Berlin/Tripolis. 16 Flüchtlingsboote sind offenbar vor Libyens Küste in Seenot. Mit vielen Toten ist es womöglich die schlimmste Tragödie im Mittelmeer.

Schlimme Szenen vor der Küste Libyens: Sea-Watch, eine private Initiative zur Rettung von Flüchtlingen in Seenot, spricht von der womöglich schlimmsten Tragödie im Mittelmeer seit Beginn der Flüchtlingskrise. Bestätigt sind mittlerweile mindestens 20 Tote. Zunächst ging die Initiative davon aus, dass drei Boote gesunken und Tausende Menschen ertrunken seien. Später korrigierte sie auf Facebook, es gebe „viele Tote“.

„Wir können noch nicht alle Zahlen bestätigen“, sagt Sea-Watch-Sprecherin Ruby Hartbrich am Donnerstagnachmittag unserer Redaktion. „Wir wissen nur, dass im Moment 16 Flüchtlingsboote in unserem Einsatzgebiet nördlich von Libyen unterwegs sind.“ Auf Facebook und Twitter informiert Sea-Watch über seinen aktuellen Einsatz.

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Auch die Operation EUNAVFOR MED, an der auch die deutsche Bundeswehr beteiligt ist, hat am Donnerstag Fotos von Einsätzen im Mittelmeer getwittert. Der Schiffsverband geht gegen Schleuser und Schlepperbanden vor und rettet Flüchtlinge in Seenot. Von einem Sprecher der EU-Mission war zu hören, dass bis zum Nachmittag 88 Migranten gerettet worden seien.

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Zwei Sea-Watch-Schnellboote im Einsatz

Die Kommunikation bei Seawatch laufe derzeit noch sehr chaotisch. Offenbar seien aber mindestens drei Boote gesunken, berichtet Hartbrich. Sea-Watch selbst sei derzeit mit einer zehnköpfigen Crew und dem Mutterschiff Sea-Watch 2 im Einsatz. Von dort aus seien zwei Schnellboote losgeschickt worden.

Die Mitglieder der Sea-Watch-Crew seien demnach bei einem gesunkenen Boot im Einsatz. Dort hätten die Einsatzkräfte jedoch nur noch Leichen bergen können. Das zweite Schnellboot habe insgesamt 115 Flüchtlinge von einem intakten, stabilen Schlauchboot retten können. Auch weitere Rettungsmannschaften seien im Einsatz. „Allerdings wissen wir, dass Sea-Watch derzeit die einzige Privatinitiative vor Ort ist“, sagt Hartbrich.

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Zu den von Sea-Watch genannten drei gesunkenen Booten sagte demnach Rino Gentile, Sprecher von EUNAVFOR MED: „Davon wissen wir nichts, und wir wissen auch nicht, wo diese Migranten ertrunken sein sollen.“

EUNAVFOR MED habe etwa 20 Leichen im Wasser entdeckt. Bis zum Nachmittag seien 88 Menschen lebend aus dem Meer gerettet worden, 77 von einem spanischen Schiff und elf von der italienischen Küstenwache. Auch aus welchen Ländern die Flüchtlinge stammen, sei bislang unklar.

Italienische Küstenwache berichtet von 4000 Geretteten

Die italienische Küstenwache erklärte, sie koordiniere seit Donnerstagmorgen etwa 20 Rettungseinsätze, bei denen insgesamt etwa 4000 Menschen in Sicherheit gebracht worden seien. Bereits am Mittwoch war ein völlig überfülltes Boot vor der libyschen Küste umgekippt. Die Insassen hatten zuvor zwei Schiffe entdeckt und sich alle auf eine Seite verlagert. Rettungskräfte versuchten daraufhin auch unter Einsatz von Hubschraubern, die Migranten aus dem Wasser zu holen. Für fünf von ihnen kam jede Hilfe zu spät. 562 Menschen konnten gerettet werden.

