Berlin/Köln. Der Bundestag entscheidet am Donnerstag über ein verschärftes Sexualstrafrecht. Sexuelle Gewalt soll leichter geahndet werden können.

Justizminister Heiko Maas (SPD) sieht die im Bundestag anstehende Verabschiedung des neuen Sexualstrafrechts als „wesentlichen Schritt“ zum Schutz von Frauen in Deutschland. Sie würden „in Zukunft besser vor sexualisierter Gewalt geschützt“, sagte er in Berlin. Die Reform sei dringend notwendig, „um eklatante Schutzlücken zu schließen“.

Wenn etwa „die schutzlose Lage für sexuelle Übergriffe ausgenutzt wird, können die Täter dafür in Zukunft konsequent bestraft werden“, fügte der Minister hinzu. Denn: „Wenn Täter nicht bestraft werden können, bedeutet das für die Opfer eine zweite bittere Demütigung.“

Der Bundestag entscheidet am Donnerstag ab 10.45 Uhr über ein deutlich verschärftes Sexualstrafrecht. Eine Mehrheit für den Grundsatz „Nein heißt Nein“ gilt als sicher. Damit macht sich künftig nicht nur strafbar, wer Sex mit Gewalt oder Gewaltandrohung erzwingt – es soll ausreichen, wenn sich der Täter über den „erkennbaren Willen“ des Opfers hinwegsetzt.

Künast: „Nein heißt Nein“-Prinzip ist Selbstverständlichkeit

Das „Nein heißt Nein“-Prinzip sei „eine rechtliche und gesellschaftliche Selbstverständlichkeit“, sagte die Vorsitzende des Bundestags-Rechtsausschusses, Renate Künast. „Wir Grüne haben gemeinsam mit den Frauenverbänden jahrzehntelang dafür gekämpft, das diese Selbstverständlichkeit eine Entsprechung im Sexualstrafrecht findet.“

Im Gesetz wird außerdem der Straftatbestand sexueller Angriffe aus einer Gruppe heraus ergänzt. Maas hatte seinen Entwurf im März dem Kabinett vorgelegt, ehe es vom Parlament und der Länderkammer nochmal deutlich nachgebessert wurde. Der neu gefasste Paragraf 177 des Strafgesetzbuchs soll auch Folgen für Bestimmungen im Aufenthaltsgesetz haben. Demnach kann eine Verurteilung zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe schneller zu einer Ausweisung führen.

Erster Kölner Prozess wegen Übergriffen in Silvesternacht

Dieser Passus im neuen Sexualstrafrecht geht auf die massenhaften Übergriffe in der Silvesternacht zurück. Am Donnerstag müssen sich in Köln – zufälligerweise praktisch zeitgleich mit der Gesetzesreform – zwei Männer wegen des Verdachts sexueller Nötigung vor Gericht verantworten.

Zwar hatte es in Köln bereits im Mai eine Anklage wegen eines Sexualdelikt aus der Nacht gegeben. Damals ging es aber um eine versuchte sexuelle Nötigung – und der Angeklagte wurde freigesprochen, weil ihn das Opfer in der Verhandlung nicht wiedererkannte. In dem neuen Verfahren müssen sich nach Angaben des Kölner Amtsgerichts ein Algerier und ein Iraker verantworten.

Mehr als 1100 Anzeigen waren wegen der Silvester-Ereignisse bei der Kölner Staatsanwaltschaft eingegangen, etwa 500 davon wegen Sexualstraftaten. Bislang gab es Urteile gegen 14 Angeklagte, von denen zehn noch nicht rechtskräftig sind. Diese Rechtssprüche ergingen unter anderem wegen Diebstahls – noch keiner wegen eines Sexualdelikts.

Sexualstrafrechtlerin: Geplante Gruppenstrafe verfassungswidrig

Nach Auffassung der Sexualstrafrechtsprofessorin Monika Frommel ist eine der neuen Regelungen im Sexualstrafrecht „offenkundig verfassungswidrig“. So sollten im Fall einer Vergewaltigung bei sogenannten Gruppenstraftaten auch jene bestraft werden können, die zwar Teil der Gruppe, jedoch an der Tat nicht beteiligt gewesen seien, sagte die emeritierte Direktorin des Kieler Universitätsinstituts für Sanktionsrecht und Kriminologie dem Deutschlandradio Kultur. Das neue Sexualstrafrecht wird nach ihrer Auffassung auch kaum zu einer Verbesserung der Verhältnisse führen. Bereits seit der Reform des Vergewaltigungsparagrafen 1997 sei die Zahl der Sexualstraftaten fast um die Hälfte zurückgegangen. (dpa)