Berlin. Bei dem Amoklauf in München herrschte Hochbetrieb in den sozialen Netzwerken. Manches war hilfreich, anderes hatte fatale Folgen.

„Kommt heute um 16 Uhr Meggi am OEZ. Ich spendiere euch was wenn ihr wollt aber nicht zu teuer.“ Diese Meldung wurde am Freitag per Facebook-Posting im Netz verbreitet. Die Ermittler gehen inzwischen davon aus: Mit der Nachricht, verschickt offenbar über einen gehackten Facebook-Account, wollte der 18-jährige Todesschütze von München neugierige Menschen zu der McDonalds’s-Filiale („Meggi“) am Münchner Olympia-Einkaufszentrum („OEZ“) locken – offensichtlich um dort so viele potenzielle Opfer wie möglich vorzufinden.

Inzwischen wurde das Posting durch Facebook gelöscht. Gleichwohl wirft dieser Vorgang ein Schlaglicht auf die schillernde Rolle, die die sozialen Medien während des dramatischen Freitagabends von München spielten.

Polizei und Verkehrsunternehmen ständig online

Der Amoklauf des 18-jährigen Schülers ist der erste Fall dieser Art in Deutschland, bei dem Facebook und Twitter so gezielt von unterschiedlichsten Akteuren für ihre jeweiligen Zwecke genutzt wurden. Unsicherheit, Angst, eine nicht greifbare Bedrohung – solche Lagen verlangen nach möglichst sachlicher Aufklärung und nach spontaner Hilfsbereitschaft. Sie bilden aber auch das ideale Umfeld für die gezielte Verbreitung von Panik durch Falschmeldungen. Beides lieferten die sozialen Medien während der Nacht von München.

So ausgiebig wie kaum einmal zuvor nutzten die Behörden vor allem den Kurznachrichtendienst Twitter. Die Polizei twitterte mit einer ganzen Serie von Meldungen nicht nur Infos über den Stand der Ermittlungen, sondern brachte auch Warnungen und Verhaltensmaßregeln („Meiden Sie öffentliche Plätze!“) für die Bürger unters Volk. Gleichzeitig forderte die Polizei Augenzeugen auf, ihnen Handy-Fotos und -Videos vom Tatort zuzuschicken.

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Bundesinnenminister Thomas de Maizière sagte zur Gefahr von zu viel Berichterstattung in sozialen Medien: „Wenn Polizisten in Uniform und mit Waffen oder zivile Angehörige der Polizei mit Langwaffen durch die Straßen laufen – und daraus werden in sozialen Netzwerken dann Täter gemacht – dann muss das die Polizei und uns veranlassen darüber nachzudenken, was das für unsere Öffentlichkeitsarbeit heißt.“ Früher habe es Informationssperren der Polizei gegeben, doch könne die Polizei dies in Zeiten sozialer Netzwerke nicht mehr durchsetzen.

Die Münchner Verkehrsgesellschaft versorgte per Facebook ihre Kunden mit Informationen über die Verkehrslage, als stundenlang der gesamte öffentliche Nahverkehr in der Stadt stillstand.

Zudem twitterten etliche Münchner den Hashtag #OffeneTür, um Menschen Unterkunft für die Nacht zu gewähren. Facebook selbst aktivierte seinen „Safety Check“. Über diesen Service können Menschen vor Ort Angehörigen und Freunden signalisieren: „Ich bin in Sicherheit.“

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Gefälschte Fotos vom „Tatort“

Die sozialen Netzwerke als wichtige Werkzeuge in einer extremen Notlage. Aber es geht auch ganz anders.

Kaum war die Meldung vom Amoklauf in den Medien, tauchten vor allem bei Twitter gefälschte Fotos auf – Blutspuren am angeblichen Tatort ebenso wie Bilder vom vermeintlich „identifizierten Täter“. Ob die Absender gezielt Fehlinformationen streuen wollten, ober ob es dabei um platte Wichtigtuerei ging, wissen wohl nur die Autoren. Für zusätzliche Verwirrung in der Münchner Chaos-Nacht sorgte die Verbreitung nicht gesicherter Informationen, etwa über einen weiteren Tatort in der Innenstadt. Das sei „alles nicht gerade hilfreich“ gewesen, hieß es bei der Polizei.

