Berlin. Manche Opfer werden oft jahrelang von Stalkern terrorisiert. Sich rechtlich zu wehren ist aber schwer. Das soll sich jetzt ändern.

Tausende Deutsche werde jährlich gestalkt – aber nur die wenigsten Täter werden zur Rechenschaft gezogen. Dafür sind die rechtlichen Hürden in Deutschland einfach zu hoch. Nun sollen Betroffene einen besseren Schutz bekommen. Am Mittwoch will das Bundeskabinett über einen Gesetzesentwurf entscheiden.

Was ist Stalking?

Stalking bedeutet im Englischen „anpirschen“ und bezeichnet das unerlaubte Nachstellen eines Menschen. Ein Stalker verfolgt, belästigt oder bedroht sein Opfer, etwa durch Briefe, Anrufe, beharrliches Auflauern oder Nachspionieren. Gesetzlich gilt es aber nur als Nachstellung, wenn die Taten des Stalkers die „Lebensgestaltung (des Opfers) schwerwiegend beeinträchtigt“, etwa, wenn der oder die Betroffene deswegen umziehen oder den Arbeitsplatz wechseln muss. In Deutschland ist Stalking seit 2007 strafbar.

Wer sind die Opfer und Täter?

Stalking rückt meist nur durch prominente Beispiele ins Rampenlicht – Steffi Graf, John Lennon, Madonna. Doch etwa 12 Prozent aller Menschen in Deutschland werden mindestens einmal im Leben gestalkt, heißt es von der Polizei unter Berufung auf eine Studie des Mannheimer Zentralinstituts für seelische Gesundheit. Dem Weißen Ring zufolge sind etwa 80 Prozent der Betroffenen Frauen, etwa 80 Prozent der Täter sind Männer. In rund der Hälfte aller Fälle hätten Opfer und Stalker vorher eine Beziehung gehabt. Im vergangenen Jahr wurden 19.704 Fälle in der polizeilichen Kriminalstatistik verzeichnet, die Dunkelziffer liegt nach Überzeugung von Beratungsstellen und Verbänden aber weit höher.

Warum ist das derzeitige Gesetz problematisch?

Betroffene und Verbände kritisieren seit Jahren, dass die Strafbarkeit nicht von den Taten des Stalkers oder gar von der Beeinträchtigung des Opfers abhängt, sondern davon, wie das Opfer reagiert. Meist wird nur ein Umzug oder ein Jobwechsel als Beweis einer „schwerwiegenden Beeinträchtigung“ anerkannt. „Diese Schwelle der Strafbarkeit wird nur selten überschritten“, erklärt Wolf Ortiz-Müller, Leiter der Beratungsstelle Stop Stalking für Opfer und Täter in Berlin. Nur ein bis zwei Prozent aller Strafanzeigen führen demnach zur Verurteilung des Täters.

Was sieht der neue Gesetzentwurf vor?

Der Entwurf sieht vor, dass Nachstellungen nicht länger schwerwiegende Beeinträchtigungen des Lebens verursacht haben müssen. „Stalking soll künftig auch dann strafbar sein, wenn das Opfer dem Druck nicht nachgibt und sein Leben nicht ändert“, sagt Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD). Drei Jahre Haft drohen demnach, wenn jemand einer anderen Person in dieser Weise unbefugt und beharrlich nachstellt. Eine weitere Änderung: Bislang werden Verfahren oft eingestellt, Opfer müssen dann selbst als Ankläger vor Gericht, wenn sie die Tat weiter verfolgen wollen. Künftig soll das anders sein. „Die Staatsanwaltschaft muss dann alle diese Verfahren führen und zu einem Ergebnis bringen“, so Maas.

Was halten Opfer, Verbände und Beratungsstellen von dem Entwurf?

Ortiz-Müller von Stop Stalking befürwortet jegliche Gesetzesänderung zugunsten der Betroffenen. Er befürchtet aber, dass die Formulierungen im neuen Entwurf zu vage sind. Ob der neue Entwurf tatsächlich in der Praxis Opfern mehr Schutz bietet, müsse sich also noch zeigen. Seiner Ansicht nach sollten vor allem Beratungseinrichtungen für Opfer und Täter ausgebaut werden. Es müssten Wege geschaffen werden, „wie man frühzeitig nach einer Anzeige die Stalking-Beschuldigten in einen Beratungsprozess einbindet“. Der Weiße Ring fordert außerdem Anspruch auf Entschädigung für Opfer, die unter den psychologischen Folgen von Stalking leiden. (dpa)