Berlin. Der Gesetzgeber hinkt bei der Digitalisierung zurück, das zeigen Angebote wie Airbnb und Uber. Die Regierung will nun gegensteuern.

Das Bundeswirtschaftsministerium fordert neue Schranken für die digitale Wirtschaft: Auf einer Fachtagung in Berlin haben Experten am Montag Regeln vorgestellt, um traditionelle und digitale Wirtschaft in Einklang zu bringen. „Wir müssen der Digitalisierung eine Richtung geben“, sagte der Staatssekretär Matthias Machnig auf der Fachtagung. Im Kern geht es darum, dass die digitalen Angebote häufig in direkte Konkurrenz zu deutschen Unternehmen treten, teilweise zu unfairen Wettbewerbsbedingungen.

„Deshalb haben wir das Grünbuch Digitale Plattformen vorgelegt und den bislang umfassendsten Konsultationsprozess in Deutschland zu wirtschaftspolitischen Fragen der Digitalisierung gestartet“, sagt Machnig, der unter Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) für die Digitalisierung zuständig ist.

„Wir haben keine gesamtgesellschaftliche Debatte zu dem Thema“, sagte Staatssekretär Machnig auf dem Fachdialog. Es solle nicht nur in Expertengremien darüber diskutiert werden. Auch deshalb hat das Ministerium ein Internetforum eingerichtet, in dem Bürger Thesen der Experten kommentieren können.

Anhand von zwölf Thesen und 52 konkreten Fragestellungen will das Ministerium zeigen, wie mit den digitalen Unternehmen umzugehen ist. Anfang 2017 werden die Antworten laut Ministerium vorliegen. Das Bundeswirtschaftsministerium regt darüber hinaus die Gründung einer eigenen Bundesdigitalagentur an, die federführend für die Digitalisierung zuständig sein soll. Einige der neuen Angebote krempeln die alten Geschäftsmodelle komplett um, andere hebeln das bisherige Verständnis von Datenschutz aus. Das zeigen fünf Beispiele.

1. Telefonieren: WhatsApp und Telekommunikations-Unternehmen

Kritisch beurteilen die Experten des Wirtschaftsministeriums das Verhältnis von klassischen Telekommunikations-Unternehmen und kostenlosen Internet-Telefonie-Diensten. Über Messenger wie WhatsApp oder Skype können Nutzer deutschland- und weltweit telefonieren, ohne dafür Telefongebühren zahlen zu müssen. Pikant: Die digitale Konkurrenz greift zwar auf die Infrastruktur für ihre Dienste zurück, sie investiert aber nicht in das Datennetz oder die Telefonleitungen.

2. Online-Handel: Individuelle Preise und Festpreise

Die neuen Regeln sehen vor, dass Unternehmen wie Amazon offen mit sogenannten individuellen Preisen umgehen. Dahinter steht das gängige Prinzip vieler Onlinehändler, ihre Kunden nach deren Zahlungsbereitschaft einzustufen: Wer mit einem älteren Computer Angebote in einem Onlineshop aufruft, bekommt teilweise niedrigere Preise angezeigt als mit einem teuren Tablet. In Fachkreisen ist von „Dynamic Pricing“ die Rede. Verbraucherschützer kritisieren diese undurchsichtige Preisgestaltung schon seit längerem. „Eine solche Praxis muss klar erkennbar sein, die zugrunde liegenden Kriterien müssen transparent gemacht werden“, heißt es seitens des Wirtschaftsministeriums.

3. Verkehr: Uber und die Taxi-Unternehmen

Symbolisch für den Konflikt von alter und neuer Wirtschaft steht der Streit zwischen dem Fahrtenvermittler Uber und dem stark regulierten Taxigewerbe. Über eine App organisieren sich Nutzer des Fahrtenvermittlers eine spontane Mitfahrgelegenheit in der Stadt. Bei den Fahrern handelt es sich um Privatpersonen mit ihren eigenen Autos. Sie müssen keine Auflagen erfüllen. Auch Regularien wie der Mindestlohn sind ausgehebelt, weil sie keinen Angestellten sind. Nach Schätzungen sind weltweit rund 200 Gerichtsverfahren gegen Uber anhängig. „Es muss überprüft werden, ob für alle Marktteilnehmer vergleichbare rechtliche und regulatorische Rahmenbedingungen herrschen“, heißt es allgemein in einer der zwölf Thesen des BMWi.

4. Datenschutz: Klarnamen und Pseudonyme

Eine weitere Anregung aus dem Bundeswirtschaftsministerium: Es will per Gesetz erlauben, dass Nutzer neben ihrem echten Namen auch ein Pseudonym in sozialen Netzwerken nutzen können. Dieser Vorhaben richtet sich konkret gegen eine Vorgabe von Facebook: Das Netzwerk verbietet bislang eine Anmeldung mit einer falschen Identität oder einem Spitznamen. Das Unternehmen will damit Belästigungen und einen Missbrauch des Dienstes einschränken. Bundesinnenminister Thomas de Maiziére (CDU) hatte im Gespräch mit unserer Redaktion vor Anonymität im Netz gewarnt. Er beobachte eine „Teilverrohung unserer Gesellschaft“. Die Hemmschwelle sinke, jemanden zu beleidigen, etwa in Hassmails.

5. Reisen: Airbnb und Hotelgewerbe

Die Internetplattform Airbnb ist mittlerweile der größte Konkurrent des Hotelgewerbes: Der Dienst vermittelt Privat-Wohnungen in rund 190 Ländern, die Zahl der Kunden steigt rasant. Das triftigste Argument des Dienstes: Die Übernachtungen sind deutlich günstiger als im Hotel. Weil zunehmend auch gewerbliche Anbieter Zimmer über Airbnb vermieten und damit ohnehin knappen Wohnraum in den Städten beanspruchen, gehen einige Metropolen mit Gesetzen dagegen vor. In Berlin gilt seit Mail das sogenannte Zweckentfremdungsverbot, das die gewerbliche Vermietung von Wohnungen an Touristen verbietet. Der Fall Airbnb taucht bislang in dem Grünbuch nicht auf.

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Es geht dem Wirtschaftsministerium indes ausdrücklich nicht nur um Regulierung. Neben Regeln will das Wirtschaftsministerium Digitalfirmen künftig auch mehr Freiraum geben, heißt es auf der Website. Der Staat müsse auch Möglichkeiten eröffnen, „durch Datennutzung neue Geschäftsmodelle und neue Dienstleistungen zu entwickeln.“