Berlin. Reinhard Lüschow und Heinz Harre schlossen die erste deutsche „Homo-Ehe“. Zum 15. Jahrestag wollten wir wissen: Was hat sich geändert?

Ihr Kuss ging vor 15 Jahren um die Welt: Heinz-Friedrich Harre (63) und Reinhard Lüschow (55) waren am 1. August 2001 das erste Paar in Deutschland, das als eingetragene Lebenspartnerschaft den Bund fürs Leben schloss. Nun feiern die Hannoveraner ihren 15. Jahrestag. Kurz vorher sprachen wir mit Reinhard Lüschow über das Standing homosexueller Paare im Deutschland von heute.

Sind Sie eigentlich erleichtert?

Reinhard Lüschow: Warum?

Partnerschaften und Ehen, wenn sie denn geschieden werden, gehen im Schnitt nach 14.9 Jahren auseinander.

Lüschow: Nachdem Sie das jetzt gesagt haben – natürlich. Offenbar sind wir jetzt aus der kritischen Phase raus. (lacht) Tatsächlich sind wir jetzt aber im 29. Beziehungsjahr, da macht die 15 gar nicht so viel aus. Wir sind immer noch glücklich und zufrieden. Und wir gehen am Montagabend mit unseren Trauzeugen essen.

Heinz-Friedrich Harre (links) und Reinhard Lüschow nach ihrem Gang zum Standesamt am 1. August 2001 in Hannover.
Heinz-Friedrich Harre (links) und Reinhard Lüschow nach ihrem Gang zum Standesamt am 1. August 2001 in Hannover. © privat | privat

Hat die Tatsache, dass Sie eine Lebenspartnerschaft eingegangen sind, viel an Ihrer Beziehung verändert?

Lüschow: Für uns nicht. Wir haben uns schon vorher verheiratet gefühlt. Letztendlich ist das ein Stück Papier. Aber wir sind sichtbar geworden. Gerade mein Mann hat das erlebt. Vorher war er am Arbeitsplatz irgendwie der Schwule, aber man hat sich nicht getraut, ihn offen anzusprechen. Danach sind selbst Kollegen, mit denen er kaum etwas zu tun hatte, angekommen und haben gratuliert.

In Ihrem Fall wusste es ja tatsächlich auch ganz Deutschland.

Lüschow: Das war allerdings Zufall. Mir war nicht wichtig, dass wir das allererste Paar in Deutschland sind. Ich wollte nur, dass es sofort am ersten Tag passiert, an dem wir das Recht dazu haben. Erst hatten wir den Termin am Standesamt nach 9 Uhr. Dann aber wurden wir angerufen, ob wir auch früher können, weil der damalige Oberbürgermeister, Herbert Schmalstieg, dabei sein wollte. Der hatte sich immer sehr dafür eingesetzt, er konnte aber nur um 8 Uhr. Dann haben wir ja gesagt und waren plötzlich die ersten. Wir haben da erst gar nicht darüber nachgedacht. Nur als wir dann angekommen sind und die ersten Reporter da standen, haben wir gemerkt: Oh, da passiert jetzt was.

Sie haben sich beide schon viele Jahre für Gleichberechtigung engagiert. Kam Ihnen diese große Öffentlichkeit dann gerade recht?

Lüschow: Um ehrlich zu sein: Der Tag selbst war eine Katastrophe. (lacht) Es war sehr viel Rummel, wir waren irgendwie auch überfordert. Aber im Nachhinein war es einfach toll.

Trotzdem müssen Sie jetzt, 15 Jahre später, immer noch Fragen zur Gleichberechtigung beantworten. Nervt Sie das?

