Berlin. Merkels Worte zu den Anschlägen kommen spät, die Sätze zu Erdogan sind wachsweich. Es war kein überzeugender Auftritt. Ein Kommentar.

Wer von der Kanzlerin erwartet hatte, sie würde den Menschen im Land in eineinhalb Stunden die Ängste nehmen, die sich nach den Anschlägen der letzten zwei Wochen in ihren Köpfen festgesetzt haben – er erwartete zu viel. Selbst die wohlgesetztesten Worte können nicht die schlimmen Bilder aus München, Ansbach und Würzburg mal eben so vertreiben.

So versuchte es Merkel bei ihrem mit Spannung erwarteten Auftritt in Berlin wieder einmal mit Beschwörungsformeln: „Historische Bewährungsprobe durch den Terror.“ „Wir sind im Krieg gegen den IS.“ „Wir dürfen uns die Art, wie wir leben, nicht kaputt machen lassen.“ Und sie bekräftigte ihren legendären Satz vom vorigen Jahr: „Wir schaffen das!“ Aber reicht das?

Merkel hätte nach München reisen müssen

Die Menschen, die nach den Anschlägen in einem Zug, vor einem Einkaufszentrum und bei einem Konzert jetzt Angst haben, sich in der Öffentlichkeit zu bewegen, wollen keine formelhaft vorgetragenen Sätze, und seien sie noch so wortgewaltig. Sie wollen, dass ihnen jemand das Gefühl gibt, alles werde für ihren Schutz getan, wenn es denn schon die totale Sicherheit nicht gibt. Und sie wollen Empathie. Doch das ist Merkels Sache bekanntlich nicht. „Ich habe das Gefühl, verantwortlich und richtig zu handeln, und keine anderen Gefühle“, sagte Merkel bei ihrer Pressekonferenz.

