Athen. Der Ort Idomeni ist zum negativen Symbol für Europas Flüchtlingspolitik geworden. Satellitenbilder zeigen, dass das nicht immer so war.
Sondereinheiten der griechischen Bereitschaftspolizei haben sich am Montag auf den Weg in den Grenzort Idomeni gemacht. Sie sollen bei der Räumung des wilden Flüchtlingslagers an der mazedonischen Grenze helfen. Das hatte die Athener Zeitung „Kathimerini“ am späten Sonntagabend unter Berufung auf Quellen aus dem griechischen Ministerium für Bürgerschutz berichtet.
Der Zeitpunkt für die Räumung stehe noch nicht genau fest, sondern hänge von den Bedingungen vor Ort ab, zitierte die Zeitung einen Mitarbeiter des Ministeriums. Andere Medien nannten den Dienstag als möglichen Termin. Noch ist unklar, wie das Lager aufgelöst werden soll. „Wir werden jedenfalls nicht die Kavallerie ins Lager galoppieren lassen oder eine Art Säuberungsaktion starten“, sagte der Sprecher des griechischen Stabes für die Flüchtlingskrise.
Immer wieder Auseinandersetzungen
Im improvisierten Flüchtlingslager halten sich noch rund 9000 Menschen auf; bisher hatten sie sich stets geweigert, in staatliche Auffanglager umzusiedeln. Die Flüchtlinge und anderen Migranten hoffen weiterhin, die Grenze zu Mazedonien könne sich doch noch öffnen und den Weg nach Mittel- und Nordeuropa freigeben.
In den vergangenen Monaten hatte es in dem Camp immer wieder Auseinandersetzungen zwischen Migranten und der Polizei gegeben. Zwar vermuteten Beobachter, dass politische Aktivisten unter den Flüchtlingshelfern Konflikte provoziert hatten, doch fest steht, dass die Nerven in der provisorischen Unterkunft bei fast allen blank lagen.
Idomenis Entwicklung auf Satellitenfotos
Dabei war Idomeni vor fast einem Jahr noch ein beschaulicher Ort, den bestenfalls Wanderer oder die wenigen Einwohner des griechischen Dorfes kannten. Durch das Flüchtlingscamp, in dem Tausende Menschen auf ihre Weiterreise warten, ist der Ort weltweit bekannt geworden. Satellitenbilder zeigen, wie sich das Dorf entwickelt hat.
In Idomeni gibt es einen kleinen Bahnhof, der Güterverkehr von und nach Griechenland rattert über die Strecke. Noch vor einigen Monaten verirrten sich hierhin nur wenige Reisende – hauptsächlich Eisenbahnromantiker, die den Gleisverlauf Richtung Mazedonien in Fotos festhielten. Felder und staubige Dorfstraßen dürften im Sommer an Szenen aus Wildwestfilmen erinnert haben.
Wild ist es in Idomeni tatsächlich auch geworden. Ab August 2015 entwickelte sich der Ort zum Startpunkt der sogenannten „Balkanroute“. Wer es von Syrien und anderen Ländern zu den griechischen Inseln schaffte, reiste früher oder später über Idomeni entlang der Eisenbahnschienen weiter in den Norden.
Als Mazedonien seine Grenze im Februar dieses Jahres schloss, um den Flüchtlingszustrom zu stoppen, erlangte Idomeni schließlich traurige Berühmtheit. Quasi über Nacht sammelten sich fast 15.000 Flüchtlinge und Migranten an der Grenze an. Mitten im Νirgendwo entstand ein provisorisches, wildes Lager, ohne Toiletten, ohne medizinische Versorgung. Das Camp hat auch keine richtige Adresse.
Ein Ort ohne Adresse
Wer Ärzte in der Region nach dem Standort fragte, erhielt folgende Geodaten: Unnamed Road (Deutsch: Namenlose Straße), Peonia 614 00, Griechenland. So unpersönlich der Straßenname ist, so unpersönlich wirken zunächst Satellitenbilder, die der Dienst Google Earth aus Idomeni bereitstellt. Doch wer sich Karten- und Bildmaterial aus den vergangenen Monaten ansieht, erkennt, wie sich an einer Straßenkreuzung im Nirgendwo ein provisorischer Wohnort für Tausende entwickelt hat. Auf den Fotos sind einzelne Zelte zu erkennen, Menschen die an der Straße ausharren und auf eine Mitfahrgelegenheit warten. Die Bilder zeigen auch, wie sich das Lager je nach Jahreszeit verändert. Im Sommer ist es dort trocken und staubig. Im Herbst und auch noch vor wenigen Tagen verwandelte Starkregen die Flüchtlingsunterkunft in ein Sumpfgebiet.
Bis heute harrt ein harter Kern aus Flüchtlingen und Migranten in der Zeltstadt von Idomeni unter schlechten Bedingungen aus. Obwohl mittlerweile viele Hilfsorganisationen vor Ort sind, verschlimmert sich die Situation. Unter anderem kursieren Berichte über Prostitution und Drogenhandel im Lager. (ac/dpa)