Lüschow: Das nervt insofern, dass wir noch nicht gleichberechtigt sind. Ich habe damals gesagt, in zehn Jahren wird die Ehe geöffnet. Da habe ich danebengelegen. Da ist das Bauchgefühl von Frau Merkel offenbar wichtiger als Menschenrechte. Viele europäische und außereuropäische Staaten haben die Ehe geöffnet. Die Union will es aber einfach nicht. Sie kann es noch nicht mal sachlich begründen. Vielleicht wenn der Vatikan die Ehe irgendwann mal öffnet, denkt Deutschland auch darüber nach.

Sie standen für Rechte Homosexueller ein

Der deutsche Arzt und Sexualforscher Magnus Hirschfeld (rechts), hier im Bild mit einem chinesischen Mediziner im Jahr 1929, lebte von 1868 bis 1935 und gilt als Mitbegründer der ersten Homosexuellen-Bewegung. Er war Vorsitzender des von ihm mitgegründeten „Wissenschaftlich-humanitäre Komitees“, das sich zum Ziel gesetzt hatte, sexuelle Handlungen zwischen Männern zu entkriminalisieren.
Der deutsche Arzt und Sexualforscher Magnus Hirschfeld (rechts), hier im Bild mit einem chinesischen Mediziner im Jahr 1929, lebte von 1868 bis 1935 und gilt als Mitbegründer der ersten Homosexuellen-Bewegung. Er war Vorsitzender des von ihm mitgegründeten „Wissenschaftlich-humanitäre Komitees“, das sich zum Ziel gesetzt hatte, sexuelle Handlungen zwischen Männern zu entkriminalisieren. © CC By JonnyNord | CC By JonnyNord
Noch ein wenig früher kämpfte Karl Heinrich Ulrichs (1825-1895) für die Rechte von Homosexuellen. Der deutsche Jurist, Journalist und Schriftsteller bekannte sich selbst öffentlich zu seiner Homosexualität – damals ein unerhörter Vorgang. Er forschte und publizierte zu gleichgeschlechtlicher Liebe und propagierte die Ehe zwischen Männern.
Noch ein wenig früher kämpfte Karl Heinrich Ulrichs (1825-1895) für die Rechte von Homosexuellen. Der deutsche Jurist, Journalist und Schriftsteller bekannte sich selbst öffentlich zu seiner Homosexualität – damals ein unerhörter Vorgang. Er forschte und publizierte zu gleichgeschlechtlicher Liebe und propagierte die Ehe zwischen Männern. © Gemeinfrei | Wikipedia
Harvey Milk (1930-1978) war der erste US-Politiker, der sich öffentlich zu seiner Homosexualität bekannte. Homosexuelle Handlungen standen damals in fast allen US-Bundesstaaten noch unter Strafe. Der Bürgerrechtler engagierte sich in der Schwulen- und Lesbenbewegung. Im Jahr 1978 wurden Harvey Milk und der damalige Bürgermeister George Moscone im Rathaus von San Francisco von einem Stadtrat erschossen. Im Mai 2014 wurde ihm zu Ehren eine Briefmarke veröffentlicht.
Harvey Milk (1930-1978) war der erste US-Politiker, der sich öffentlich zu seiner Homosexualität bekannte. Homosexuelle Handlungen standen damals in fast allen US-Bundesstaaten noch unter Strafe. Der Bürgerrechtler engagierte sich in der Schwulen- und Lesbenbewegung. Im Jahr 1978 wurden Harvey Milk und der damalige Bürgermeister George Moscone im Rathaus von San Francisco von einem Stadtrat erschossen. Im Mai 2014 wurde ihm zu Ehren eine Briefmarke veröffentlicht. © imago/UPI Photo | imago stock&people
Am 35. Todestag von Harvey Milk feierten die Menschen in San Francisco eine Gedenkfeier zu Ehren des ermordeten Bürgerrechtlers und des ebenfalls getöteten  Bürgermeisters von San Francisco. Sie hielten Regenschirme in Regenbogenfarben und Milk-Plakate in die Luft.
Am 35. Todestag von Harvey Milk feierten die Menschen in San Francisco eine Gedenkfeier zu Ehren des ermordeten Bürgerrechtlers und des ebenfalls getöteten Bürgermeisters von San Francisco. Sie hielten Regenschirme in Regenbogenfarben und Milk-Plakate in die Luft. © imago/ZUMA Press | imago stock&people
