Berlin. Bundespräsident Joachim Gauck hat sich bisher nicht zu seiner Zukunft erklärt. Seine Nachfolge wird trotzdem längst diskutiert.

FDF-Chef Christian Lindner twittert, „Gauck hat dem Amt Bedeutung zurückgegeben – Nachfolge wird nun kompliziert.“ Hat? Über den Bundespräsidenten wird schon in der Vergangenheitsform geredet!

So ist das Geschäft, so banal, so brutal. Armin Laschet rümpft die Nase. „Solange der Bundespräsident sich nicht erklärt hat, halte ich diese Diskussion für unangemessen“, sagt der Vizechef der CDU unserer Redaktion. Ähnlich klingen SPD-Vizechef Thorsten Schäfer-Gümbel und CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer.

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Nicht mal zu Stilfragen mag sich Norbert Lammert äußern. Auch Gerda Hasselfeldt will sich nicht an Spekulationen beteiligen. Bundestagspräsident Lammert (CDU) und die CSU-Landesgruppenchefin haben eines gemeinsam: Sie zählen zum Kreis derjenigen, die für die Gauck-Nachfolge in Frage kommen, präsidiabel sind; sie gehören zur stärksten Partei, zur Union, und genießen hohes Ansehen.

Bosbach drückt Schäuble die Daumen

Frank-Walter Steinmeier beobachtet aus der Ferne – bei einer Tour durch Südamerika –, wie ihn Parteifreunde wie Johannes Kahrs ins Spiel bringen. Der Sozialdemokrat kann darüber nicht sonderlich überrascht sein. Der Außenminister ist seit Langem der natürliche Kandidat der SPD. Hätte er damit ein Problem, hätte er die Parteifreunde es wissen lassen.

Der CDU-Abgeordnete Wolfgang Bosbach drückt Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble die Daumen. Der Parteifreund habe 44 Jahre parlamentarische Erfahrung, sich in hohen Staatsämtern hervorragend bewährt und genieße international ein hohes Ansehen, zählt Bosbach in der „Bild am Sonntag“ auf. „Selbst die politische Konkurrenz wird das nicht ernsthaft bestreiten können.“

Steinmeier gegen Schäuble – das könnten die Eröffnungszüge der Volksparteien sein. Ob es den Beteiligten gefällt, ist eine andere Sache. Die Erstgenannten bleiben oft auf der Strecke.

Aus hochrangigen SPD-Kreisen hieß es denn auch, sollte Gauck aufhören, müsse am Ende wohl eine über alle Parteigrenzen hinweg „plausible und honorige Persönlichkeit“ gefunden werden. Und: Es sei an der Zeit für eine Frau im Schloss Bellevue.

Präsidentenwahl als Weichenstellung für 2017?

Zur Kür eines Bundespräsidenten wird seit jeher taktiert, in der Vergangenheit war sie oft ein Wetterleuchten. Warum sollte es 2017 anders sein, in einem Jahr, in dem mit den Wahlen im größten Bundesland (in NRW im Mai) und im Bund (im September) viel auf dem Spiel steht? Linke-Fraktionschef Dietmar Bartsch ist denn auch überzeugt, die Präsidentenkür werde „eine Weichenstellung für die Bundestagswahl sein“. Seine Linke werde mit ihren rund 100 Stimmen in der Bundesversammlung „verantwortungsvoll umgehen“, sagt Bartsch unserer Redaktion. Seine Freunde waren sofort in den Startlöchern. Die Linke wünscht sich einen gemeinsamen Kandidaten mit SPD und Grüne. „Jetzt ist es Zeit, Farbe zu bekennen“, erklären die Parteivorsitzenden Katja Kipping und Bernd Riexinger. Auch der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Axel Schäfer macht sich in der „Welt am Sonntag“ für einen gemeinsamen Kandidaten stark.

Die Diskussion ist im Gange seit „Bild“ am Sonnabend gemeldet hat, Gauck werde am Montag Kanzlerin Angela Merkel (CDU) treffen und ihr mitteilen, dass er keine zweite Amtszeit anstrebe. Mit einem Dementi hätte das Präsidialamt die Debatte ersticken können. Das blieb aus.

Laut „FAS“ hat Gauck die Kanzlerin bereits eingeweiht und werde seine Entscheidung bereits am Montag öffentlich verkünden. Dann fällt der Startschuss – für ein Rennen, das in Wahrheit doch schon längst läuft.