Berlin. Die AfD ist in Mecklenburg-Vorpommern nun zweitstärkste Kraft. Vor allem bei der CDU sitzt der Schock nach diesem Überholmanöver tief.

Am Tag danach sitzt der Schock über den Erfolg der AfD vor allem bei der CDU tief. In der Partei, die nur 19 Prozent der Stimmen holte und damit nur noch drittstärkste Kraft ist, wächst zunehmend die Sorge, dass sich die zunächst als Protestpartei kleingeredeten Rechtspopulisten immer weiter rechts von der CDU und CSU etablieren können.

Doch was heißt das Ergebnis für Kanzlerin Angela Merkel und ihre vor genau einem Jahr eingeschlagene Flüchtlingspolitik? Und was bedeutet die Abstimmung für die anstehenden Wahlen in Berlin und Niedersachsen – was für die Bundestagswahl in einem Jahr? Wir haben die Reaktionen gesammelt.

SPD: 30,6 Prozent (-5,0 Prozent)

Trotz des Wahlsieges seiner Partei wertete Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD) das Wahlergebnis als bedenklich. „Wir müssen sehen, dass ganz offensichtlich die Flüchtlingspolitik, vielleicht auch die Haltung der Kanzlerin ganz besonders, dazu geführt hat, dass es eine Spaltung in der Gesellschaft gibt. Da wird man in Berlin drüber nachdenken müssen“, so der SPD-Ministerpräsident.

Sellering will nach dem Wahlsieg sowohl Gespräche mit den Linken als auch mit der CDU über eine Regierungsbildung aufnehmen. „Wir haben jetzt zehn Jahre gut mit der CDU regiert, davor acht Jahre gut mit der Linken. Ich glaube, es wäre niemandem im Land vermittelbar zu sagen: Einer dieser Partner scheidet von vorneherein aus“, sagte Sellering.

Parteichef Sigmar Gabriel warf der Union vor, bei der Bewältigung des Flüchtlingszuzugs zuviel Zeit verloren zu haben. „Wir haben ganz viel Zeit vertan durch unnötige Diskussionen“, sagte Gabriel. Der Vizekanzler verband dies mit Kritik an Kanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel. Die SPD habe ein Integrationskonzept vorgelegt, „lange bevor wir es in der Regierung beschließen konnten, weil Frau Merkel es bei dem Satz belassen hat, wir schaffen das“, sagte er. „Einfach nur wiederholen ‘Wir schaffen das’, ohne es auch zu machen, das ist unsere Kritik.“

Auch für die Bundes-SPD, die in Umfragen bei 22 bis 24 Prozent liegt, rechnet Gabriel mit einem guten Abschneiden. In Anbetracht der Bundestagswahl in einem Jahr will die SPD einen Solidarpakt, mit dem auch anderen Menschen geholfen werden müsse, zu ihrem Thema machen. Deshalb sei die Partei auch in Mecklenburg-Vorpommern erfolgreich gewesen. „Deswegen werden auch wir bei der Bundestagswahl gut abschneiden“, sagte Gabriel.

CDU: 19,0 Prozent (-4,0 Prozent)

CDU-Generalsekretär Peter Tauber hat nach der Wahlschlappe in Mecklenburg-Vorpommern den Kurs seiner Partei in der Flüchtlingspolitik verteidigt. „Auch wenn Maßnahmen manchmal länger brauchen, bis sie wirken, wir haben bereits viele Dinge neu justiert“, sagte Tauber am Montag im ARD-„Morgenmagazin“. Forderungen aus der CSU nach einer Obergrenze für Flüchtlinge erteilte er eine Absage: Diese Debatte bringe das Land angesichts sinkender Flüchtlingszahlen nicht weiter, sagte Tauber nach einer Telefonkonferenz des CDU-Bundesvorstands am Montag in Berlin.

Tauber sagte, die Mitglieder des Bundesvorstands seien sich in einer am Montag einberufenen Telefonkonferenz einig gewesen, dass das schlechte Wahlergebnis der CDU in Mecklenburg-Vorpommern von 19 Prozent in Ruhe analysiert werden müsse. Eine Debatte über die Rolle der Kanzlerin und CDU-Vorsitzenden habe es der Konferenz, in der Merkel aus China zugeschaltet war, nicht gegeben. „Angela Merkel hat das Land durch viele Krisen geführt. Die Anhänger der Union vertrauen darauf, dass sie dies auch künftig tut“, sagte der Generalsekretär.

