Istanbul. Unterstützt von US-Jets geht die Türkei in Syrien am Boden gegen den IS vor – auch mit Panzern. Kritik kommt von syrischen Kurden.

Die Türkei und die US-geführte Koalition haben am Mittwoch eine Großoffensive gegen Stellungen der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) in Nordsyrien gestartet. Türkische Streitkräfte griffen den IS am frühen Mittwochmorgen in Dscharabulus nahe der türkischen Grenze mit Artilleriefeuer an, wie die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu unter Berufung auf offizielle Quellen berichtete. Inzwischen stoßen auch türkische Panzer auf die syrische Stadt zu, meldete der türkische Staatssender TRT.

Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan hat den Einsatz der Armee inzwischen bestätigt. Er sei „gegen Bedrohungen gerichtet“, die für die Türkei von Terrororganisationen wie dem IS oder der syrischen Kurdenmiliz YPG ausgingen. „Hinter diese Angriffe muss jetzt ein Schlusspunkt gesetzt werden“, sagte Erdogan am Mittwoch in einer Rede in Ankara. „Das müssen wir lösen“.

Syriens Regierung verurteilte die türkische Militäroffensive gegen die Terrormiliz derweil scharf. Bei dem Einsatz handele es sich um einen offenen Verstoß gegen die Souveränität Syriens, hieß es am Mittwoch aus dem syrischen Außenministerium. Es gehe nicht darum, den Terrorismus zu bekämpfen, sondern ihn durch einen anderen zu ersetzen. Der Kampf gegen den Terrorismus in Syrien dürfe nur in Abstimmung mit der Regierung und Armee des Landes erfolgen.

Besuch von US-Vizepräsident Biden in Ankara

Zuvor hieß es aus Militärkreisen, türkische Spezialkräfte seien über die Grenze vorgerückt, um eine Passage nach Dscharabulus zu öffnen. Von einer Bodenoffensive könne aber noch nicht gesprochen werden. Kampfflugzeuge der US-Koalition hätten den Vormarsch mit Luftangriffen begleitet. Die türkische Artillerie habe insgesamt 63 Ziele unter Beschuss genommen.

Schon in der Nacht zum Dienstag beschoss die Türkei laut Anadolu IS-Stellungen in Dscharabulus. Auch auf Stellungen der von den USA unterstützten syrischen Kurdenmiliz YPG feuerte die Armee – allerdings vor dem Besuch von US-Vizepräsident Joe Biden am Mittwoch in Ankara. Der türkischen Staatsführung dürfte es auch darum gehen, einen weiteren Vormarsch syrisch-kurdischer Kräfte zu verhindern.

Kurdenführer: Türkei wird ebenso besiegt wie IS

Bei den Kurden stößt die türkische Offensive auf Kritik. „Die Türkei ist im syrischen Sumpf“, schrieb der Co-Vorsitzende der syrischen Kurdenpartei PYD, Salih Muslim, am Mittwoch auf Twitter. „Wird besiegt werden wie Daesh.“ Daesh ist die im arabischen Raum gängige Bezeichnung für die Terrormiliz IS.

Die kurdischen Volksschutzeinheiten YPG – der bewaffnete Arm der PYD – haben vom IS in Syrien bereits mehrere Gebiete erobert und kontrollieren mittlerweile den größten Teil der Grenze zur Türkei. Die PYD ist eng mit der kurdischen Arbeiterpartei PKK verbunden. Die Türkei sieht beide Kräfte als Terrororganisationen an und bekämpft sie.

Bewohner sollen türkische Grenzstadt verlassen

Der türkische Ministerpräsident Binali Yildirim hatte am Wochenende angekündigt, dass sich die Türkei „aktiver“ in eine Lösung des Syrienkonfliktes einbringen werde. Nach dem Anschlag in Gaziantep vom Samstag legte Außenminister Mevlüt Cavusoglu nach und forderte, die Grenze zu Syrien müsse vollständig vom IS „gesäubert“ werden.

Dscharablus war bereits in den vergangenen Tagen Ziel türkischer Angriffe. Am Dienstag waren mehrere von dort abgefeuerte Geschosse in der türkischen Grenzstadt Karkamis eingeschlagen. Die Einwohner wurden zum Verlassen der Region aufgefordert. Zudem hatten erstmals seit Monaten wieder Raketen die türkische Grenzstadt Kilis getroffen. In beiden Fällen war niemand verletzt worden. (dpa/rtr)