Merkels Pressekonferenz – die Zitate

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat sich in ihrer Jahrespressekonferenz am Donnerstag rund 100 Minuten lang den Fragen der Journalisten gestellt. Zuerst aber gab die Regierungschefin ein Statement ab. Die besten Zitate:
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat sich in ihrer Jahrespressekonferenz am Donnerstag rund 100 Minuten lang den Fragen der Journalisten gestellt. Zuerst aber gab die Regierungschefin ein Statement ab. Die besten Zitate: © dpa | Wolfgang Kumm
Zum Thema Flüchtlingskrise: „Ich bin heute wie damals davon überzeugt, dass wir es schaffen, unserer historischen Aufgabe – und dies ist eine historische Bewährungsaufgabe in Zeiten der Globalisierung – gerecht zu werden. Wir schaffen das. Und wir haben im Übrigen in den letzten elf Monaten sehr, sehr viel bereits geschafft.“
Zum Thema Flüchtlingskrise: „Ich bin heute wie damals davon überzeugt, dass wir es schaffen, unserer historischen Aufgabe – und dies ist eine historische Bewährungsaufgabe in Zeiten der Globalisierung – gerecht zu werden. Wir schaffen das. Und wir haben im Übrigen in den letzten elf Monaten sehr, sehr viel bereits geschafft.“ © REUTERS | HANNIBAL HANSCHKE
Zu den Anschlägen in Würzburg und Ansbach: „Dass zwei Männer, die als Flüchtlinge zu uns gekommen waren, für die Taten von Würzburg und Ansbach verantwortlich sind, verhöhnt das Land, das sie aufgenommen hat. (...) Es verhöhnt die Helfer, die Ehrenamtlichen, die sich so sehr um die Flüchtlinge gekümmert haben. Und es verhöhnt die vielen anderen Flüchtlinge, die wirklich Hilfe vor Gewalt und Krieg bei uns suchen, die friedlich leben wollen, in einer für sie auch fremden Welt, nachdem sie woanders alles verloren haben.“
Zu den Anschlägen in Würzburg und Ansbach: „Dass zwei Männer, die als Flüchtlinge zu uns gekommen waren, für die Taten von Würzburg und Ansbach verantwortlich sind, verhöhnt das Land, das sie aufgenommen hat. (...) Es verhöhnt die Helfer, die Ehrenamtlichen, die sich so sehr um die Flüchtlinge gekümmert haben. Und es verhöhnt die vielen anderen Flüchtlinge, die wirklich Hilfe vor Gewalt und Krieg bei uns suchen, die friedlich leben wollen, in einer für sie auch fremden Welt, nachdem sie woanders alles verloren haben.“ © dpa | Wolfgang Kumm
Zur Stimmung in Deutschland: „Schlimm ist die allgemeine Verunsicherung. Die Sorge, wenn ich jemanden sehe: Was steckt dahinter, kann ich das erkennen? Deshalb muss der Staat seiner Aufgabe gerecht werden, das weitestgehende Vertrauen wieder herzustellen. Und daran arbeiten wir.“
Zur Stimmung in Deutschland: „Schlimm ist die allgemeine Verunsicherung. Die Sorge, wenn ich jemanden sehe: Was steckt dahinter, kann ich das erkennen? Deshalb muss der Staat seiner Aufgabe gerecht werden, das weitestgehende Vertrauen wieder herzustellen. Und daran arbeiten wir.“ © REUTERS | HANNIBAL HANSCHKE
„Meine tiefe Überzeugung ist: Wir dürfen und wir brauchen uns auch die Art, wie wir leben, (...) nicht kaputt machen lassen.“ Und: „Ich bin der Auffassung, dass Angst nicht der Ratgeber für politisches Handeln sein sollte.“
„Meine tiefe Überzeugung ist: Wir dürfen und wir brauchen uns auch die Art, wie wir leben, (...) nicht kaputt machen lassen.“ Und: „Ich bin der Auffassung, dass Angst nicht der Ratgeber für politisches Handeln sein sollte.“ © REUTERS | HANNIBAL HANSCHKE
Zum Terror in Deutschland und Frankreich: „Es werden zivilisatorische Tabus gebrochen. Die Taten geschehen an Orten, wo jeder von uns sein könnte.“
Zum Terror in Deutschland und Frankreich: „Es werden zivilisatorische Tabus gebrochen. Die Taten geschehen an Orten, wo jeder von uns sein könnte.“ © REUTERS | HANNIBAL HANSCHKE
Zum Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat: „Ich glaube, dass wir uns in einem Kampf, meinetwegen auch in einem Krieg mit dem IS befinden. Wir befinden uns in keinem Krieg gegen den Islam – wir bekämpfen den Terrorismus.“
Zum Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat: „Ich glaube, dass wir uns in einem Kampf, meinetwegen auch in einem Krieg mit dem IS befinden. Wir befinden uns in keinem Krieg gegen den Islam – wir bekämpfen den Terrorismus.“ © dpa | Kay Nietfeld
Zur Frage, ob die derzeitige Situation die bisher schwierigste für die Kanzlerin ist: „Es ist eine schwierige (Zeit), aber wir hatten auch andere schwierige. Jede schwierige Situation hat ihre Spezifik. Das ganze letzte Jahr war nicht gerade einfach. (...) Jetzt haben wir etwas, was sehr an den Kern der Gesellschaft geht. (…) Insofern ist es eine Kernauseinandersetzung, bei der ich aber auch viele Verbündete habe.“
Zur Frage, ob die derzeitige Situation die bisher schwierigste für die Kanzlerin ist: „Es ist eine schwierige (Zeit), aber wir hatten auch andere schwierige. Jede schwierige Situation hat ihre Spezifik. Das ganze letzte Jahr war nicht gerade einfach. (...) Jetzt haben wir etwas, was sehr an den Kern der Gesellschaft geht. (…) Insofern ist es eine Kernauseinandersetzung, bei der ich aber auch viele Verbündete habe.“ © dpa | Wolfgang Kumm
Auf die Frage nach persönlichen Schuldgefühlen wegen der erhöhten Terrorgefahr in Deutschland: „Ich habe das Gefühl, verantwortlich und richtig zu handeln, und keine anderen Gefühle.“
