Berlin. Die Mindestlohn-Kommission plädiert für eine Erhöhung der Lohnuntergrenze, die Regierung will dem folgen. Was bedeutet die Regelung?

Am Ende lief es wie bei Tarifverhandlungen: Hinter verschlossenen Türen rangen Arbeitgeber und Gewerkschaften der Mindestlohn-Kommission um jeden Cent, getrieben von den höchst unterschiedlichen Erwartungen ihrer Organisationen. Doch nach der Einigung gaben sich beide Seiten einigermaßen zufrieden: Mit der Erhöhung des Mindestlohns um 34 Cent auf 8,84 Euro im kommenden Jahr sei „das Glas etwas voller als halbleer“, lobte DGB-Vorstand Stefan Körzell. Auch Reinhard Göhner, Hauptgeschäftsführer der Arbeitgeberverbände, signalisierte, dass er keineswegs enttäuscht sei. Für ihn stimmt die große Linie: Selbst 2020 werde der Mindestlohn noch nicht bei zehn Euro liegen, freute sich Göhner.

Richtig gute Laune hatte indes Arbeitsministerin Andrea Nahles, die den Kommissionsbericht von Göhner, Körzell und deren Kollegen samt Empfehlungen am Dienstagnachmittag in ihrem Ministerium entgegennahm. Um den Kommissionsbeschluss zum 1. Januar 2017 verbindlich werden zu lassen, werde nun die Regierung eine Rechtsverordnung vorlegen, kündigte die SPD-Politikerin an. „Der Mindestlohn wirkt und er funktioniert“, sagte Nahles.

Unabhängige Kommission

Für sie läuft es nach Plan: Der Mindestlohn war zum Start politisch festgelegt worden – die weitere Entwicklung sollen „in guter Tradition“ die Sozialpartner aushandeln. Je drei Gewerkschafter und Arbeitgebervertreter sitzen in der Kommission, dazu zwei beratende Wissenschaftler und als Vorsitzender der frühere RWE-Arbeitsdirektor Jan Zilius. Die Empfehlung der Kommission liegt etwas höher als zuletzt erwartet, aber doch im schmalen Korridor, den der Gesetzgeber festgeschrieben hatte: Danach soll sich die Empfehlung an der vorangegangenen Steigerung des durchschnittlichen tariflichen Stundenlohns orientieren. Die Abschlüsse, die seit 2015 wirksam wurden, machen ein Plus von 3,2 Prozent aus, der Mindestlohn wäre auf 8,77 Euro gestiegen.

Doch nützte die Kommission ihren Spielraum und arbeitete auch eine aktuell noch nicht wirksame Tariferhöhung im öffentlichen Dienst ein. So hatten es die Gewerkschaften gefordert – ihr Verlangen, auch die jüngste, noch nicht wirksame Metall-Tarifrunde einzurechnen, blieb aber unberücksichtigt; sie wird nun erst bei der nächsten Erhöhung in zwei Jahren berücksichtigt. Ein klassischer Tarifkompromiss also.

Steigerung hätte höher sein können

Theoretisch hätte die Kommission auch die Möglichkeit gehabt, in der Gesamtabwägung Fragen von Wettbewerbsfähigkeit oder Beschäftigungswirkung zu berücksichtigen. Davon nahmen die Sozialpartner Abstand. Denn ihnen fehlen schlicht noch die Fakten: Die Auswirkungen des Mindestlohns auf die Wettbewerbsbedingungen und die Situation von Unternehmen könnten noch nicht bewertet werden, heißt es ihrem einstimmig gefassten Beschluss. Die derzeitigen Erkenntnisse stünden einer Erhöhung aber nicht entgegen, auch wegen der guten Konjunktur.

Das sahen nicht alle Mitglieder der Kommission so: Clemens Fuest, Präsident des Wirtschaftsforschungsinstituts ifo, warnte, der höhere Mindestlohn werde die Integration der Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt gefährden. Es wäre besser, den Mindestlohn vorerst nicht erhöhen, erklärte Fuest. So hatte es auch der Chef der Wirtschaftsweisen, Christoph Schmidt verlangt.

Auf der anderen Seite verlangte etwa die Dienstleistungsgewerkschaft verdi einen Mindestlohn von mindestens neun und später zehn Euro. Auch aus der SPD-Linken und von der Opposition kamen solche Forderungen. Doch durchsetzen konnten sie nichts. „Nicht die Politik, sondern Gewerkschaften und Arbeitgeber legen die Höhe der Löhne fest,“ lobte Unions-Sozialexperte Karl Schiewerling.