Warum in Amerika die Angst vor dem wütenden Trump wächst
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Von Dirk Hautkapp
Washington. Es sieht immer mehr danach aus, dass Präsidentschaftsbewerber Donald Trump nur Attacke kann. Das nährt in den USA große Befürchtungen.
Es war das zentrale Versprechen Donald Trumps, aus dem gutgläubige Republikaner Hoffnung auf eine willkommene Verhaltensänderung schöpften. Sobald er die Nominierung für die Kandidatur für das Weiße Haus in der Tasche habe, werde er sich zurücknehmen und „präsidiabel“ werden; bis zur Langeweile. So sagte der seit Juni 2015 permanent austeilende New Yorker Bau-Milliardär, der schon bei leiser Gegenrede mimosenhaft die Opferrolle einnimmt. Es ist ein klarer Fall von Wortbruch.
Obwohl die Vorwahlen rechnerisch entschieden sind und Trump als einziger Kandidat im Juli zum Parteitag nach Cleveland fährt, berserkert der 69-Jährige mit unveränderter Chuzpe durch die politische Landschaft und nährt einen unter Beobachtern in US-Medien bestehenden Verdacht: Hat Donald Trump eine narzisstische Persönlichkeitsstörung, die ihn zum Risiko-Präsidenten machen würde? Auszüge aus dem aktuellen Sündenregister:
• Obwohl Trump bei Frauen und demografisch wichtigen Wählern mit hispanischen Wurzeln nach verhetzenden Äußerungen laut Umfragen stark in Misskredit geraten ist, zieht er in New Mexiko ohne Not unflätig über Susana Martinez her. Die beliebte Konservative ist die einzige Gouverneurin mit Latino-Wurzeln in Amerika.
• Weil ihm juristische Nachforschungen zu seiner unter Betrugsanklage stehenden Privat-Universität als Majestätsbeleidigung erscheinen, nennt er den ermittelnden Richter „voreingenommen“ und eine Schande.
• Landesweit bekannte Journalisten, die berechtigten Zweifeln über seine angeblich millionenschwere Mildtätigkeit gegenüber Militär-Veteranen nachgehen, bezeichnet er vor laufender Kamera als „Schmierlappen“, „schlechte Menschen“ oder „total verlogen“.
• Die einflussreiche demokratische Senatorin Elizabeth Warren, die als potenzielle Vizepräsidentschaftskandidatin an der Seite Hillary Clintons gehandelt wird, verspottet er wegen ihrer umstrittenen halb-indianischen Wurzeln als „Pocahontas“.
Nimmt man hinzu, dass Trump bei seinen Kundgebungen seit Monaten latent zur Gewalt gegen Andersdenkende aufstachelt, ist die Wirkung trotzdem immer die gleiche: Fans, darunter zehn Millionen Wähler, die ihm in den Vorwahlen ihre Stimme gegeben haben, applaudieren seiner Frei-nach-Schnauze-Angriffslust. Kritikern und Gegnern wird angst und bange bei der Vorstellung, dass Donald J. Trump sein unberechenbares Temperament im Falle eines Wahlsieges ab Januar 2017 ins Weiße Haus tragen könnte. Zumal sein als „Dompteur“ eingestellter Wahlkampf-Manager Paul Manafort in Interviews angedeutet hat, dass sich sein Klient nicht mehr neu erfinden wird: „Niemand ändert Donald Trump.“
Bush-Berater nach Analyse beunruhigt
Für Aaron David Miller, in führender Position in der Denkfabrik Woodrow Wilson International Center in Washington tätig, sind das beunruhigende Zeichen. Der frühere Berater von Präsident George H.W. Bush hat Trumps Sicht auf die Welt anhand seiner Bücher analysiert. Fazit: Der Geschäftsmann ist zutiefst einem lange überholten Freund-Feind-Schema verpflichtet.
In Trumps Buch „Think Big“ (Denke groß) von 2007 heißt es dazu: „Die Welt ist ein grausamer, brutaler Ort. Es ist ein Ort, wo Menschen versuchen, dich zu töten, wenn nicht physisch dann mental. Menschen wollen dich zerstören, vor allem, wenn du an der Spitze stehst.“ Einziges Serum dagegen: Sich Respekt verschaffen, wenn man angegriffen wird, zurückschlagen - und zwar „zehn Mal härter“.
Donald Trump will ins Weiße Haus
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Was, wenn Trump, der Amerika bekanntlich von der ganzen Welt ausgenutzt sieht, diese Denke ins Oval Office überträgt? Was, wenn nicht um neue Golfplätze oder Wolkenkratzer-Projekte konkurrierende Geschäftsleute sondern mächtige Staaten mit Provokationen versuchen, einem Präsidenten Trump unter die Haut zu gehen? Miller, mit dieser Einschätzung in Washington in guter Gesellschaft, findet: „Amerika kann sich nicht erlauben in einem permanenten Zustand der Vergeltung zu sein. Nicht jede Herausforderung ist ein Nagel, der eines Hammers bedarf.“
Sorge vor irreparablem Flurschaden
Im Gegenteil, die Geschichte habe Amerika gelehrt, dass es auf „Nuancen, Zurückhaltung und Besonnenheit“ ankommt. Miller beruft sich auf John F. Kennedys militärische Selbstbeschränkung in der Kuba-Krise 1962, als die Welt vor einem Atom-Krieg stand. Kennedys Geduld habe „Zeit für eine friedliche Lösung mit den Sowjets gekauft“, während seine Generäle für einen Militärschlag gegen Kuba/Moskau plädierten. Hätte Trump diese Nerven? Millers Zweifel gründen auf Trumps Mantra, wonach man es seinen Gegnern weit über das alttestamentarische Auge-um-Auge-Axiom hinaus heimzahlen muss, wenn man sie auf Dauer einschüchtern und auf Distanz halten will.
Was in Verhandlungen über Immobilien vielleicht funktioniere, könne auf dem Parkett der internationalen Politik irreparablen Flurschaden auslösen, warnt Miller. Er ruft Trumps Reaktion auf die Kritik des britischen Premierminister David Cameron in Erinnerung, der neulich dezent sein Befremden über Trumps anti-muslimische Ausfälle (Stichwort: Einreisestopp) zum Ausdruck brachte. „Es sieht so aus, als würden wir nicht sonderlich gut miteinander auskommen“, bellte Trump umgehend über den Atlantik zurück. Für Miller zeigt sich hier die „Mentalität eines Kindergartenspielplatzes.“ Ob Trump sie ablegen kann? Miller schließt es mit diplomatischen Worten aus. Die Hoffnung darauf existiere nur in einer „sehr weit entfernten Galaxie“.
Hauptstadt Inside von Jörg Quoos, Chefredakteur der FUNKE Zentralredaktion
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