Auf die Frage nach persönlichen Schuldgefühlen wegen der erhöhten Terrorgefahr in Deutschland: „Ich habe das Gefühl, verantwortlich und richtig zu handeln, und keine anderen Gefühle.“ © dpa | Wolfgang Kumm
Auf die Frage nach fremdenfeindlichen Tendenzen in Deutschland: „Wir müssen sehr darauf achten, dass Dinge nicht gesellschaftsfähig werden, die nicht gesellschaftsfähig sein dürfen.“
Auf die Frage nach fremdenfeindlichen Tendenzen in Deutschland: „Wir müssen sehr darauf achten, dass Dinge nicht gesellschaftsfähig werden, die nicht gesellschaftsfähig sein dürfen.“ © REUTERS | HANNIBAL HANSCHKE
Zum Erstarken der AfD: „Natürlich haben die Entscheidungen, die wir getroffen haben, auch im Blick auf die Frage unser humanitären Verantwortung, Gegenreaktionen hervorgerufen, und Menschen, die das nicht mittragen. Deshalb werden wir durch Taten alles daran setzen, Menschen, die heute sich vielleicht nicht ausreichend verstanden fühlen, wieder zurückzugewinnen in die Wählerschaft der Parteien, die zum Beispiel heute im Deutschen Bundestag vertreten sind.“
Zum Erstarken der AfD: „Natürlich haben die Entscheidungen, die wir getroffen haben, auch im Blick auf die Frage unser humanitären Verantwortung, Gegenreaktionen hervorgerufen, und Menschen, die das nicht mittragen. Deshalb werden wir durch Taten alles daran setzen, Menschen, die heute sich vielleicht nicht ausreichend verstanden fühlen, wieder zurückzugewinnen in die Wählerschaft der Parteien, die zum Beispiel heute im Deutschen Bundestag vertreten sind.“ © REUTERS | HANNIBAL HANSCHKE
Zur Frage nach den Entwicklungen in der Türkei nach dem gescheiterten Militärputsch: „Die Sorge besteht darin, dass sehr hart vorgegangen wird, und dieses Prinzip der Verhältnismäßigkeit nicht immer im Zentrum steht.“
Zur Frage nach den Entwicklungen in der Türkei nach dem gescheiterten Militärputsch: „Die Sorge besteht darin, dass sehr hart vorgegangen wird, und dieses Prinzip der Verhältnismäßigkeit nicht immer im Zentrum steht.“ © REUTERS | HANNIBAL HANSCHKE
Zu den Verhandlungen über das Freihandelsabkommen TTIP: „Ich halte dieses Abkommen für absolut richtig und wichtig und im absoluten europäischen Interesse“
Zu den Verhandlungen über das Freihandelsabkommen TTIP: „Ich halte dieses Abkommen für absolut richtig und wichtig und im absoluten europäischen Interesse“ © dpa | Kay Nietfeld
Zum Irak-Krieg: „Ich unterstütze nie einen Krieg. Ich habe auch den Irak-Krieg nicht unterstützt.“
Zum Irak-Krieg: „Ich unterstütze nie einen Krieg. Ich habe auch den Irak-Krieg nicht unterstützt.“ © dpa | Wolfgang Kumm
Zur Frage einer erneuten Kanzlerkandidatur 2017: „Was die Frage der Kanzlerkandidatur anbelangt, kann ich Ihnen das sagen, was ich sehr häufig schon gesagt hab’: Dass ich das zum geeigneten Zeitpunkt sagen werde – heute ist dieser Zeitpunkt nicht.“
Zur Frage einer erneuten Kanzlerkandidatur 2017: „Was die Frage der Kanzlerkandidatur anbelangt, kann ich Ihnen das sagen, was ich sehr häufig schon gesagt hab’: Dass ich das zum geeigneten Zeitpunkt sagen werde – heute ist dieser Zeitpunkt nicht.“ © REUTERS | HANNIBAL HANSCHKE
Zu Aussagen des Präsidentschaftskandidaten der US-Republikaner, Donald Trump: „Ich mische mich in den inneramerikanischen Wahlkampf nicht ein. Ich verfolge das mit Interesse. Und dann werden wir den Ausgang der Wahlen abwarten.“
Zu Aussagen des Präsidentschaftskandidaten der US-Republikaner, Donald Trump: „Ich mische mich in den inneramerikanischen Wahlkampf nicht ein. Ich verfolge das mit Interesse. Und dann werden wir den Ausgang der Wahlen abwarten.“ © REUTERS | HANNIBAL HANSCHKE
Zur Frage nach der Belastung für die Kanzlerin: „Abends gehe ich schon manchmal ganz gern ins Bett und schlafe. Erschöpfung würde ich nicht sagen. Aber ich bin nicht unterausgelastet.“
Zur Frage nach der Belastung für die Kanzlerin: „Abends gehe ich schon manchmal ganz gern ins Bett und schlafe. Erschöpfung würde ich nicht sagen. Aber ich bin nicht unterausgelastet.“ © REUTERS | HANNIBAL HANSCHKE
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Es war ein Fehler der Kanzlerin, nicht sofort nach den Bluttaten nach München oder Ansbach zu fahren und dort mit Helfern und Betroffenen zu sprechen. Es wären wichtige Bilder gewesen. Bilder, die zu Botschaften hätten werden können: Hier ist jemand, der sich kümmert; der bei euch ist; der sich dem Terror stellt. Merkels Teilnahme am offiziellen Trauerakt kann dies nicht ersetzen. Und eine späte Pressekonferenz erst recht nicht.

Skandalöse Untertreibung bei Frage zu Erdogans Politik

Auch beim Thema Türkei konnte Merkel nicht gerade überzeugen. Sie habe den Eindruck, so Merkel, dass nach dem gescheiterten Putsch „das Prinzip der Verhältnismäßigkeit vielleicht nicht immer im Zentrum“ des Handelns von Präsident Erdogan und der Regierung in Ankara stehe. Dies ist angesichts von Erdogans gnadenloser „Säuberungspolitik“, die seit Tagen Oppositionelle, Journalisten und Tausende Lehrer und Beamte mit voller Wucht trifft, eine skandalöse Untertreibung. In diesem Punkt hätte man sich eindeutige und gewichtige Worte tatsächlich gewünscht. So bleibt der Eindruck, dass Merkel vor Erdogan kneift.