Fünf Tote bei Bootsunglück vor Libyen

Der Kutter, mit dem die Flüchtlinge vor der Küste Libyens unterwegs waren, war völlig überfüllt.
Der Kutter, mit dem die Flüchtlinge vor der Küste Libyens unterwegs waren, war völlig überfüllt. © REUTERS | HANDOUT
Das Boot nimmt gefährlich Schlagseite ein.
Das Boot nimmt gefährlich Schlagseite ein. © REUTERS | HANDOUT
Schließlich kentert es. Die Flüchtlinge fallen ins Wasser.
Schließlich kentert es. Die Flüchtlinge fallen ins Wasser. © REUTERS | HANDOUT
Manche versuchen verzweifelt, sich auf das untergehende Boot zu retten.
Manche versuchen verzweifelt, sich auf das untergehende Boot zu retten. © REUTERS | HANDOUT
Die italienische Marine ist mit zwei Schiffen – der „Bettica“ und der „Bergamini“ – vor Ort, um zu helfen.
Die italienische Marine ist mit zwei Schiffen – der „Bettica“ und der „Bergamini“ – vor Ort, um zu helfen. © REUTERS | HANDOUT
Einige Flüchtlinge schaffen es, das Marineschiff schwimmend zu erreichen.
Einige Flüchtlinge schaffen es, das Marineschiff schwimmend zu erreichen. © REUTERS | HANDOUT
Einsatzkräfte helfen, die Menschen an Bord zu ziehen.
Einsatzkräfte helfen, die Menschen an Bord zu ziehen. © REUTERS | HANDOUT
Auch Hubschrauber sind bei der Rettungsaktion im Einsatz.
Auch Hubschrauber sind bei der Rettungsaktion im Einsatz. © REUTERS | HANDOUT
Etwa 550 Flüchtlinge konnten gerettet werden.
Etwa 550 Flüchtlinge konnten gerettet werden. © REUTERS | HANDOUT
Für mindestens fünf Menschen kam die Hilfe der italienischen Marinesoldaten zu spät.
Für mindestens fünf Menschen kam die Hilfe der italienischen Marinesoldaten zu spät. © REUTERS | HANDOUT
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Mit dem Beginn der warmen Jahreszeit wagen wieder mehr Flüchtlinge die Überfahrt aus Nordafrika. Das Mittelmeer gilt allerdings als die gefährlichste Flüchtlingsroute der Welt: Seit Anfang des Jahres sind Schätzungen der Internationalen Organisation für Migration (IOM) zufolge mindestens 1350 Menschen ertrunken.

Viele Iraker und Syrer seien an Bord der Flüchtlingsboote

Sea-Watch hatte bereits seit längerer Zeit davor gewarnt, dass sich die Fluchtrouten nach dem Beschluss des Flüchtlingsabkommens zwischen EU und Türkei nach Nordafrika verschieben würden. Nun sieht die Initiative ihre Warnung bestätigt. „Uns wurde bereits bestätigt, dass unter den Menschen an Bord der Boote viele Iraker und Syrer sind“, sagt Sprecherin Hartbrich. „Das zeigt, dass die Flüchtenden nun einen noch weiteren Weg über Nordafrika auf sich nehmen, um von dort über das Mittelmeer zu kommen.“

Sea-Watch e. V. ist eine gemeinnützige Initiative, die sich der zivilen Seenotrettung von Flüchtlingen verschrieben hat. Sie betreibt zwei Seenotrettungsschiffe unter deutscher Flagge, die Sea-Watch und die Sea-Watch 2. Die Sea-Watch sucht in Kooperation mit der Hilfsorganisation CADUS zwischen dem türkischen Festland und der griechischen Insel Lesbos nach Flüchtlingsbooten. Die Sea-Watch 2 fährt auf 14-tägigen Beobachtungsfahrten zwischen der Küste Libyens und der Insel Malta. (mit dpa)