Rosa von Praunheim (rechts), geboren als Holger Radtke, hier in Begleitung seines Lebensgefährten Oliver Sechting: Bis in die 1990er Jahre hinein galt der Regisseur als einer der entscheidenden Köpfe der deutschen Schwulenbewegung. Sein Dokumentarfilm „Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt“ (1971) ebnete der Homosexuellenbewegung den Weg.
Rosa von Praunheim (rechts), geboren als Holger Radtke, hier in Begleitung seines Lebensgefährten Oliver Sechting: Bis in die 1990er Jahre hinein galt der Regisseur als einer der entscheidenden Köpfe der deutschen Schwulenbewegung. Sein Dokumentarfilm „Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt“ (1971) ebnete der Homosexuellenbewegung den Weg. © imago/Seeliger | imago stock&people
1995 erschien der Film „Neurosia – 50 Jahre pervers“, von Praunheims Autobiografie.
1995 erschien der Film „Neurosia – 50 Jahre pervers“, von Praunheims Autobiografie. © imago/United Archives | imago stock&people
Im NDR-Talk sprach von Praunheim 1992 auch mit dem damaligen niedersächsischen Ministerpräsidenten Gerhard Schröder über die Ziele der Homosexuellen-Bewegung.
Im NDR-Talk sprach von Praunheim 1992 auch mit dem damaligen niedersächsischen Ministerpräsidenten Gerhard Schröder über die Ziele der Homosexuellen-Bewegung. © imago stock&people | imago stock&people
Als eine Identifikationsfigur der Homosexuellen galt in den 1970er und 1980er Jahren auch der britische Schauspieler und Exzentriker Quentin Crisp. Crisp trat stets geschminkt und weiblich gestylt auf. Im Film „Orlando“ (1992) spielte er die Rolle der Queen Elizabeth.
Als eine Identifikationsfigur der Homosexuellen galt in den 1970er und 1980er Jahren auch der britische Schauspieler und Exzentriker Quentin Crisp. Crisp trat stets geschminkt und weiblich gestylt auf. Im Film „Orlando“ (1992) spielte er die Rolle der Queen Elizabeth. © imago stock&people | imago stock&people
Die Komikerin und Moderatorin Hella von Sinnen trat vor allem in den 1990er Jahren für Rechte von Homosexuellen ein. Sie und ihre Ex-Partnerin Cornelia Scheel nahmen unter anderem 1992 an der „Aktion Standesamt“ des Lesben- und Schwulenverbands in Deutschland (LSVD)teil, bei der Hunderte gleichgeschlechtliche Paare bei Standesämtern das Aufgebot bestellten.
Die Komikerin und Moderatorin Hella von Sinnen trat vor allem in den 1990er Jahren für Rechte von Homosexuellen ein. Sie und ihre Ex-Partnerin Cornelia Scheel nahmen unter anderem 1992 an der „Aktion Standesamt“ des Lesben- und Schwulenverbands in Deutschland (LSVD)teil, bei der Hunderte gleichgeschlechtliche Paare bei Standesämtern das Aufgebot bestellten. © imago stock&people | imago stock&people
Wie Hella von Sinnen engagierte sich auch der Komiker, Schauspieler und Moderator Dirk Bach für den Lesben- und Schwulenverbands in Deutschland. 1999 ehelichte in den USA seinen langjährigen Lebensgefährten, auch wenn die Ehe in Deutschland keine Gültigkeit besaß. Ebenso setzte er sich für den Kampf gegen Aids ein. Unter anderem war er Ehren- und Beiratsmitglied der AIDS-Hilfe Köln.
Wie Hella von Sinnen engagierte sich auch der Komiker, Schauspieler und Moderator Dirk Bach für den Lesben- und Schwulenverbands in Deutschland. 1999 ehelichte in den USA seinen langjährigen Lebensgefährten, auch wenn die Ehe in Deutschland keine Gültigkeit besaß. Ebenso setzte er sich für den Kampf gegen Aids ein. Unter anderem war er Ehren- und Beiratsmitglied der AIDS-Hilfe Köln. © imago | imago
