Ingolstadt. Syrische Flüchtlinge sollen in Schnellkursen fit für den Arbeitsmarkt gemacht werden. Zur Auswahl stehen mehrere verschiedene Bereiche.

Seit Montag kommen sie jeden Morgen in die Pionierkaserne in Ingolstadt. Frühstücken gemeinsam. Danach wird angepackt. Geschweißt, gesägt, gemauert. 25 Männer aus Syrien absolvieren hier einen Baukurs. Der dauert vier Wochen.

Es ist ein Pilotprojekt. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) und Frank-Jürgen Weise, Leiter der Bundesagentur für Arbeit (BA), stellen die Kooperation in Ingolstadt vor: Die BA wählt die Flüchtlinge aus – die Bundeswehr bildet sie aus. Voraussetzung: Die Männer müssen als Flüchtlinge anerkannt sein. Sie müssen einen Integrationskurs absolviert haben. Kurz vor dem Start des Programms durchlaufen sie einen Sicherheitscheck, schließlich wird in Bundeswehrkasernen ausgebildet. Aktuell können nur Syrer am Programm teilnehmen, weil sie eine gute Bleibeperspektive haben.

Zur Auswahl stehen Technik, Bau, Handwerk und Sanitär

Die Bundeswehr bietet vierwöchige Module in den Bereichen Technik, Bau, Handwerk und Sanitär. Ein Syrer kann maximal drei Module hintereinander besuchen. Neben Ingolstadt wird auch in Berlin und in Delmenhorst ausgebildet. Insgesamt gibt es 50 Plätze. Die Teilnahme ist freiwillig. Die Syrer bekommen kein zusätzliches Geld, den Lebensunterhalt bezahlt das BA.

Es ist ein Pilotprojekt. Danach wird man sehen, was gut war und was schlecht. Und womöglich mehr Flüchtlinge ausbilden. Von der Leyen kann sich auch ein Sanitätsmodul speziell für Frauen vorstellen. Später könnte das Programm auch für Flüchtlinge aus anderen Ländern geöffnet werden.

„Die Wirtschaft wird überzeugt sein, weil die Bundeswehr einen guten Ruf hat“

Am Ende der Kurzausbildung bekommt jeder Syrer ein Zertifikat. Das soll einem potenziellen Ausbildungsbetrieb beweisen: Der Mann steht jeden Morgen pünktlich auf, kann unter Anleitung arbeiten, hat Disziplin, ist zuverlässig. So sollen die Männer fit für den deutschen Arbeitsmarkt gemacht werden. „Die Wirtschaft wird überzeugt sein, weil die Bundeswehr einen guten Ruf hat“, sagt Weise, selber Oberst der Reserve. Und wer arbeitet, so die Idee, integriert sich besser.
Ein zweiter Gedanke: Die Männer sollen eines Tages in ihrer Heimat beim Wiederaufbau helfen. Von der Leyen spricht von einer „Brücke in das eigene Land“. Deshalb wird in Ingolstadt auch an halb kaputten Häusern gearbeitet.

Ali Scharqi, 20 Jahre, schlank, trägt einen Blaumann und einen gelben Helm, steht an einem Stück Holz und sägt. Er sagt auf Arabisch, er freue sich über die freundliche Behandlung der Ausbilder. „Ich habe das auch nicht anders erwartet, das deutsche Volk ist einfach sehr nett, wie Zucker.“ Ein Dolmetscher übersetzt.

Irgendwann will er zurück in seine Heimat

Ali Scharqi kommt aus Manbidsch in der Nähe von Aleppo – einer Stadt, aus der die Kurden vor Kurzem den „Islamischen Staat“ vertrieben haben. Er ist im Mai 2015 aus Syrien geflohen. Kam mit einem Boot über die Ägäis nach Europa. Das sei schwer gewesen, sagt er. Die Balkanroute war dann leichter. Seit November ist er in Deutschland. Seine Familie lebt im Libanon.

Er spricht etwas Deutsch, braucht nur bei komplizierteren Fragen einen Dolmetscher. Als die Ministerin kommt und mit ihm redet, lächelt er stolz. Er sagt, dass er gern in Deutschland arbeiten würde. Irgendwann will er zurück in seine Heimat.

Auch in der Hochphase der Flüchtlingskrise hat die Bundeswehr geholfen

Ali Scharqi und drei andere Syrer ziehen ein kleines Haus hoch. Sie bauen gerade eine Holzabstützung, damit die Mauer nicht zusammenfällt. Wie in einem Museum steht auf einem Schild daneben: „Der Ausbildungsteilnehmer kann selbstständig verschiedene Betone herstellen und unter Anleitung eine Betondecke herstellen.“

Die Bundeswehr hat auch in der Hochphase der Flüchtlingskrise geholfen. Von der Leyen stellte bis zu 9000 Soldaten am Tag ab. Es wurden etwa 51.000 Unterkunftsplätze geschaffen und mehr als eine Millionen Mahlzeiten zubereitet. Heute helfen Soldaten nur noch im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) aus. Doch von der Leyen will was für die Menschen tun, die aus Krisenländern nach Deutschland gekommen sind, will etwas beitragen zur Integration. Und da die Bundeswehr einer der größten Ausbilder in Deutschland ist, möchte sie mit gutem Beispiel vorangehen.

Das Projekt startet ausgerechnet in der Heimat von CSU-Chef Seehofer

Natürlich gibt es Fragezeichen: Wird ein Syrer sich in einigen Jahren noch daran erinnern, wie man ein halb kaputtes Haus wieder aufbaut? Und was bringen so kurze Ausbildungsmodule überhaupt? Den Einwand, vier Wochen seien zu kurz, lässt die Ministerin nicht gelten. „Es ist ja keine komplette Ausbildung“, sagt von der Leyen. Es sollen Grundkenntnisse vermittelt werden. Ihr ist es wichtig, dass die Syrer sich ausprobieren können. Und so merken, welche Kenntnisse sie in einer dualen Ausbildung vertiefen möchten.

Mauern für die Integration – von der Leyen unterstützt mit dieser Idee Angela Merkels „Wir schaffen das“. Da hat es schon was, dass das Projekt in Ingolstadt startet – in der Heimat von CSU-Chef Horst Seehofer.