Berlin. Der Streit um das Freihandelsabkommen zwischen EU und USA belastet die Koalition. Jetzt macht die SPD der Kanzlerin direkt Vorwürfe.

Das umstrittene Freihandelsabkommen TTIP mit den USA wird immer mehr zur Belastung der großen Koalition in Berlin. Erst attackierte die Union Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD), weil der das Abkommen als „de facto gescheitert“ bezeichnet hatte. Jetzt greift die SPD umgekehrt die Union an und erstmals direkt auch Kanzlerin Angela Merkel. SPD-Fraktionsvize Hubertus Heil wirft Merkel bei TTIP eine mangelnde Interessenvertretung gegenüber den USA vor.

Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende und Wirtschaftsexperte sagte unserer Redaktion: „Frau Merkel hat einen Fehler gemacht: Die Kanzlerin hat bei dem Treffen mit US-Präsident Obama im April versäumt, die deutsche und die europäische Position klar zu benennen.“ Damals waren Kanzlerin und Präsident am Rande der Hannover-Messe zusammengekommen, um auch über das TTIP-Abkommen zwischen der EU und den USA zu sprechen.

SPD-Fraktionsvize vermisst bei der Union Realismus

Heil klagte, Merkel habe offenbar nur Obamas Wunsch entsprechen wollen, das Abkommen schnell abzuschließen. „TTIP ist aber kein Selbstzweck“, betonte Heil, die SPD würde einem schlechten Abkommen niemals zustimmen. Ein gutes Abkommen sei aber mit der US-Regierung nicht mehr erreichbar.

Der SPD-Politiker fügte hinzu, von der Union wünsche er sich bei diesem Thema „endlich etwas mehr Realismus und weniger ideologische Reflexe“. Einige Unionspolitiker hätten offenbar noch nicht verstanden, dass es bei den Freihandelsabkommen auch darum gehe, Globalisierung fair zu gestalten und einen Abbau von Sozial-, Umwelt- und Verbraucherschutzstandards zu verhindern.

„In 14 Runden zu TTIP nichts rausgekommen“

Heil wies damit die Unions-Kritik an Gabriel zurück. Er meinte: „TTIP wird nicht mehr zustande kommen.“ In 14 Verhandlungsrunden sei nichts Substanzielles herausgekommen, er rechne angesichts der erheblichen Auseinandersetzungen zwischen der EU und den USA nicht mehr mit einem verhandelten Vertragstext.

Als erster EU-Staat hatte sich am Dienstag Frankreich offen für einen Abbruch der TTIP-Handelsgespräche mit den USA ausgesprochen. Außenhandels-Staatssekretär Matthias Fekl sagte, Paris wolle die EU-Kommission im kommenden Monat auffordern, die Verhandlungen für den Handelspakt der EU mit den USA zu stoppen. Die EU-Kommission warnte dagegen davor, TTIP ohne Kenntnis des aktuellen Verhandlungsstandes abzuschreiben. Handelskommissarin Cecila Malström widersprach Äußerungen, die TTIP-Verhandlungen seien gescheitert. Ähnlich äußerte sich die US-Seite.