Berlin. Erreicht die AfD in Mecklenburg-Vorpommern ein Rekordergebnis? Überholt sie die CDU? Wir beantworten die wichtigsten Fragen zur Wahl.

Schon der erste Reichskanzler hatte eine Meinung über die Gegend, in der am Sonntag gewählt wird. „Wenn die Welt untergeht, so ziehe ich nach Mecklenburg, denn dort geschieht alles 50 Jahre später“, sagte Otto von Bismarck. Diesmal geht es schneller: Die AfD wird mit einem starken Ergebnis in den Landtag einziehen. Laut der neuesten Umfrage liefert sich die rechtspopulistische Partei ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit der CDU – beide liegen bei 22 Prozent. Stärkste Partei wird demnach die SPD (28 Prozent). Die Linke liegt bei 13 Prozent, die Grünen bei sechs Prozent. NPD und FDP schaffen es laut Umfrage nicht über fünf Prozent. Was noch wichtig ist, beantworten wir hier.

Was macht diese Wahl so wichtig?

Zunächst einmal ist die Wahl richtungsweisend für Mecklenburg-Vorpommern. Viel steht auf dem Spiel: Denn im Nordosten der Republik liegt die Arbeitslosigkeit bei neun Prozent – im Bundesdurchschnitt sind es nur sechs. Es boomt nur der Tourismus. Große Fehler oder Skandale hat sich die Koalition von SPD und CDU nicht geleistet, fast zwei Drittel der Wähler sind zufrieden mit der Arbeit. Und doch stimmen laut Umfragen viele für „Protest“. Die AfD steht laut „ZDF-Politbarometer“ bei 22 Prozent – gleichauf mit der CDU. Es kann reichen für eine erneute Große Koalition. Doch es wird eng. Und eine starke AfD wäre ein erneuter Schuss vor den Bug der anderen demokratischen Parteien. „Mit der Wahl in Mecklenburg-Vorpommern kann sich die AfD rechts neben der Union stabilisieren“, sagt der Dresdner Politologe Werner Patzelt dieser Redaktion. „Die CDU ist geschwächt, ihr bleibt zunehmend nur das Bündnis mit der SPD. Das wird die AfD weiter stärken.“

Und so wirkt die Wahl in Mecklenburg-Vorpommern auch in die Bundespolitik hinein: Manche sehen die Wahl auch als Abstimmung über Merkels Flüchtlingspolitik, andere blicken gespannt auf die SPD. Eine Wahlschlappe kann sich auch auf eine Kanzlerkandidatur des ohnehin zuletzt wenig erfolgreichen SPD-Chefs Sigmar Gabriel auswirken.

Wer sind die Spitzenkandidaten?

Vor allem drei Politiker stehen im Vordergrund. Der 66 Jahre alte amtierende Ministerpräsident Erwin Sellering zog einst aus dem Westen zu, seit 2008 regiert er in Schwerin. Er gilt als Pragmatiker, machte eine klare Sparpolitik und positionierte sich in der Fluchtkrise auch gegen den Kurs von Merkel. Mit ihm regierte bis jetzt Lorenz Caffier. Der 61-Jährige ist CDU-Innenminister in Mecklenburg-Vorpommern und behielt trotz Kritik an seiner Person den Landesvorsitz ein. Caffier gilt als bodenständig, er ist CDU-Urgestein und seit 1990 in der Politik. Das Augenmerk wird auch auf Leif-Erik Holm liegen, einst Radiomoderator und jetzt AfD-Spitzenkandidat. Er gilt als Gemäßigter innerhalb der Rechtspopulisten und setzt neben einem Kontra zu Flüchtlingspolitik der Bundesregierung stark auf Familienpolitik. Immer wieder schlägt Holm auch nationalistische und radikale Töne an.

Welche landespolitischen Themen spielen eine Rolle?

Das beherrschende Thema des Wahlkampfes ist die Flüchtlingspolitik. 34 Prozent der Menschen halten die Migrationsfrage für das wichtigste Thema im Wahlkampf. Daneben wird auch über Arbeit und Wirtschaft diskutiert. Wichtig sind im Wahlkampf auch Bildung und Kita-Betreuung. Zudem geht es um den ländlichen Raum, der Nordosten ist vor allem landwirtschaftlich geprägt.

Welche Koalitionen sind möglich?

Es spricht viel dafür, dass Sellering die große Koalition, die seit zehn Jahren relativ geräuschlos regiert, fortführen wird. Es wäre sicher die bequemste Lösung. Doch es könnte knapp werden: Laut den aktuellen Umfragen werden beide Parteien an Zustimmung verlieren. Es wäre also ein Koalition der Verlierer. Eine weitere Möglichkeit wäre ein rot-rot-grünes Bündnis. Dieses Bündnis würde wohl mehr Auseinandersetzungen mit sich bringen. Machtpolitisch ideal für Sellering wäre es, wenn er beide Optionen hätte: So könnte er die Koalitionsverhandlungen aus einer Position der Stärke heraus führen. Wenn es für die beiden vermeintlichen Volksparteien SPD und CDU schlecht läuft, brauchen sie wie in Sachsen-Anhalt noch die Grünen, damit es für die absolute Mehrheit reicht. Falls die Grünen an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern, müsste die Linke einspringen. „Ich kann auch mit der CDU“, sagte zuletzt Helmut Holter.

Warum sind rechte Parteien so stark?

Der Erfolg der rechten Parteien in Mecklenburg-Vorpommern ist nicht neu. Die NPD ist seit 2006 im Landtag vertreten, wurde einmal wiedergewählt. Neonazis haben sich in vielen ländlichen Regionen längst etabliert, sie kauften günstig Immobilien, richten Tagungen aus. NPD-Anhänger geben sich als Kümmerer und nette Nachbarn, dabei schüren sie Hass gegen Fremde. „Rechtsextreme nehmen die weit verbreitete soziale Enttäuschung auf und definieren Sündenböcke“, sagt der Berliner Politologe Hajo Funke unserer Redaktion. Gerade erscheint Funkes Buch zur rechten Bewegung „Von Wutbürgern und Brandstiftern“. Die Sparpolitik des Staates auf dem Land steigere diese Wut der Bürger. „Das hilft den Neonazis, und das hilft der AfD, die diese Wut mit Flüchtlingsfeindlichkeit verbindet“, so Funke.