Istanbul. Die kurdischen YPG-Einheiten kämpfen in Syrien gegen den IS, und das erfolgreich. Deshalb geht die Türkei nun gegen beide Seiten vor.

Nach dem blutigen Anschlag auf eine Hochzeitsgesellschaft greift die Türkei härter durch. Die Armee beschoss nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu vom Montag Stellungen der Terrormiliz Islamischer Staat und des syrischen Ablegers der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK im Grenzgebiet zu Syrien.

„Unsere Grenze muss vollständig von Daesh (IS) gesäubert werden“, sagte Außenminister Mevlüt Cavusoglu am Montag vor Journalisten in Ankara, zwei Tage nach dem Attentat im südosttürkischen Gaziantep. Doch die türkische Regierung hat nicht nur die Islamisten im Visier: Ministerpräsident Binali Yildirim erklärte nach Medienangaben im Anschluss an eine Ministerratssitzung: „Wir können keinen kurdischen Korridor an unserer Südgrenze zulassen.“

Türkische Artillerie gegen US-Alliierte

Die von den USA unterstützten kurdischen Volksschutzeinheiten (YPG) in der nordsyrischen Region Manbidsch wurden am Montag nach eigenen Angaben vom türkischen Militär bombardiert. Die Armee habe die Ziele in der Region Manbidsch 20 Mal mit Artillerie beschossen, verlautete am Montag aus türkischen Kreisen. Die Türkei habe Stellungen rund 20 Kilometer von der Grenze entfernt beschossen, sagte ein Sprecher der Kurden in der Region der dpa.

Kurdische Kämpfer hatten erst in diesem Monat die Stadt Manbidsch vom IS erobert. Die Türkei verfolgt die Erfolge der Milizionäre mit Argwohn, weil sie ein Erstarken der verbotenen Kurdischen Arbeiterpartei PKK im eigenen Land befürchtet. Erst kürzlich hatte die Regierung vor einem weiteren Vorrücken der Kurden in der Region gewarnt. Ein zusammenhängendes kurdisches Gebiet an der Grenze zur Türkei könnte auch die Unabhängigkeitsbestrebungen der Kurden in der Türkei befeuern, so die Befürchtung Ankaras.

Neuer Vorstoß gegen den IS geplant

Die Regierung in Ankara unterstützt deswegen die Rebellengruppe Freie Syrische Armee, die voraussichtlich in den kommenden Tagen von türkischem Gebiet aus einen Versuch unternimmt, den IS aus Dscharablus zu vertreiben. Damit würde die Stadt nicht in die Hände der kurdischen Kämpfer fallen.

Die Türkei macht den IS für das Attentat am Samstagabend verantwortlich, bei dem mindestens 54 Menschen getötet wurden. Unter den Opfern sind vor allem Kinder und Jugendliche. Der Sender CNN Türk berichtete, 29 der bereits identifizierten Toten seien unter 18 Jahre alt.

Inzwischen kamen in der Türkei allerdings Zweifel auf, ob es sich bei dem Attentäter von Gaziantep tatsächlich um ein Kind handelte, wie zunächst angegeben. Yildirim sagte laut Anadolu am Abend in Ankara, es gebe ein „Gerücht“, dass das Attentat ein Kind ausgeführt habe. Noch sei jedoch nicht klar, wer dahinterstecke. Die Sicherheitskräfte suchten nach Belegen.

Selbstmordattentäter war offenbar nicht allein

Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan hatte am Sonntag gesagt, dass es sich bei dem Attentäter von Gaziantep nach ersten Erkenntnissen um ein Kind zwischen 12 und 14 Jahre handele. Als Drahtzieher sah er die Terrormiliz IS. Ministerpräsident Binali Yildirim allerdings bezweifelte das später und sprach von „Gerüchten“.

Die türkische Zeitung „Hürriyet“ hatte berichtet, auf Überwachungskameras in Gaziantep sei zu sehen, dass ein Kind von zwei Personen begleitet worden sei. Sie hätten sich entfernt, bevor die Bombe detonierte. Die Terrormiliz IS beherrscht große Gebiete auf der syrischen Seite an der Grenze zur Türkei. Ein weiterer großer Teil der 911 Kilometer langen Grenze zu Syrien wird von den YPG kontrolliert. (dpa)