Berlin. Die Linke steckt vor ihrem Parteitag am Wochenende in der Krise. Fünf Gründe, warum die Partei keine Ausweg aus ihrer Misere findet.

Auf ihrem Bundesparteitag an diesem Wochenende in Magdeburg will die Linkspartei nach den jüngsten Wahlschlappen das Signal für einen neuen Aufbruch senden. Doch die Probleme der Linken sind nicht allein mit Parteitagsbeschlüssen zu lösen. Ein Bilanz:

• Die Protestpartei hat ausgedient

In den Zeiten der Agenda 2010 konnte die Linke den Protest der von den Sozialdemokraten enttäuschten Wähler einsammeln. Doch Hartz-IV, Mindestlohn und Rente mit 67 sind längst nicht mehr die Massenaufreger vergangener Jahre – und der Aufstand gegen TTIP findet bei außerparlamentarischen Gruppierungen statt. Die Linke taugt nicht mehr zur Protestpartei.

War früher eine Stimme für die Linke eine Stimme gegen die Etablierten, so wird die Linke heute von vielen Wählern selbst bei den Etablierten einsortiert. Die Rolle der Protestpartei hat inzwischen die AfD übernommen. In Berlin und Mecklenburg-Vorpommern, wo die nächsten Landtagswahlen anstehen, liegen beide Parteien in den Umfragen etwa gleichauf. Besonders hart für die Linke: In Brandenburg und Thüringen, Kernländer der Linkspartei, verlor die Partei bei den letzten Wahlen massenhaft Wähler ausgerechnet an die Rechtspopulisten der AfD. Selbst sozial Benachteiligte und Arbeiter, früher ureigenste Klientel der Linken, wechselten die Fahne.

• Personal ohne Durchschlagskraft

Spätestens seit dem Rückzug ihres langjährigen Frontmanns Gregor Gysi aus der ersten Reihe fehlt der Linken eine Galionsfigur. Die beiden Vorsitzenden Katja Kipping und Bernd Riexinger, seit 2012 im Amt, agieren ohne große Strahlkraft. Damit setzt sich nach dem völlig glücklosen Spitzen-Duo Gesine Lötzsch und Klaus Ernst die Personalmisere fort. Im Bundestag sollen die Parteilinke Sahra Wagenknecht und der zum gemäßigten Flügel zählende Dietmar Bartsch als Co-Fraktionschefs das gesamte Spektrum der Partei abbilden – stattdessen aber neutralisieren sie sich oft gegenseitig.

• Ohne Machtperspektive im Bund

Wer bei Bundestagswahlen die Linke wählt, entscheidet sich für die Opposition. Der Partei fehlt im Bundestag jede Aussicht darauf, ihr Programm als Mitglied einer Regierung umsetzen zu können. Die Hoffnung, dass der erste Linke-Ministerpräsident, der mit Bodo Ramelow seit Ende 2014 in Thüringen regiert, der Partei auch in Berlin eine staatstragende Ausstrahlung verleihen könnte, ist weitgehend enttäuscht worden.

Als SPD-Bundestagsfraktionschef Thomas Oppermann jetzt ein rot-rot-grünes Bündnis für den Bund nicht ausschloss, klang das doch sehr pflichtgemäß – an eine Koalition mit der Linken glaubt in der SPD-Spitze keiner ernsthaft. Und die Grünen schielen inzwischen lieber auf ein Bündnis mit der CDU, wie schon in Hessen und Baden-Württemberg. Die Linke hat sich in der Opposition eingerichtet. Selbst Ex-Linken-Fraktionschef Gregor Gysi resümierte am Donnerstag bitter: „Man spricht uns die Gestaltungskraft ab, weil wir auf Bundesebene den Eindruck vermitteln, nicht in die Regierung zu wollen.“

• Im Westen nichts Gutes

Die Linke scheint auf dem Weg zurück zur Ostpartei. Bei den Wahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz war die Partei, die 2007 aus dem Zusammenschluss von (Ost-)PDS und (West-)WASG entstand, mit 2,9 bzw. 2,8 Prozent ohne Chance auf Einzug in den Landtag. In den großen Flächenländern Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Bayern und Schleswig-Holstein ist die Linke ebenfalls nicht (mehr) vertreten. Allein in Hessen und im Saarland sowie in den Stadtstaaten Hamburg und Bremen schaffte die Partei den Sprung ins Parlament – doch das war vor dem Erstarken der AfD.

• Schlingerkurs in der Flüchtlingskrise

Gerade in der Flüchtlingskrise hätte die Linke einen Gegenpol zu den populistischen Parolen der AfD bilden können – zumal sich sowohl die Union als auch die SPD schwer tun mit ihren Positionen bei dem aktuellen Mega-Thema. Doch die Linke konnte diese Situation nicht für sich nutzen. Zwar will sie auf ihrem Parteitag in Magdeburg Forderungen wie eine Ausweitung des Bleiberechts für bestimmte Flüchtlinge beschließen und Obergrenzen erneut eine Absage erteilen – doch das ist in der Partei nicht unumstritten. Ausgerechnet Sahra Wagenknecht, die medial noch am meisten beachtete Linke-Politikerin, dachte kürzlich laut über „Kapazitätsgrenzen und Grenzen der Aufnahmebereitschaft der Bevölkerung“ nach. Und nach den Silvesterübergriffen in Köln hatte Wagenknecht gesagt: „Wer sein Gastrecht missbraucht, der hat sein Gastrecht eben auch verwirkt.“ Süffisant kommentierte AfD-Vizechef Alexander Gauland damals, er freue sich darüber, „dass die Linke dies nun genauso wie die AfD sieht“.