Der Amoklauf in München im Juli 2016

In München (Bayern) war die Polizei am 22. Juli 2016 mit einem Großaufgebot im Einsatz. Der 18-Jähriger David S. tötete neun Menschen und richtete später sich selbst.
In München (Bayern) war die Polizei am 22. Juli 2016 mit einem Großaufgebot im Einsatz. Der 18-Jähriger David S. tötete neun Menschen und richtete später sich selbst. © dpa | Matthias Balk
Die ersten Schüsse fielen am frühen Abend in einem Schnellrestaurant.
Die ersten Schüsse fielen am frühen Abend in einem Schnellrestaurant. © REUTERS | © Michael Dalder / Reuters
Anschließend schoss der Täter in dem Olympia-Einkaufszentrum aus seiner Pistole und ergriff die Flucht.
Anschließend schoss der Täter in dem Olympia-Einkaufszentrum aus seiner Pistole und ergriff die Flucht. © Getty Images | Joerg Koch
Seine Leiche wurde später etwa einen Kilometer vom Einkaufszentrum entfernt in einer Nebenstraße gefunden. Dort wurde auch eine Pistole sichergestellt. Der Täter David S. war Deutsch-Iraner und wurde in der bayerischen Landeshauptstadt geboren.
Seine Leiche wurde später etwa einen Kilometer vom Einkaufszentrum entfernt in einer Nebenstraße gefunden. Dort wurde auch eine Pistole sichergestellt. Der Täter David S. war Deutsch-Iraner und wurde in der bayerischen Landeshauptstadt geboren. © dpa | Felix Hörhager
Zwischenzeitlich hieß es, die Polizei fahnde nach drei Personen mit Schusswaffen.
Zwischenzeitlich hieß es, die Polizei fahnde nach drei Personen mit Schusswaffen. © dpa | Felix Hörhager
Die Polizei evakuierte das Einkaufszentrum.
Die Polizei evakuierte das Einkaufszentrum. © Getty Images | Joerg Koch
Sie hatte es mit einer unübersichtlichen Lage zu tun.
Sie hatte es mit einer unübersichtlichen Lage zu tun. © dpa | Felix Hörhager
Aus der ganzen Stadt wurden Einsatzkräfte herbeigerufen.
Aus der ganzen Stadt wurden Einsatzkräfte herbeigerufen. © DrMorbid/Twitter | DrMorbid/Twitter
Der Öffentliche Nahverkehr wurde am Abend komplett eingestellt.
Der Öffentliche Nahverkehr wurde am Abend komplett eingestellt. © dpa | Lukas Schulze
Im Umfeld des Einkaufszentrums reihten sich Polizei- und Feuerwehrwagen aneinander.
Im Umfeld des Einkaufszentrums reihten sich Polizei- und Feuerwehrwagen aneinander. © dpa | Matthias Balk
Auf dem Smartphone-Warnsystem Katwarn war München lila markiert. Die Landeshauptstadt hatte den „Sonderfall“ wegen einer „Amoklage“ ausgerufen.
Auf dem Smartphone-Warnsystem Katwarn war München lila markiert. Die Landeshauptstadt hatte den „Sonderfall“ wegen einer „Amoklage“ ausgerufen. © dpa | Stephan Jansen
Die Bürger wurden aufgefordert, ihre Wohnungen nicht zu verlassen. „Zu Ihrer Sicherheit Plätze & Straßen meiden; Täter flüchtig; Bahn & Busverkehr eingestellt; Radio und Fernseher einschalten“, hieß es in der Mitteilung des behördlichen Warnsystems.
Die Bürger wurden aufgefordert, ihre Wohnungen nicht zu verlassen. „Zu Ihrer Sicherheit Plätze & Straßen meiden; Täter flüchtig; Bahn & Busverkehr eingestellt; Radio und Fernseher einschalten“, hieß es in der Mitteilung des behördlichen Warnsystems. © dpa | Stephan Jansen
Über Twitter verbreiteten Zeugen Bilder. Hier eines vom Beginn des Einsatzes.
Über Twitter verbreiteten Zeugen Bilder. Hier eines vom Beginn des Einsatzes. © Timm Kraeft | Timm Kraeft
Auch der Münchener Hauptbahnhof wurde von der Polizei bewacht.
Auch der Münchener Hauptbahnhof wurde von der Polizei bewacht. © dpa | Andreas Gebert
Züge fuhren den Bahnhof am Abend nicht mehr an.
Züge fuhren den Bahnhof am Abend nicht mehr an. © dpa | Andreas Gebert
In der Nacht durchsuchten Ermittler die Wohnung des Amokläufers in der Münchner Maxvorstadt. Er wohnte noch bei seinen Eltern.
In der Nacht durchsuchten Ermittler die Wohnung des Amokläufers in der Münchner Maxvorstadt. Er wohnte noch bei seinen Eltern. © REUTERS | MICHAEL DALDER
Das mehrstöckige Wohnhaus wurde weiträumig abgesperrt, Ermittler trugen Kartons aus dem Haus.
Das mehrstöckige Wohnhaus wurde weiträumig abgesperrt, Ermittler trugen Kartons aus dem Haus. © REUTERS | MICHAEL DALDER
Die Menschen trauerten um die neun Todesopfer und hatten Blumen nahe des Einkaufszentrums niedergelegt.
Die Menschen trauerten um die neun Todesopfer und hatten Blumen nahe des Einkaufszentrums niedergelegt. © REUTERS | © Michael Dalder / Reuters
Der Verkäufer der Waffe für den Amoklauf hat am 28. August 2017 gestanden und sich bei den Angehörigen der Opfer entschuldigt. Er habe alle Waffenkäufe über das Darknet angebahnt, aber alle Käufer auch persönlich getroffen, um sich einen Eindruck von ihnen zu verschaffen. Hätte er einen Hinweis gehabt, dass David S. „eine so grauenvolle Tat begehen würde“, hätte er ihm die Waffe niemals verkauft.
Der Verkäufer der Waffe für den Amoklauf hat am 28. August 2017 gestanden und sich bei den Angehörigen der Opfer entschuldigt. Er habe alle Waffenkäufe über das Darknet angebahnt, aber alle Käufer auch persönlich getroffen, um sich einen Eindruck von ihnen zu verschaffen. Hätte er einen Hinweis gehabt, dass David S. „eine so grauenvolle Tat begehen würde“, hätte er ihm die Waffe niemals verkauft. © dpa | Sven Hoppe
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