheitszustand wohl zentrales Wahlkampfthema. Daran ist die Politikerin allerdings selbst Schuld.
Acht Wochen vor der Präsidentschaftswahl schiebt sich in Amerika plötzlich die H-Frage in den Vordergrund. H wie „Health“. Gesundheit. Besser spät als nie. Schließlich ist es nicht mehr der Inbegriff jugendfrischer Dynamik, der nach der Macht greift – siehe Strahlemann Obama 2008. Es sind zwei rüstige Senioren, die da im Januar nächsten Jahres ins Weiße Haus einziehen wollen.
Hillary Clinton wäre am ersten Amtstag 69 Jahre alt – und damit so betagt wie Ronald Reagan zum Start seiner Regentschaft. Donald Trump wäre zu Beginn mit 70 der älteste Commander-in-Chief in der Geschichte der Vereinigten Staaten. Da liegt die Frage auf der Hand: Haben sie wirklich genug Stehvermögen, um mindestens vier Jahre lang der programmiert beinharten Belastung im Amt zu widerstehen?
Wahlkampf ist unbarmherziges Trainingslager
Der hyperventilierende Wahlkampf, im Vergleich dazu sind europäische Schönheitswettbewerbe in der Politik laue Spaziergänge, mit seiner fast 18 Monate dauernden Tortur der triathletischen Dauerpräsenz am Boden, in der Luft und im Fernsehen erfüllt dabei die Funktion eines unbarmherzigen Trainingslagers. Hillary Clinton läuft gerade Gefahr alles zu verspielen.
Ihr auf Handy-Videos dokumentierter Zusammenbruch während der Feierlichkeiten zum 15. Jahrestag der Terror-Anschläge vom 11. September in New York – und der unkluge, wenig zur bitter nötigen Vertrauensbildung beitragende Umgang mit den Hintergründen – bedeutet eine Zäsur.
Verschwörungstheorien häufen sich
Nicht der medizinischen Tragweite wegen, da darf man die Kirche getrost im Dorf lassen. Dass die ehemalige First Lady bis zum Wahltag am 8. November bohrende Fragen nach ihrem tatsächlichen Ist-Zustand nicht mehr los wird, hat andere Gründe. Es geht um Schein, und Sein.
Hillary Clinton will Präsidentin werden
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Hillary Clinton hat sich selbst zuzuschreiben, dass sich das Land nun zur gemeinschaftlichen Visite argwöhnisch über sie beugt. Ihre Vorgeschichte ist lang: mehrere Blutgerinsel in den Beinen und im Kopf inklusive Sturz. Und sie wurde nie transparent verhandelt. Auch darum häufen sich im Internet böse Verschwörungstheorien, die ihr jede Befähigung zum Spitzenamt absprechen.
Unsouveräne Geheimniskrämerei
Anstatt früh und offen einzuräumen, dass sie eine Lungenentzündung verschleppt hat und ein paar Tage kürzer treten muss, verheimlichte ihre Kampagne die Erkrankung. Bis es nicht mehr anders ging. Das hat – wie bei der E-Mail-Affäre, die ihr weiter schwer ins Kontor schlägt – Methode.
Selbst wenn man anerkennt, dass sie sich in einem historischen Moment keine Blöße geben wollte, ist die Geheimniskrämerei nur dies: unsouverän und überflüssig. Ein ehrliches Wort hätte sie menschlich(er) gemacht. Die Genesungstelegramme wären zu Zigtausenden eingegangen.
Wird Trump davon profitieren?
Amerika wird durch die Patientin Clinton wieder daran erinnert, dass die gesundheitlichen Führungszeugnisse des Spitzenpersonals in Washington mit Vorsicht zu genießen sind. Immer wieder wurden – von Woodrow Wilson über Dwight Eisenhower bis zu John F. Kennedy und Ronald Reagan – chronische Leiden, die der Amtstauglichkeit tatsächlich abträglich waren, verschleiert oder geleugnet.
Die Frage ist nun, wie schnell die zähe Clinton wieder auf die Beine kommt und die Zweifel an ihrer Physis zerstreuen kann. Davon wird abhängen, ob Donald Trump von der Malaise seiner Rivalin profitieren kann. Dass sich der in Umfragen wieder näher rückende Milliardär, der gestern ebenso verlogen wie gekonnt artig „Gute Besserung“ wünschte, als hyperkerngesund stilisiert, kommt auf den Prüfstand.
Attests reichen nicht für politischen Alltag
Das Attest seines Leibarztes („Mr. Trump wäre im Falle seiner Wahl das gesündeste Individuum, das je zum Präsidenten gewählt wurde“) gilt unter seriösen Medizinern als Quacksalberei. Trump wird im Zuge des Heilungsprozesses von Clinton mehr liefern müssen als dünne Bulletins, die vielleicht in TV-Shows Eindruck schinden. Aber nicht im harten politischen Alltag.
Hauptstadt Inside von Jörg Quoos, Chefredakteur der FUNKE Zentralredaktion
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