München. Der NSU-Prozess ist nach einem Streit zwischen den Zschäpe-Verteidigern unterbrochen worden. Ein Zeuge erschien nicht zur Verhandlung.

Gleich zu Beginn des 304. Verhandlungstages prallten am Montag im NSU-Prozess die unterschiedlichen Verteidigungsstrategien der fünf Anwälte der Hauptangeklagten Beate Zschäpe aufeinander. Ihre drei Altverteidiger hatten gerade begonnen, die Anfang Juli von den Nebenklägern an sie gerichteten Fragen auf deren Zulässigkeit zu prüfen und zurück zu weisen, da forderte Zschäpes Vertrauensanwalt Herman Borchert eine Unterbrechung der Verhandlung. Er wolle sich mit seiner Mandantin beraten.

Offenbar wurden Zschäpe und Borchert von der Verteidigungsstrategie ihrer Rechtsanwälte Anja Sturm, Wolfgang Heer und Wolfgang Stahl überrascht. Denn Borchert kündigte seinerseits ebenfalls an, zu den Fragen der Nebenklage Stellung nehmen zu wollen. Nach der 20-minütigen Unterbrechung durfte Wolfgang Heer die angekündigten Beanstandungen der Fragen an die Angeklagte weiter vortragen. Eine Reaktion von Verteidiger Borchert erfolgte nicht.

Die drei Altverteidiger wiesen Fragen von neun Nebenklageanwälten zurück, zumeist mit den Begründungen „nicht zur Sache gehörend“ oder „ungeeignet“. Warum eine Frage ungeeignet oder nicht zur Sache gehörend sei, erklärten sie im Einzelnen nicht. Zurückgewiesen wurden unter anderem Fragen zu ihrer Vergangenheit lange vor den Straftatvorwürfen.

Nebenkläger kritisieren Verteidigung

Mehrere Nebenkläger kritisierten das pauschale Zurückweisen ihrer Fragen. Rechtsanwalt Alexander Hoffman betonte, dass er es als „anmaßend und ungeheuerlich“ empfinde, dass sich die Verteidiger bei der Begründung ihrer Ablehnung der Fragen unter anderem auf den Beschleunigungsgrundsatz beziehen würden. Das Prozedere, Fragen an Zschäpe zu stellen und Wochen später Antworten verlesen zu bekommen, sei von der Angeklagten gewählt worden und führe in diesem Prozess zu „ungeheuerlichen Verzögerungen“, so Hoffmann.

Opferanwalt Sebastian Scharmer kritisierte zudem, dass die Verteidiger die Fragen der Nebenklage nicht beanstandet hätten, als diese gestellt wurden. Das sei im Strafverfahren das übliche Vorgehen. Er bezweifelte, dass die am 304. Verhandlungstag vorgebrachten Beanstandungen überhaupt zulässig seien.

Zeuge erschien nicht zur Vernehmung

Die Vernehmung eines Zeugen fiel am Montag aus, weil er nicht erschien. Er sollte eigentlich zu einer möglichen Schlägerei an der Endhaltestelle der Straßenbahn in Jena aussagen, an der auch der Angeklagte Ralf Wohlleben beteiligt gewesen sein soll. Rechtsanwalt Olaf Klemke, der Wohlleben verteidigt, beantragte, den Mann zwangsweise vorzuführen, ihm die entstandenen Kosten aufzuerlegen und ein Ordnungsgeld gegen ihn zu verhängen. Darüber entschied das Gericht zunächst nicht. Bisher konnte niemand die Auseinandersetzung um die Jahrtausendwende in Jena bestätigen.

Ralf Wohlleben wird vom Angeklagten Carsten S. mit seinen Einlassungen zum Beschaffenen der mutmaßlichen NSU-Mordwaffe schwer belastet. Der frühere NPD-Funktionär Wohlleben bestreitet dagegen vehement den Tatvorwurf. Seine Verteidiger versuchen nun die Aussagen von Carsten S. abzuschwächen, indem sie ihm Angaben nachweisen, die nicht zutreffen. Beiden Männer wirft die Anklage Beihilfe zum Mord in neun Fällen vor. Mit der Pistole soll der NSU neun rassistisch motivierte Morde begangen haben.

Beate Zschäpe gilt als letzte Überlebende der mutmaßlichen Terrorzelle „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU). Der rechtsextremen Gruppierung werden insgesamt zehn Morde, zwei Sprengstoffanschläge sowie 15 Raubüberfälle vorgeworfen. Die 41-Jährige muss sich unter anderem wegen Mittäterschaft bei den NSU-Verbrechen verantworten. Ihre mutmaßlichen Komplizen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt sollen sich am 4. November 2011 erschossen haben, als ihr Wohnmobil nach einem Raubüberfall in Eisenach von der Polizei entdeckt wurde.

Der NSU-Prozess begann am 6. Mai 2013. Insgesamt verhandelt der Staatsschutzsenat am Oberlandesgericht gegen fünf Angeklagte.