Warum Bundeskanzlerin Angela Merkel bei ihrem Auftritt nicht überzeugt
Kommentar
Warum Angela Merkel bei ihrem Auftritt nicht überzeugt
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Walter Bau
Bundekanzlerin Angela Merkel während ihrer Pressekonferenz am Donnerstagnachmittag in Berlin.
Foto: HANNIBAL HANSCHKE / REUTERS
Merkels Worte zu den Anschlägen kommen spät, die Sätze zu Erdogan sind wachsweich. Es war kein überzeugender Auftritt. Ein Kommentar.
Berlin.
Wer von der Kanzlerin erwartet hatte, sie würde den Menschen im Land in eineinhalb Stunden die Ängste nehmen, die sich nach den Anschlägen der letzten zwei Wochen in ihren Köpfen festgesetzt haben – er erwartete zu viel. Selbst die wohlgesetztesten Worte können nicht die schlimmen Bilder aus München, Ansbach und Würzburg mal eben so vertreiben.
So versuchte es Merkel bei ihrem mit Spannung erwarteten Auftritt in Berlin wieder einmal mit Beschwörungsformeln: „Historische Bewährungsprobe durch den Terror.“ „Wir sind im Krieg gegen den IS.“ „Wir dürfen uns die Art, wie wir leben, nicht kaputt machen lassen.“ Und sie bekräftigte ihren legendären Satz vom vorigen Jahr: „Wir schaffen das!“ Aber reicht das?
Merkel hätte nach München reisen müssen
Die Menschen, die nach den Anschlägen in einem Zug, vor einem Einkaufszentrum und bei einem Konzert jetzt Angst haben, sich in der Öffentlichkeit zu bewegen, wollen keine formelhaft vorgetragenen Sätze, und seien sie noch so wortgewaltig. Sie wollen, dass ihnen jemand das Gefühl gibt, alles werde für ihren Schutz getan, wenn es denn schon die totale Sicherheit nicht gibt. Und sie wollen Empathie. Doch das ist Merkels Sache bekanntlich nicht. „Ich habe das Gefühl, verantwortlich und richtig zu handeln, und keine anderen Gefühle“, sagte Merkel bei ihrer Pressekonferenz.
Es war ein Fehler der Kanzlerin, nicht sofort nach den Bluttaten nach München oder Ansbach zu fahren und dort mit Helfern und Betroffenen zu sprechen. Es wären wichtige Bilder gewesen. Bilder, die zu Botschaften hätten werden können: Hier ist jemand, der sich kümmert; der bei euch ist; der sich dem Terror stellt. Merkels Teilnahme am offiziellen Trauerakt kann dies nicht ersetzen. Und eine späte Pressekonferenz erst recht nicht.
Skandalöse Untertreibung bei Frage zu Erdogans Politik
Auch beim Thema Türkei konnte Merkel nicht gerade überzeugen. Sie habe den Eindruck, so Merkel, dass nach dem gescheiterten Putsch „das Prinzip der Verhältnismäßigkeit vielleicht nicht immer im Zentrum“ des Handelns von Präsident Erdogan und der Regierung in Ankara stehe. Dies ist angesichts von Erdogans gnadenloser „Säuberungspolitik“, die seit Tagen Oppositionelle, Journalisten und Tausende Lehrer und Beamte mit voller Wucht trifft, eine skandalöse Untertreibung. In diesem Punkt hätte man sich eindeutige und gewichtige Worte tatsächlich gewünscht. So bleibt der Eindruck, dass Merkel vor Erdogan kneift.
Hauptstadt Inside von Jörg Quoos, Chefredakteur der FUNKE Zentralredaktion
Hinter den Kulissen der Politik - meinungsstark, exklusiv, relevant.
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