In Bezug auf die AfD sagte Tauber: „Es gibt Menschen, die machen sich Sorgen, und es gibt Rechtsextreme mit entsprechendem Weltbild. Das gilt es, zu unterscheiden.“

Die Linke: 13,2 Prozent (-5,2 Prozent)

Mit etwa fünf Prozent weniger Stimmen hatte die Linke bei der Wahl in Mecklenburg-Vorpommern am deutlichsten Verluste zu beklagen. Bei der Partei sucht man bereits nach den Gründen: „Wir hatten keine Chance, gegen die allgemeine Stimmungslage mit unseren Themen durchzudringen“, so der Bundesgeschäftsführer der Linken, Matthias Höhn. Der Landesverband sei schwer durchgeschüttelt worden. Dennoch hielt es Höhn für richtig, nicht den grundsätzlichen Kurs der Partei aufzugeben. „Wir sollten uns den realen Problemen im Land zuwenden und sie anpacken, aber keine Scheindebatten über die AfD-Themen führen.“

Trotz des großen Stimmverlustes hofft man bei der Partei, noch in die Landesregierung zu kommen. Vorsitzender Bernd Riexinger schloss eine Regierungskoalition nicht aus. Die Genossen im Nordosten hätten erklärt, dass sie unter bestimmten Bedingungen dazu bereit wären, sagte Riexinger am Montag im ARD-„Morgenmagazin“. „Aber der Ball liegt jetzt erstmal im Feld der SPD.“

Grüne: 4,8 Prozent (-3,9 Prozent)

Bei den Grünen, die nicht mehr in den Landtag einziehen, erklärt man sich das schlechte Abschneiden der Partei mit dem Sondereffekt der Atomkatastrophe im japanischen Fukushima 2011. Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt sagte, bei der vorangehenden Wahl habe ihre Partei davon profitiert und ein besonders gutes Ergebnis erzielt. Jetzt zeige sich erneut, dass die Grünen immer noch ein strukturelles Problem in Ostdeutschland hätten.

Der großen Koalition warf sie vor, wegen einer unklaren Flüchtlingspolitik am Erfolg der rechtspopulistischen AfD in Mecklenburg-Vorpommern verantwortlich zu sein. „Das Problem war aus meiner Sicht nicht, dass Angela Merkel im vergangenen Jahr gesagt hat, ‘Wir schaffen das’“, sagte Göring-Eckardt im Deutschlandfunk. Aber die große Koalition habe den Menschen nicht gesagt, wie das zu schaffen sei. Da gehe es auch nicht, dass die SPD in der Flüchtlingspolitik „aus dem Staub macht“, wie dies derzeit der Fall sei.

AfD: 20,8 Prozent (+20,8 Prozent)

Die AfD-Bundesvorsitzende Frauke Petry führt den Erfolg ihrer Partei bei der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern auf politische Fehler der großen Koalition im Bund zurück. „Die Kanzlerin und die SPD machen den Bürgern etwas vor, ganz gleich, ob das die Finanz- oder die Migrationskrise betrifft“, sagte Petry am Montag dem Fernsehsender Phoenix. Union und Sozialdemokraten seien dabei, „dieses Land aufzugeben“. Die Wahlschlappe der CDU im Nordosten sei eine persönliche Niederlage für Bundeskanzlerin Angela Merkel: „Frau Merkel stürzt sich selbst“, sagte Petry.

Die AfD will sich nach ihrem zweiten Platz bei der Wahl in der Oppositionsrolle nicht dauerhaft einrichten. „Natürlich regieren wir nicht morgen, denn wir haben keinen Bündnispartner“, räumte die stellvertretende Parteivorsitzende Beatrix von Storch am Montag im ARD-Morgenmagazin ein. Längerfristig strebe die AfD aber eine Regierungsbeteiligung an. Die Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern sei der Anfang vom Ende der Ära von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) fügte sie hinzu. (bekö/dpa)