Dirk Bach wurde am 1. Oktober 2012 tot in einem Berliner Hotel aufgefunden, er war an Herzversagen gestorben. Seine Urne liegt in Köln begraben.
Dirk Bach wurde am 1. Oktober 2012 tot in einem Berliner Hotel aufgefunden, er war an Herzversagen gestorben. Seine Urne liegt in Köln begraben. © imago stock&people | imago stock&people
Die Schauspielerinnen Ellen DeGeneres und Portia de Rossi, hier beim Grand-Slam-Turnier in Wimbledon 2016, sind seit 2004 ein Paar und seit August 2008 verheiratet. Einen Tag, nachdem das in Kalifornien das Verbot gleichgeschlechtlicher Ehen aufgehoben wurde, machte DeGeneres ihren Heiratswunsch in ihrer TV-Sendung bekannt. Schon mit ihrem Coming-Out hatte sie das Thema in die Öffentlichkeit gerückt. In der Sitcom „Ellen“, in der sie die gleichnamige Hauptrolle spielte, bekannte sie sich zu ihrer Homosexualität.
Die Schauspielerinnen Ellen DeGeneres und Portia de Rossi, hier beim Grand-Slam-Turnier in Wimbledon 2016, sind seit 2004 ein Paar und seit August 2008 verheiratet. Einen Tag, nachdem das in Kalifornien das Verbot gleichgeschlechtlicher Ehen aufgehoben wurde, machte DeGeneres ihren Heiratswunsch in ihrer TV-Sendung bekannt. Schon mit ihrem Coming-Out hatte sie das Thema in die Öffentlichkeit gerückt. In der Sitcom „Ellen“, in der sie die gleichnamige Hauptrolle spielte, bekannte sie sich zu ihrer Homosexualität. © imago/i Images | imago stock&people
Oscarpreisträgerin Jodie Foster bekannte sich Ende 2007 zu ihrer langjährigen Lebensgefährtin Cydney Bernard. Die beiden trennten sich 2008. Seit 2013 ist Foster mit der Schauspielerin Alexandra Hedison liiert, die sie im April 2014 dann auch heiratete.
Oscarpreisträgerin Jodie Foster bekannte sich Ende 2007 zu ihrer langjährigen Lebensgefährtin Cydney Bernard. Die beiden trennten sich 2008. Seit 2013 ist Foster mit der Schauspielerin Alexandra Hedison liiert, die sie im April 2014 dann auch heiratete. © imago/ZUMA Press | imago stock&people
Der ehemalige Regierende Bürgermeister von Berlin, Klaus Wowereit (rechts), war 2001 der erste Spitzenpolitiker, der sich offen zu seiner Homosexualität bekannte. Sein Coming-Out kurz vor dem Wahlkampf um das Bürgermeisteramt wurde bundesweit wahrgenommen und als „Befreiungsschlag“ gefeiert. „Ich bin schwul – und das ist auch gut so!“, hatte Wowereit auf dem SPD-Sonderparteitag am 10. Juni 2001 gesagt. Seit 1993 ist Wowereit mit dem Neurochirurgen Jörn Kubicki (links) liiert.
Der ehemalige Regierende Bürgermeister von Berlin, Klaus Wowereit (rechts), war 2001 der erste Spitzenpolitiker, der sich offen zu seiner Homosexualität bekannte. Sein Coming-Out kurz vor dem Wahlkampf um das Bürgermeisteramt wurde bundesweit wahrgenommen und als „Befreiungsschlag“ gefeiert. „Ich bin schwul – und das ist auch gut so!“, hatte Wowereit auf dem SPD-Sonderparteitag am 10. Juni 2001 gesagt. Seit 1993 ist Wowereit mit dem Neurochirurgen Jörn Kubicki (links) liiert. © imago/pixelpress | imago stock&people
Der ehemalige Außenminister Guido Westerwelle (rechts) machte seine Homosexualität öffentlich, als er 2004 mit seinem langjährigen Partner Michael Mronz (links) zur Feier des 50. Geburtstags von Angela Merkel erschien. Allerdings hatte der im März 2016 verstorbene FDP-Politiker auch zuvor kein Geheimnis daraus gemacht. Er war damit nach Klaus Wowereit und Ole von Beust der dritte Spitzenpolitiker, der seine Homosexualität bekannt machte. Mit Michael Mronz lebte Westerwelle seit 2003 zusammen, 2010 gingen die beiden eine Lebenspartnerschaft ein.
