Berlin. Das Besuchsverbot für Abgeordnete bei Soldaten auf der türkischen Luftwaffenstation empört die Fraktionen. Die Türkei bleibt stur.

Im September will Wolfgang Hellmich (SPD) ein Schreiben an die türkische Regierung aufsetzen. Es wäre bereits der zweite und dann freilich auch der letzte Vorstoß des Vorsitzenden des Verteidigungsausschusses, um für sich und seine Kollegen ein Besuch der Bundeswehrsoldaten in Incirlik zu erwirken. Von einem formalen Verbot kann keine Rede sein. Faktisch aber ist es genau das: „Wir bekommen keine Antwort von der türkischen Regierung“, erzählte Hellmich unserer Redaktion, „das ist ein Unding, das geht gar nicht.“

Seit Monaten schwelt der Streit. Seit der Armenien-Resolution des Bundestages ist der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan auf Krawall gebürstet. Auch hatte er sich nach dem Putschversuch türkischer Militärs größere Solidaritätsbekundungen aus Berlin erhofft. Was als außenpolitische Störung begann, entzweit inzwischen auch die Koalitionspartner in Berlin. SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann setzte eine Frist. Wenn bis Oktober keine deutschen Abgeordneten nach Incirlik fahren könnten, empfehle er, das Mandat nicht zu verlängern, sondern auslaufen zu lassen.

Kauder ist gegen Abzug aus Incirlik

Unionsfraktionschef Volker Kauder vertrat am Wochenende eine völlig andere Position. Die Soldaten seien nicht dort, um dem türkischen Präsidenten „einen Freundschaftsdienst zu erweisen“, sagte er dem „Stader Tageblatt“ – also sollten sie auch nicht wegen Erdogan abziehen.

Wenn die Türkei nicht nachgibt, wird ein Abzug aber unumgänglich. Das hört man in allen politischen Lagern. Die Bundeswehr ist schließlich eine Parlamentsarmee, und ohne die SPD käme ein neues Mandat gar nicht zustande. Sowohl das Auswärtige Amt als auch das Verteidigungsministerium sind über die Verhärtung unglücklich. Die Diplomaten brauchen Zeit. Sie suchen seit Wochen hinter den Kulissen eine Lösung; ihnen ist allzu bewusst, dass Drohszenarien die Türken nicht beeindrucken.

Tornados könnten in Jordanien oder Zypern starten

Die Militärs sehen keine bessere Alternative zum Nato-Stützpunkt. Zwar könnte die Bundeswehr ihre „Tornado“-Flüge über Syrien und dem Irak auch von Jordanien oder Zypern aus starten. Die Briten fliegen ihre Angriffe ebenfalls von Zypern aus. Aber von Incirlik aus gelingt die Operationsführung besser – Kommunikation, Überflugrechte –, auch kommt man sich im Luftraum weniger mit den Russen in die Quere.

Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) sind die Hände gebunden. Sie kann den Streit nicht lösen, ebenso wenig ihr türkischer Amtskollege. Gefordert sind Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD), der laut „Spiegel“ demnächst nach Ankara reisen will, und Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Sie trifft Erdogan am 4. und 5. September beim G-20-Gipfel im chinesischen Hangzhou. Im November tagt in Istanbul die parlamentarische Versammlung der Nato. Auch droht ein Nachspiel. Wenn es bis dahin keine Lösung geben sollte, dann will Hellmich das deutsche Anliegen dort vertreten.

Schwieriges Verhältnis

Derweil geben sich die deutschen Diplomaten in Ankara die Klinke in die Hand: Staatsminister Michael Roth, Staatssekretär Markus Ederer – ein enger Vertrauter Steinmeiers – der politische Direktor Andreas Michaelis. Eine Normalisierung des Verhältnisses – zum Beispiel eine Türkei-Visite Merkels – ist nur möglich, wenn die Abgeordneten die Soldaten besuchen können. Ausschussvorsitzender Hellmich wartet täglich auf Post aus Ankara: „Keine Antwort werte ich auch als Antwort.“