Ankara. Die Pro-Erdogan-Demo in Köln blieb friedlich. Diplomatisch weitet sich danach jedoch der Streit zwischen Deutschland und Türkei aus.

Das türkische Außenministerium hat sich beim Gesandten der deutschen Botschaft in Ankara über das Verbot einer live übertragenen Rede von Präsident Recep Tayyip Erdogan bei der Kundgebung Köln beschwert. Vertreter des Ministeriums hätten die „Enttäuschung und Verärgerung“ darüber „eindringlich“ zum Ausdruck gebracht, meldete die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu am Montagabend.

Das türkische Außenministerium hatte den Gesandten einbestellt, was im diplomatischen Verkehr einer Rüge entspricht. Da Botschafter Martin Erdmann im Urlaub war, nahm der Gesandte Robert Dölger den Termin wahr. Bei der Pro-Erdogan-Demonstration am Sonntag war die geplante Übertragung einer Rede des Präsidenten verboten worden, um eine aufgeheizte Stimmung nicht noch weiter zu verschärfen.

Türkei hält Verbot der Live-Schalte für „inakzeptabel“

Dölger sei im Ministerium dargelegt worden, ein solches Verhalten der Behörden eines „Verbündeten“, der sich auf die gemeinsamen Werte der Demokratie berufe, sei „inakzeptabel“. Dass wegen des Verbots die Botschaft des Präsidenten in Köln habe verlesen werden müssen, wurde laut Anadolu ebenfalls kritisiert. Zuvor hatte auch Erdogans Sprecher Ibrahim Kalin das Verbot durch das Bundesverfassungsgericht inakzeptabel genannt. Kalin hatte eine „befriedigende Erklärung“ Deutschlands dafür verlangt.

Bereits am Sonntag hatten Vertreter der türkischen Regierung das Verbot der Übertragung scharf kritisiert. Der Justizminister Bekir Bozdag sprach etwa von einer „Schande“ für Demokratie und Recht.

Streit über Armenien-Resolution des Bundestags

Der deutsche Botschafter in Ankara hatte in den vergangenen Wochen bereits keine Termine bei der Regierung der Türkei bekommen. Auslöser für die Nicht-Berücksichtigung war dabei die Diskussion um die Armenien-Resolution des Bundestages. Das deutsche Parlament hatte in einer Sitzung die Tötung von Armeniern während des Ersten Weltkrieges als Völkermord bezeichnet. Die Türkei erkennt als Nachfolgerin des Osmanischen Reiches diesen Völkermord nicht an.

Gut zwei Wochen nach dem vereitelten Putsch in der Türkei hatten am Sonntag Zehntausende in Köln friedlich ihre Unterstützung für Erdogan demonstriert. Zugleich feierten sie die Niederschlagung des Umsturzversuchs. Eigentlich hatten die Veranstalter der Kundgebung in Köln geplant, Erdogan auf einer Großleinwand live zuzuschalten – dies war angesichts der aufgeheizten Stimmung aber verboten worden. Gegen Ende der Veranstaltung wurde eine Botschaft Erdogans verlesen. In dieser lobte er, dass sich die türkische Bevölkerung den Putschisten mutig entgegengestellt habe.

Der Kundgebungsplatz glich einem roten Meer aus türkischen Flaggen. Mit einer Schweigeminute gedachten die Teilnehmer der Opfer des Putschversuches in der Türkei sowie der Opfer der jüngsten Terroranschläge in Frankreich, Deutschland und der Türkei. Nach Angaben der Polizei nahmen 30.000 bis 40.000 Menschen teil. Es gab mehrere Gegendemonstrationen. Zu den befürchteten Ausschreitungen kam es aber nicht. Die Polizei zog am Abend eine positive Bilanz. Im Einsatz waren 2700 Beamte, auch Wasserwerfer standen bereit.

Kritik an Pro-Erdogan-Demo von allen Seiten

Erdogans Sprecher Ibrahim Kalin bezeichnete das Verbot der türkischen Nachrichtenagentur Anadolu zufolge als „inakzeptablen Zustand“. Es sei auch nicht akzeptabel, dass die deutschen Behörden Demonstrationen der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK zuließen, eine „Demokratie-Veranstaltung“ gegen den Putschversuch mit dem Hinweis auf die Sicherheitslage jedoch beargwöhnten und zu verhindern versuchten.

Die Linken-Vorsitzende Katja Kipping kritisierte hingegen die Teilnehmer der Kundgebung. „Wer für Erdogan auf die Straße geht, der unterstützt jemanden, der Terror gegenüber Andersdenkenden wirklich praktiziert, andere Menschen einschüchtert – in der Wissenschaft, von den Medien und so weiter“, sagte sie im ARD-Sommerinterview des „Berichts aus Berlin“.

Auch aus anderen politischen Lagern kam Kritik an der Demonstration. CDU-Generalsekretär Peter Tauber äußerte sich in der „Welt am Sonntag“. „Wer der Abwicklung der türkischen Demokratie applaudiert, steht nicht auf dem Boden unseres Grundgesetzes“, sagte Tauber. Konflikte in anderen Ländern dürften generell nicht in Deutschland ausgetragen werden.

Der migrationspolitische Sprecher der Grünen, Volker Beck, hat sich dafür ausgesprochen, das Gespräch mit den Befürwortern des türkischen Präsidenten zu suchen. „Das ist ein Konflikt zwischen jenen, die Rechtsstaatlichkeit, Freiheit und Demokratie unterstützen. Und jenen, die dagegen sind. Das sind unsere Feinde“, sagte Beck. Es sei kein Konflikt zwischen Deutschen und Türken, sondern zwischen Unterstützern und Feinden der Demokratie. (ac/dpa)