Berlin. Der Streit um ein Besuchsverbot auf der Luftwaffenbasis Incirlik spitzt sich zu. Das Verteidigungsministerium prüft wohl einen Abzug.

Im Streit um das Besuchsverbot für deutsche Parlamentarier auf der türkischen Luftwaffenbasis Incirlik hat die SPD ein Ultimatum gesetzt. „Da eine Parlamentarierreise im Oktober geplant ist, brauchen wir im September Klarheit“, sagte Verteidigungsexperte Rainer Arnold am Donnerstag. Eine Verlängerung des Mandats für den Anti-Terror-Einsatz, die Ende des Jahres ansteht, hält Arnold wegen des Besuchsverbots für „ausgeschlossen“. Ohne die Zustimmung der SPD kann die Bundesregierung die Mission nicht verlängern, da auch Linke und Grüne das Verbot nicht akzeptieren wollen.

Das Besuchsrecht in Incirlik sei Grundvoraussetzung für den Einsatz einer Parlamentsarmee, sagte Arnold: „Gibt die Türkei nicht ihr offizielles Okay, sollte die Bundeswehr abziehen.“ Kanzlerin Angela Merkel (CDU) wandte sich gegen den Abzug der Luftwaffe aus der Türkei. „Ich gehe davon aus, dass das auch in Zukunft so sein wird, dass von Incirlik aus Einsätze der Anti-IS-Koalition geflogen werden können“, sagte sie. Dazu gehöre aber, dass Abgeordnete die Soldaten besuchen könnten. Darüber werde mit der Türkei gesprochen.

Alternativer Standort auf Zypern oder in Jordanien

Nach Informationen des „Spiegel“ prüft das Verteidigungsministerium derzeit einen möglichen Abzug der Bundeswehr aus Incirlik. Unter Berufung auf Truppenkreise berichtete das Magazin, es werde geprüft, ob die Tornados und Tankflugzeuge nach Jordanien oder Zypern verlegt werden könnten. Dazu müssten die Aufklärungseinsätze im Kampf gegen den „Islamischen Staat“ (IS) wegen des Umzugs für mindestens zwei Monate unterbrochen werden.

Das Verteidigungsministerium habe zu den internen Planungen keine Einzelheiten nennen wollen, hieß es weiter. „Wir würden den Einsatz für die Koalition gern von der Türkei aus fortsetzen, der Standort Incirlik ist für unsere Mission aber nicht alternativlos“, sagte ein Sprecher dem Magazin zufolge. Ministerin Ursula von der Leyen (CDU) sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland: „Die Operation von Incirlik aus liegt nach wie vor im gemeinsamen Interesse Deutschlands und der Türkei.“

Vermittelt bald die Nato?

In Incirlik sind 250 Bundeswehrsoldaten stationiert, die den US-geführten Kampf gegen die IS-Miliz mit Aufklärungsflügen unterstützen. Die Türkei verwehrt deutschen Abgeordneten den Besuch des Standortes. Als Auslöser gilt eine Resolution des Bundestags, der Anfang Juni die Massaker des Osmanischen Reiches an den Armeniern vor 100 Jahren als Völkermord verurteilte. Seither durfte nur Ministerin von der Leyen selbst nach Incirlik kommen. Zu weiteren Spannungen hat das Vorgehen der türkischen Regierung nach dem Putschversuch am 15. Juli geführt. Die Bundesregierung sieht darin eine mögliche Aushöhlung demokratischer Rechte, was die Türkei entschieden zurückweist.

Verteidigungspolitiker Arnold stellte im Fall eines bleibenden Besuchsverbots die geplanten Investitionen von 60 Millionen Euro in Incirlik infrage. Diese Summe hatte der Bundestag bereits bereitgestellt. „Das können wir dann auch in Jordanien machen.“ Arnold forderte die Nato auf, in dem Streit zu vermitteln.

Grünen-Chef fordert klare Ansage

Auch der Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Anton Hofreiter, befürwortet einen Abzug der Bundeswehr von der Luftwaffenbasis. „Sollte den Abgeordneten weiterhin der Zugang nach Incirlik verwehrt werden, kann die Bundeswehr dort nicht weiter eingesetzt werden“, sagte er dieser Redaktion. Er forderte Ministerin von der Leyen auf, dies „unverzüglich“ klarzustellen. Es sei „unerlässlich“, dass sich Abgeordnete „zu jedem Zeitpunkt selbst am Einsatzort informieren und den Kontakt zu den Soldatinnen und Soldaten halten können“, verlangte Hofreiter.

Für die US-geführte Allianz im Kampf gegen den IS ist Incirlik strategisch wichtig. Die Basis liegt in der Nähe der südtürkischen Stadt Adana nur gut 100 Kilometer von der syrischen Grenze entfernt. Der Stützpunkt, auf dem türkisches Hoheitsrecht gilt, wird seit den 50er-Jahren auch von den USA genutzt. Bisher haben die deutschen Tornados 490 Einsatzflüge unternommen. Der zum Tankflugzeug umgerüstete Airbus A310 war bislang 200-mal im Einsatz. Im Durchschnitt gibt es nach Angaben der Bundeswehr zwei Tornado-Flüge am Tag, das Tankflugzeug ist dagegen einmal am Tag in der Luft. (dpa/rtr/gau)