Athen. Das Mittelmeer bleibt ein Ort der Tragödien. Vor Kreta werden viele Flüchtlinge vermisst, in Libyen wurden massenhaft Leichen geborgen.

Großalarm für die griechische Küstenwache: Mit Patrouillenbooten, Hubschraubern und Flugzeugen suchten Retter am Freitag vor Kreta nach überlebenden Passagieren eines Flüchtlingsschiffes, das etwa 135 Kilometer vor der Südküste der Insel gekentert war. Bis zum Nachmittag konnten 340 Menschen gerettet werden. Die Suchmannschaften bargen außerdem vier Leichen. Wie viele Personen sich an Bord des Schiffes befanden, das offenbar in Ägypten gestartet war und nach Italien wollte, war zunächst unklar. Die Internationale Organisation für Migration (IOM) geht von mindestens 700 Passagieren aus.

Auch fünf Handelsschiffe beteiligten sich an der Rettungsaktion. Ein Frachter nahm 241 der Geretteten auf. Sie sollen nach Italien gebracht werden. Die übrigen Menschen sollen mit anderen Schiffen nach Malta, Ägypten und in die Türkei fahren.

UNHCR: 2500 Menschen sind 2016 im Mittelmeer ertrunken

Nach der Schließung der Balkanroute versuchen seit Ende März weniger Flüchtlinge, über die Ägäis nach Griechenland zu kommen. Stattdessen bringen die Schleuser mehr Menschen von Nordafrika nach Italien – oft mit morschen und völlig überladenen Fischkuttern. Bei dem Versuch, über das Mittelmeer nach Europa zu gelangen, sind nach Schätzung des Uno-Flüchtlingshilfswerks UNHCR in diesem Jahr bereits 2500 Menschen ertrunken.

An der libyschen Küste sind diese Woche mehr als 100 tote Flüchtlinge gefunden worden. Nach Angaben der libyschen Marine wurden bis Donnerstagabend 104 Leichen angespült. Es handelt sich vermutlich um Opfer von drei Schiffsuntergängen in der vergangenen Woche. Nach Angaben von UNHCR befanden sich etwa 700 Menschen an Bord der drei Boote, darunter 40 Kinder.

Lage in griechischen Lagern eskaliert

Selbst wer es in die griechischen Flüchtlingslager geschafft hat, ist nicht außer Gefahr. Auf Lesbos, einem Brennpunkt der Flüchtlingskrise, wurden in der Nacht zum Freitag bei schweren Ausschreitungen mindestens 20 Menschen verletzt, einige schwer. Die Unruhen entwickelten sich aus nichtigem Anlass: Ein Pakistaner und ein Afghane hätten sich um eine Steckdose gestritten, um ihr Handy aufzuladen, berichteten Augenzeugen. Daraus entwickelte sich eine Massenschlägerei: Pakistaner und Afghanen gingen mit Eisenstangen und Messern aufeinander los. Binnen weniger Minuten habe das Lager einem Schlachtfeld geglichen. Die Polizei versuchte, Familien mit Kindern in Sicherheit zu bringen und die Ruhe wiederherzustellen.

Bereits in der Nacht zum Donnerstag gab es in dem Lager schwere Unruhen, in deren Verlauf Dutzende Zelte in Flammen aufgingen. „Die Menschen in dem Lager sind verzweifelt und äußerst gereizt“, sagte Spyros Galinos, der Bürgermeister von Lesbos. Die Hilfsorganisation ActionAid kritisiert, das Essen und die medizinische Versorgung in dem Lager seien unzureichend. Außerdem ließen die Behörden die Menschen im Unklaren über die Prozeduren der Asylverfahren. Auch im Flüchtlingslager auf der Insel Chios kam es während der vergangenen Tage mehrfach zu Unruhen.

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Auf den ostägäischen Inseln werden fast 8500 Migranten festgehalten. Die meisten leben in den Registrierungszentren. Sie dürfen diese mit hohen Metallzäunen gesicherten Lager während der ersten 25 Tage nicht verlassen. Danach können sie sich zwar auf der jeweiligen Insel frei bewegen, dürfen aber nicht aufs Festland weiterreisen. Es handelt sich um Schutzsuchende, die nach dem 20. März, dem Inkrafttreten des Flüchtlingsabkommens mit der Türkei, über die Ägäis nach Griechenland kamen. Sie müssen damit rechnen, im Rahmen des Abkommens in die Türkei zurückgeschickt zu werden.