Der ehemalige Außenminister Guido Westerwelle (rechts) machte seine Homosexualität öffentlich, als er 2004 mit seinem langjährigen Partner Michael Mronz (links) zur Feier des 50. Geburtstags von Angela Merkel erschien. Allerdings hatte der im März 2016 verstorbene FDP-Politiker auch zuvor kein Geheimnis daraus gemacht. Er war damit nach Klaus Wowereit und Ole von Beust der dritte Spitzenpolitiker, der seine Homosexualität bekannt machte. Mit Michael Mronz lebte Westerwelle seit 2003 zusammen, 2010 gingen die beiden eine Lebenspartnerschaft ein. © dpa | Jörg Carstensen
Der frühere Fußball-Nationalspieler Thomas Hitzlsperger war 2014 der erste prominente deutsche Fußballprofi, der sich zu seiner Homosexualität bekannte. In einem Interview mit der „Zeit“ ließ er sich damals mit den Worten zitieren: „Ich äußere mich zu meiner Homosexualität. Ich möchte gern eine öffentliche Diskussion voranbringen – die Diskussion über Homosexualität unter Profisportlern.“ Hitzlsperger hatte zuvor seine aktive Karriere beendet. Seitdem gab es allerdings kein Coming-Out eines Profifußballers, obwohl Hitzlsperger für sein Coming-Out viel Zuspruch erfuhr.
Der frühere Fußball-Nationalspieler Thomas Hitzlsperger war 2014 der erste prominente deutsche Fußballprofi, der sich zu seiner Homosexualität bekannte. In einem Interview mit der „Zeit“ ließ er sich damals mit den Worten zitieren: „Ich äußere mich zu meiner Homosexualität. Ich möchte gern eine öffentliche Diskussion voranbringen – die Diskussion über Homosexualität unter Profisportlern.“ Hitzlsperger hatte zuvor seine aktive Karriere beendet. Seitdem gab es allerdings kein Coming-Out eines Profifußballers, obwohl Hitzlsperger für sein Coming-Out viel Zuspruch erfuhr. © imago/Sven Simon | imago stock&people
Der Bundestag beschließt am 30. Juni 2017 ein Gesetz zur völligen Gleichstellung der gleichgeschlechtlichen Ehe. Es ist eine historische Entscheidung. Grünen-Politiker Volker Beck hatte sich seit den 80er Jahren für die Rechte von Homosexuellen eingesetzt. 1992 wurde Beck bundesweit für seine Kampagne zur Öffnung der Ehe für Lesben und Schwule bekannt. Die Einführung einer Eingetragenen Lebenspartnerschaft war nur ein Schritt zu seinem Ziel. Beck wird bei der Bundestagswahl 2017 nicht kandidieren. An seinem allerletzten Tag im Bundestag als Parlamentarier ist für ihn der Traum von der „Ehe für alle“ in Erfüllung gegangen.
Der Bundestag beschließt am 30. Juni 2017 ein Gesetz zur völligen Gleichstellung der gleichgeschlechtlichen Ehe. Es ist eine historische Entscheidung. Grünen-Politiker Volker Beck hatte sich seit den 80er Jahren für die Rechte von Homosexuellen eingesetzt. 1992 wurde Beck bundesweit für seine Kampagne zur Öffnung der Ehe für Lesben und Schwule bekannt. Die Einführung einer Eingetragenen Lebenspartnerschaft war nur ein Schritt zu seinem Ziel. Beck wird bei der Bundestagswahl 2017 nicht kandidieren. An seinem allerletzten Tag im Bundestag als Parlamentarier ist für ihn der Traum von der „Ehe für alle“ in Erfüllung gegangen. © REUTERS | FABRIZIO BENSCH
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Ist das also nur Wahlkampf, wenn SPD-Politiker in diesen Tagen in Aussicht stellen, dass die Ehe noch vor der Bundestagswahl für gleichgeschlechtliche Paare geöffnet werden könnte?

