Berlin. Kritik an Gesundheitsminister Gröhe: Seine Antibiotika-Pläne stoppen die Pillenflut nicht, sagt die BKK und fordert strengere Auflagen.

Der größte Landesverband der Betriebskrankenkassen hält die Ideen von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) zur Eindämmung der Antibiotikaflut für unzureichend. Gröhes Vorschlag, Schnelltests bei Antibiotikaverordnungen zu entwickeln, sei „ein gefährliches Spiel auf Zeit“, sagte Dirk Janssen, Vizevorstandschef der BKK Nordwest: „Bis es diese Schnelltests gibt, werden gegebenenfalls noch Jahre vergehen – zum Nachteil von Millionen Patienten.“

Die Zeit dürfe „nicht mit weiterer Zufallsmedizin verbracht“ werden, mahnte Janssen und verwies auf den massiven Einsatz von Reserveantibiotika – Mitteln für den absoluten Notfall. Einer BKK-Erhebung unter sieben Millionen Versicherten aus 13 Bundesländern zufolge werden Reserveantibiotika zu 76 Prozent auf Verdacht verordnet. Janssen: „Reserveantibiotika sind unsere letzte Verteidigungslinie gegen multiresistente Erreger. Sie sollten nur dann eingesetzt werden, wenn nichts anderes mehr hilft. Wenn Reserveantibiotika wie Bonbons im Karneval verteilt werden, verlieren wir diesen Kampf.“

Antibiogramm und Bundeskeimregister gefordert

Gröhes Vertrauen auf „finanzielle Anreize und Appelle“, wie sie im aktuellen Entwurf des Arzneimittelversorgungsstärkungsgesetzes auftauchen, führe zu keinen wirksamen Veränderungen. Stattdessen müsse der Minister den Wirksamkeitstest für Antibiotika, das sogenannte Antibiogramm, gesetzlich vorschreiben – mit klaren Vergütungsregeln für Ärzte. BKK-Vize Janssen fordert zudem die Einführung eines Bundeskeimregisters. „Labore sind zu verpflichten, die Testergebnisse anonymisiert an eine zentrale Meldestelle zu liefern, damit Politik und Wissenschaft im Sinne eines Radars die Bewegung der Erreger und die Entwicklung von Resistenzen unter Kon­trolle halten können.“ Die BKK Nordwest habe hierzu konkrete Gesetzesvorschläge vorgelegt.

BKK-Untersuchungen zeigen, dass mehr als 95 Prozent der ärztlich verordneten Antibiotika blind verschrieben werden. Zum Schutz der Patienten vor zu schnellen und willkürlichen Antibiotikagaben fordern die Kassen ein Antibiogramm. Das ist ein Abstrich, der wissenschaftlich abklärt, ob ein Antibiotikum dem Patienten hilft und wenn ja, welches.