Paris. Ein 25-Jähriger hat nahe Paris einen Polizisten und dessen Frau umgebracht. Die Polizei untersucht nun, ob es ein Terror-Netzwerk gab.

Mitten während der Fußball-EM hat ein junger Franzose bei Paris einen leitenden Polizeioffizier und dessen Frau ermordet – und die Tat live bei Facebook gezeigt.

Die Pariser Staatsanwaltschaft hat bestätigt, dass sich der 25-jährige Larossi Abballa in einem Video als Anhänger des IS in Szene gesetzt hat. Tatsächlich filmte er seine Geiselnahme mit, loggte sich gegen 21 Uhr bei Facebook ein und stellte die von ihm kommentierten Aufnahmen 13 Minuten lang live ins Internet. Sein Facebook-Konto wurde sofort gesperrt – nicht nur, aber auch weil Abballa in dem Video zu der Ermordung von Ordnungshütern im Allgemeinen sowie Rappern, Politikern und namentlich genannter Journalisten und Gefängniswärter auffordert. Auch soll er verkündet haben, dass die Europameisterschaft „ein Friedhof“ werden würde, wie „Spiegel Online“ schreibt.

Von der Staatsanwaltschaft war zudem zu hören, dass Abballa im Vorfeld der Tat mehrere radikale Beiträge über den Kurznachrichtendienst Twitter verbreitet habe. Diese Beiträge stehen laut der Behörde im Zusammenhang mit der Tat.

Sohn des Polizisten wurde verschont

Am Montagabend gegen 20.15 Uhr passte Abballa den von der Arbeit heimkehrenden Leiter eines Polizeikommissariats vor seinem Wohnhaus im Pariser Vorort Magnanville ab und griff ihn auf offener Straße mit einem Messer an. Während der den 42-jährigen Beamten niederstach, rief Abballa laut Augenzeugen mehrmals laut „Allah akbar“ (Gott ist groß).

Nach dieser Bluttat brachte der junge Franzose nordafrikanischer Herkunft die 36-jährige Frau und den erst dreijährigen Sohn des Polizeioffiziers in seine Gewalt und verschanzte sich im Haus der Familie. Stundenlang verhandelten umgehend herbeigerufene Polizeikräfte mit dem Geiselnehmer; ergebnislos. Um Mitternacht stürmte eine Sondereinheit schließlich das Haus und tötete Abballa. Dabei fanden sie die Frau ihres getöteten Kollegen tot vor – mit durchschnittener Halsschlagader. Allein den kleinen Jungen des Paars verschonte Abballa, er konnte unter Schock aber körperlich unverletzt geborgen werden.

Der Verdacht, dass es sich bei dem Doppelmord um einen terroristischen Angriff handelt, bestätigte sich rasch. Noch im Laufe der Nacht wurde der Täter identifiziert. Abballa, der sich während der Verhandlungen mit der Polizei zu der Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS) bekannt hatte, wurde schon 2013 wegen seiner Zugehörigkeit zu einem Netzwerk verurteilt, das Dschihadisten anwarb und deren Ausreise in das pakistanisch-afghanische Grenzgebiet organisierte.

Schon 2013 zu drei Jahren Haft verurteilt

Das Islamisten-Netz war bereits 2011 aufgeflogen, seine Mitglieder, unter ihnen der damals 20-jährige Abballa, landeten in Untersuchungshaft. Zwei Jahre später wurde er zu drei Jahren Gefängnis verurteilt, davon sechs Monate auf Bewährung. Weil das Gericht ihm die U-Haft anrechnete, kam Abballa unter Auflagen jedoch schon im September 2013 wieder auf freien Fuß.

Als offenbar hart arbeitender Betreiber eines kleinen Fast-Food-Services in dem direkt an Magnanville grenzenden Pariser Vorort Mantes-La-Jolie geriet er erst im März erneut in das Visier der Ermittler, weil er in Kontakt mit einen Personenkreis trat, der Verbindungen zu IS-Mitgliedern in Syrien unterhalten soll. Allerdings ergaben daraufhin eingeleitete Überwachungs- und Abhörmaßnahmen keinerlei Hinweise auf irgendwelche Attentatspläne.

Noch in der Nacht übernahm die Anti-Terror-Abteilung der Pariser Staatsanwaltschaft die Ermittlungen. Frankreichs Präsident Francois Hollande bestätigte nach einer Krisensitzung im Elysée-Palast bereits am Dienstagmorgen den „unbestreitbar“ terroristischen Hintergrund der „niederträchtigen“ Bluttat. Kurz darauf bekannte sich der IS mit einer knappen Bestätigung im Internet zu den Morden. „Kämpfer des Islamischen Staats tötet Vizechef der Polizeistation von Les Mureaux und seine Frau mit Stichwaffen nahe Paris“, vermeldete das IS-Sprachrohr Amaq.

IS forderte Anhänger zu Attentaten auf

Über Amaq hatte sich der IS bereits zu dem Anschlag auf einen Nachtclub der Stadt Orlando im US-Bundesstaat Florida in der Nacht zu Sonntag bekannt, bei dem 49 Menschen getötet wurden. In beiden Fällen jedoch legte Amaq keine Beweise für eine Verbindung der Täter zum IS vor.

Die Frage, ob Abballa von IS-Mittelsmänner gesteuert wurde oder mehr oder weniger auf eigene Faust handelte, steht nun ebenso im Mittelpunkt der Ermittlungen wie die Suche nach eventuellen Komplizen. Drei Personen aus seinem Umfeld wurden noch gestern in Polizeigewahrsam genommen.

Nicht auszuschließen ist derzeit, dass die Anschläge in Orlando und Magnanville im Zusammenhang mit dem Aufruf des IS an seiner Anhänger stehen, während des muslimischen Fastenmonats Ramadan Europa und die USA mit Attentaten zu überziehen. Der Ramadan nämlich begann Anfang Juni, nur wenige Tage vor der Fußball-EM. Schon zuvor hatte die Pariser Regierung wegen der bei diesem Großereignis befürchteten Anschläge den im November verhängten Ausnahmezustand bis Ende Juli verlängert.