Berlin. Unionsfraktionschef Kauder will Bürger um 15 Milliarden Euro entlasten. Der SPD-Finanzexperte Walter-Borjans will lieber investieren.

Die CSU hat es schon getan, auch Teile der CDU haben sich festgelegt: Sie wollen nach der Bundestagswahl 2017 die Steuern senken. Die Konzepte dafür sind längst da, es gibt sogar Modellrechnungen, wer wie viel Geld sparen könnte. Zwischen zehn und 30 Milliarden Euro soll die Steuerlast der Bürger insgesamt sinken.

Nach Einschätzung von Unionsfraktionschef Volker Kauder kann der Staat die Steuerzahler nach der Bundestagswahl um etwa 15 Milliarden Euro entlasten. „Nach meiner Auffassung sollten vor allem die Familien und die Bezieher kleinerer und mittlerer Einkommen profitieren“, sagte der CDU-Politiker der „Bild am Sonntag“. Bereits in dieser Wahlperiode habe man die kalte Progression reduziert, sagte Kauder. Das Statistische Bundesamt hatte am Mittwoch mitgeteilt, dass Bund, Länder, Gemeinden und Sozialkassen nach vorläufigen Berechnungen 18,5 Milliarden Euro mehr eingenommen als ausgegeben hätten. Daraufhin wurden Rufe nach Steuerentlastungen laut.

SPD-Chef will mittlere Gehälter entlasten

Die SPD hinkt noch etwas hinterher. Doch der Steuervirus hat auch die Sozialdemokraten angesteckt. Ob nun Parteichef Sigmar Gabriel, Bundestagsfraktionschef Thomas Oppermann oder die Ministerpräsidenten Stephan Weil (Niedersachsen) und Hannelore Kraft (Nordrhein-Westfalen) – sie alle wollen die Steuern senken. Oppermann will Spitzenverdiener davon ausnehmen, Gabriel will die Einkommensgrenze für den Spitzensteuersatz heraufsetzen, um mittlere Gehälter zu entlasten, und Kraft will besonders viel für Familien und Alleinerziehende tun. Aber Richtung und Botschaft sind klar: mehr Geld für die Bürger.

Was die Sozialdemokraten eint, die sich bisher zu Wort gemeldet haben: Sie sind keine Finanzminister. Wer im Regierungsamt aufs Geld aufpassen muss, verfolgt die Steuerpläne mit gemischten Gefühlen. Der Vorsitzende der Finanzministerkonferenz, NRW-Minister Norbert Walter-Borjans, gehört dazu. „Es ist an der Zeit, die Steuerdebatte vom Kopf auf die Füße zu stellen“, mahnt er deshalb. Die angeblich so sprudelnden Steuereinnahmen seien Folge der guten Wirtschaftslage. Die Ergebnisse der jüngsten Steuerberechnungen könnten noch so rekordverdächtig sein: „Konjunkturell bedingte Rekordergebnisse sind keine geeignete Grundlage für systematische Steuersenkungen“, sagte Walter-Borjans unserer Redaktion. Sonst müsse man ja umgekehrt bei schlecht laufender Wirtschaft die Steuern erhöhen, was keine gute Idee sei.

Walter-Borjans wirbt für Investitionen

Der Grund, weshalb der SPD-Politiker seine Parteifreunde zu stoppen versucht, ist die Schuldenbremse. Bund und Länder dürfen ab 2020 nur noch in Ausnahmefällen neue Schulden machen. Sie müssen also mit dem Geld auskommen, das sie einnehmen. Entsprechend schwer tun sie sich damit, die Bürger freiwillig weniger zahlen zu lassen. Gerade NRW gehört zu den Ländern, denen es besonders schwerfällt, bis in vier Jahren einen ausgeglichenen Haushalt zu erreichen. Finanzminister Walter-Borjans wirbt deshalb dafür, Steuergeld, das reichlicher fließt als erwartet, in Infrastruktur und Bildung zu investieren oder „gegebenenfalls für den Abbau von Krediten“ zu nutzen.

„Wenn trotzdem die Steuerlast einzelner Bevölkerungsschichten gesenkt werden soll“, sagt er, „bedarf es einer soliden Gegenfinanzierung.“ Die sei möglich, indem Steuerschlupflöcher geschlossen würden. Geschehe das konsequent genug, „könnten wir Mindereinnahmen von knapp zehn Milliarden Euro kompensieren“, lautet die Berechnung aus NRW. Kleine und mittlere Einkommen könnten deutlich entlastet werden – angeblich sogar deutlicher als bei den bisher vorgelegten Plänen von CDU und CSU. „Aber im Gegensatz zu diesen Konzepten werden wir keine Steuererleichterung für Spitzenverdiener versprechen“, sagt Walter-Borjans.

Wer mehr Investitionen, ausgeglichene Haushalte und die Entlastung kleiner und mittlerer Einkommen wolle, so das Fazit des NRW-Finanzministers, der stehe vor einer unmöglichen Aufgabe. Nicht nur seinen Parteifreunden ruft er zu: „Es muss jedem klar sein, das ohne Gegenfinanzierung mindestens eines dieser drei Ziele nicht erreichbar ist.“