Brüssel/Warschau. Die Nato zeigt Stärke an ihrer Ost-Flanke. Das Groß-Manöver „Anakonda“ stößt nicht nur in Moskau auf Kritik – sondern auch in Berlin.

Mehr als 31.000 Soldaten, 3000 Fahrzeuge sowie Dutzende Kampfflugzeuge und Schiffe: Rund einen Monat vor dem Nato-Gipfel demonstrieren Alliierte seit diesem Dienstag bei einem zehntägigen internationalen Großmanöver in Polen Stärke.

Hinter den Kulissen sorgt die Übung, die am Dienstag mit dem Absprung von 2000 polnischen, britischen und amerikanischen Fallschirmjägern bei Torun begann, für Ärger. Der Gastgeber Polen, die baltischen Staaten und die Amerikaner verkaufen das Manöver „Anakonda 2016“ als klares Signal der Nato an Russlands Präsident Wladimir Putin. „Abschreckung“ und „massive Kampfkraft“ sind Schlüsselwörter. Vor allem in Deutschland und in Frankreich hatte man dieses Szenario eigentlich vermeiden wollen.

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Auch Truppen aus der Ukraine sind dabei

Das liegt vor allem daran, dass die Polen zu dem Manöver nicht nur zahlreiche Nato-Staaten, sondern auch Streitkräfte aus Russlands Nachbarländern Ukraine und Georgien eingeladen haben. Wer will, kann das als klare Provokation in Richtung Moskau sehen. Kaum etwas ist der russischen Regierung schließlich so sehr ein Dorn im Auge wie die Annäherung der Ukraine und Georgien an das westliche Militärbündnis.

Man behalte sich alle möglichen Reaktionen auf Nato-Aktivitäten vor, warnte der russische Außenminister Sergej Lawrow am Montag ohne konkret auf die Übung oder Details einzugehen. Sein Stellvertreter Alexej Meschkow hatte dem Westen bereits zuvor Vorwürfe gemacht. „Wir sind überzeugt, dass diese Manöver destabilisierend sind, und dass ihr Hauptziel ist, Spannungen entlang der russischen Grenze zu schüren“, sagte er.

Polen und Balten fühlen sich von Russland bedroht

Auf der anderen Seite sind die Ängste der osteuropäischen Staaten groß. Polen oder die baltischen Länder etwa, die während der Sowjetzeit ihre Erfahrungen mit Moskau gemacht haben, würden am liebsten dauerhaft Nato-Soldaten bei sich stationiert sehen. Die russische Annexion der Krim und die anhaltenden Kämpfe in der Ostukraine haben in Polen, Estland, Litauen und Lettland Sorgen um die eigene Sicherheit ausgelöst. Sie fühlen sich von Russland potenziell bedroht. Russische Manöver nahe der Grenzen und Verletzungen des Luftraums haben diese Sorgen verschärft. Polen sieht sich eng mit der Ukraine verbunden, Estland und Lettland haben starke russische Minderheiten.

Auch die Bundeswehr ist mit einem Kontingent an „Anakonda“ beteiligt. Rund 400 Soldaten des Mindener Panzerpionierbataillons 130 nehmen an der Übung teil. Sie werden dabei unter anderem eine mehr als 300 Meter lange provisorische Brücke bauen.

Deutschland sorgte für verbale Abrüstung

Auf Drängen Deutschlands weist die Nato jetzt aber immer wieder daraufhin hin, dass es sich bei „Anakonda“ nicht um eine Nato-Übung, sondern um eine Übung unter polnischer Führung handelt. Noch vor wenigen Wochen war man bei der Wortwahl nicht ganz so genau gewesen. Da hatte das Bündnis ein Infoblatt herausgegeben, in dem „Anakonda“ als „größte Übung der Alliierten in diesem Jahr“ bezeichnet wurde.

Das Auswärtige Amt wollte zu den Diskussionen der vergangenen Wochen am Montag keine Stellung nehmen. Als unstrittig gilt, dass die Nato bei einem Gipfel-Treffen am 8. und 9. Juli in Warschau beschließen wird, die Aufrüstung in den an Russland grenzenden Mitgliedstaaten weiter voranzutreiben.

Vor allem den Polen scheint das nicht zu reichen. Denn zeitgleich zu Anakonda wird in Warschau und anderen Städten des Landes bis Freitag die Übung „Renegade“ abgehalten, die sich auf die Abwehr von Anschlägen und den Einsatz bei Katastrophen konzentriert. Geübt werden unter anderem das Abdrängen eines Flugzeugs, das in gesperrten Luftraum eindringt, und die Verhinderung einer Entführung, heißt es. (dpa)