Lüschow: Es sind ja hauptsächlich alte Wähler, die mit Homosexualität ein Problem haben. Wenn sich also etablierte Parteien nun für die Öffnung der Ehe entscheiden, vereinfacht gesagt, gewinnen sie die Schwulen und Lesben und verlieren die alten – und andersherum. Ich könnte mir schon vorstellen, dass da noch einiges an Kalkül mitspielt. Viele Politiker, wenn man mit Ihnen persönlich spricht, antworten: ‚Ich persönlich habe keine Probleme damit, aber die Partei…‘ Ich bin überzeugt davon, dass das Thema längst durch wäre, wenn alle Abgeordneten mal ohne Fraktionszwang abstimmen dürfen.

Bei manchen Politikern der AfD könnte man daran zweifeln.

Lüschow: Ich würde mir schon überlegen, ob ich mit meinem Mann Händchen haltend durch Sachsen-Anhalt spazieren gehen würde. Ich will zwar nicht sagen, dass mir das Angst macht, aber ich betrachte das mit Sorge. Alle Gruppierungen, die Minderheiten ausgrenzen wollen, machen mir Sorgen. Es geht los mit den Islamisten, dann kommen die verschleierten Frauen, und irgendwann werden dann auch wieder die Schwulen angefeindet. Es ist schade, dass wir wieder so weit sind.

Unabhängig von der Politik – wie empfinden Sie denn den Umgang mit Ihnen im Alltag?

Lüschow: Wir haben im Alltag noch nie Probleme gehabt. Wir haben vielleicht nach einem öffentlichen Auftritt mal einen bösen Brief bekommen, aber persönlich angepöbelt worden oder Ähnliches sind wir nicht.

Trotzdem fehlt Ihnen noch etwas zur gefühlten Gleichberechtigung?

Lüschow: Ja, aber das ist neben dem Adoptionsrecht vor allem die Öffnung der Ehe. Es ist für mich auch einfach nicht verständlich, warum die Ehe noch so geschützt wird, weil sie ja eigentlich schon identisch ist mit der Partnerschaft. Es ist nur noch der Name, der geschützt wird. Freunde, Familie und Bekannte sagen eh, dass wir ‚verheiratet‘ sind. Aber ich ärgere ich mich trotzdem zutiefst, wenn Behörden oder Politiker von „Ehemännern“ sprechen. Denn juristisch sind wir das nicht, und zwar weil diese Leute das so entschieden haben.

Wenn es dann doch eines Tages so kommen sollte – wären Sie dann wieder die Ersten auf dem Standesamt?

Lüschow: Mein Mann hat gesagt, er müsste nicht wieder zu den Ersten gehören. Aber wir würden auf jeden Fall noch einmal hingehen.