Berlin. Wer löst Deutschlands Probleme der Zukunft? An Bundeskanzlerin Merkel glaubt nur eine Minderheit. Doch mehr Vertrauen genießt niemand.

Bald sind es volle elf Jahre, die Angela Merkel als Bundeskanzlerin die Deutschen führt. In der Mehrheit dieser Jahre konnte die CDU-Vorsitzende gelassen auf Umfragen blicken. Hohe Beliebtheitswerte trugen sie durch die Zeit und verhalfen ihr zu zwei Wiederwahlen. Bis die Flüchtlingskrise das Bild der Deutschen von ihrer Kanzlerin veränderte.

Merkels Ansehen in der Bevölkerung hat zuletzt gelitten: Hat sie die Lage im Griff? Schafft sie das? Die Landtagswahlen im März mit den starken Ergebnissen für die AfD sind der vielleicht eindeutigste Beleg dafür, dass sich eine Atmosphäre des Argwohns zwischen die Bevölkerung und die Regierungschefin gelegt hat.

Exklusiv-Umfrage von TNS Emnid

Ob die Kanzlerin bei der Bundestagswahl 2017 noch einmal antritt, hält sie sich offen, möglicherweise sogar bis zum Frühjahr des kommenden Jahres. Eine Selbstverständlichkeit wie 2013 ist eine weitere Kandidatur längst nicht mehr. Ein aktuelles Stimmungsbild lässt erkennen, warum: Nur 44 Prozent der Deutschen trauen Merkel zu, als Bundeskanzlerin die Herausforderungen zu meistern, vor denen Deutschland in den nächsten Jahren steht.

Das hat eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts TNS Emnid im Auftrag unserer Redaktion zutage gefördert. Immerhin noch bei den Unionsanhängern und erstaunlicherweise auch bei den Linke-Anhängern kommt Merkel vergleichsweise gut weg. Das war’s dann aber auch.

Geringverdiener finden Steinmeier besser

Die Vertrauenswerte in die Kanzlerin mögen auffallend niedrig erscheinen. Im Vergleich zu anderen Spitzenpolitiken steht Merkel in dieser Umfrage noch am besten da. Die Gesamtheit der Ergebnisse lässt den Schluss zu: Aus Sicht der Deutschen kann es keiner so richtig. Das Vertrauen in die Kompetenz derjenigen, denen gemeinhin die Fähigkeit zur Kanzlerschaft nachgesagt wird, ist erschreckend gering.

Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) trauen noch 38 Prozent der Befragten zu, als Kanzler das Land erfolgreich zu führen. Ein Wert, der nicht allzu weit von Merkel entfernt ist. Ihm schenken vor allem Wähler mit geringen Haushaltsnettoeinkommen von weniger als 1500 Euro ihr Vertrauen, während Merkel bei den Bürgern mit mehr als 3500 Euro Haushaltsnettoeinkommen punktet.

Seehofer liegt auf drittem Rang

Auch in der Altersgruppe der über 50-Jährigen liegt Steinmeier vor Merkel. Allerdings dürften die Kanzlerambitionen des erfolglosen Kanzlerkandidaten von 2009 auf ein Minimum geschrumpft sein. Als wahrscheinlicher gilt, dass der deutsche Chefdiplomat seine Karriere eines Tages als Bundespräsident krönen könnte.

Mit größerem Abstand auf Steinmeier folgt Horst Seehofer auf dem dritten Platz. Den bayerischen Ministerpräsidenten und CSU-Vorsitzenden halten 26 Prozent für den bestmöglichen Kanzler. Seehofer hat sich noch nicht entschieden, ob er bei der Bundestagswahl 2017 einen eigenen Kandidaten – also sich selbst – aufstellen will oder eine vierte Kandidatur Merkels unterstützt.

Schwacher Wert für Gabriel

Unter den AfD-Anhängern in der Umfrage genießt er mit 58 Prozent mit Abstand das größte Vertrauen, Merkel erreicht in dieser Wählergruppe einen Wert von 0, in Worten null Prozent. Nicht zu sehr verwundern dürfte, dass die in Bayern befragten Bürger in ihrem Ministerpräsidenten – wenn auch nur knapp – den besseren Kanzler als in Merkel sehen.

Weit hinter Seehofer rangiert der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel (16 Prozent), dessen schwacher Vertrauenswert in Sachen Kanzlerschaft allein deswegen bemerkenswert ist, weil sich in der SPD für 2017 weit und breit niemand auftut, der dem glücklosen Vizekanzler und Wirtschaftsminister die Kanzlerkandidatur noch streitig machen könnte. Wie gesagt: auch nicht der weitaus angesehenere Steinmeier. Dabei ist selbst unter den SPD-Anhängern der Umfrage zufolge das Vertrauen in Gabriels Führungsstärke geringer als in Steinmeiers.

Scholz zu wenig Bundespolitiker?

Knapp hinter Gabriel folgt Ursula von der Leyen (CDU) mit 15 Prozent. Die umtriebige, ehrgeizige Verteidigungsministerin traut sich alles zu, natürlich auch das Kanzleramt, nur umgekehrt tut das die Bevölkerung offensichtlich nicht. Dabei wäre die 57-Jährige auch noch im Wahljahr 2021 in einem Alter, in dem eine Kanzlerkandidatur denkbar sein könnte. Innerhalb der Merkel-Epoche sehen die Deutschen von der Leyen jedenfalls noch längst nicht als Politikerin mit Kanzlerformat.

Das gilt auch für Olaf Scholz, der als eine Art SPD-Reservevorsitzender zur Nummer eins der Sozialdemokratie aufsteigen könnte, sollte Gabriel aufgeben. Der Hamburger Rathauschef und SPD-Vize erhält mit zwölf Prozent den geringsten Vertrauenswert der sechs zur Auswahl gestellten Spitzenpolitiker. Zu wenig hat sich Scholz als Bundespolitiker offenbar aus Sicht der Befragten hervorgetan.

13 Prozent: „Keiner von denen kann es“

Innerhalb des politischen Betriebs hingegen weiß Scholz um seinen guten Ruf. So schätzt Finanzminister Wolfgang Schäuble den Bürgermeister für dessen finanzpolitische Expertise, die FDP sieht in Scholz einen der letzten Sozialliberalen. 13 Prozent der Befragten sehen allerdings keinen der sechs Politiker in der Lage, die künftigen Herausforderungen als Kanzler zu meistern.

Gut möglich, dass sich an diesem Sonntag der Vertrauensverlust in die politisch Verantwortlichen ein weiteres Mal manifestiert. Bei der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern wird der AfD ein Ergebnis von mehr als 20 Prozent zugetraut. Womöglich liegen die Rechtspopulisten am Ende vor der CDU. Im Nordosten ist diese CDU nicht irgendein Landesverband. Es ist Merkels.