Athen. Der Ort Idomeni ist zum negativen Symbol für Europas Flüchtlingspolitik geworden. Satellitenbilder zeigen, dass das nicht immer so war.

Sondereinheiten der griechischen Bereitschaftspolizei haben sich am Montag auf den Weg in den Grenzort Idomeni gemacht. Sie sollen bei der Räumung des wilden Flüchtlingslagers an der mazedonischen Grenze helfen. Das hatte die Athener Zeitung „Kathimerini“ am späten Sonntagabend unter Berufung auf Quellen aus dem griechischen Ministerium für Bürgerschutz berichtet.

Der Zeitpunkt für die Räumung stehe noch nicht genau fest, sondern hänge von den Bedingungen vor Ort ab, zitierte die Zeitung einen Mitarbeiter des Ministeriums. Andere Medien nannten den Dienstag als möglichen Termin. Noch ist unklar, wie das Lager aufgelöst werden soll. „Wir werden jedenfalls nicht die Kavallerie ins Lager galoppieren lassen oder eine Art Säuberungsaktion starten“, sagte der Sprecher des griechischen Stabes für die Flüchtlingskrise.

Immer wieder Auseinandersetzungen

Im improvisierten Flüchtlingslager halten sich noch rund 9000 Menschen auf; bisher hatten sie sich stets geweigert, in staatliche Auffanglager umzusiedeln. Die Flüchtlinge und anderen Migranten hoffen weiterhin, die Grenze zu Mazedonien könne sich doch noch öffnen und den Weg nach Mittel- und Nordeuropa freigeben.

In den vergangenen Monaten hatte es in dem Camp immer wieder Auseinandersetzungen zwischen Migranten und der Polizei gegeben. Zwar vermuteten Beobachter, dass politische Aktivisten unter den Flüchtlingshelfern Konflikte provoziert hatten, doch fest steht, dass die Nerven in der provisorischen Unterkunft bei fast allen blank lagen.

Idomenis Entwicklung auf Satellitenfotos

Einst war Idomeni nur ein Ort, inzwischen ist es riesiges Zeltlager.
Einst war Idomeni nur ein Ort, inzwischen ist es riesiges Zeltlager. © dpa | Nikos Arvanitidis
Ein Bild des Satellitendienstes Google Earth Pro zeigt den Ort am 21. Oktober 2014. Am unteren Bildrand sind Teile von Idomeni zu sehen, in der Mitte die Güterzugstrecke Richtung Mazedonien.
Ein Bild des Satellitendienstes Google Earth Pro zeigt den Ort am 21. Oktober 2014. Am unteren Bildrand sind Teile von Idomeni zu sehen, in der Mitte die Güterzugstrecke Richtung Mazedonien. © Google | Earth Pro
Am 15. September 2015 sind einzelne Autos auf einer Nebenstraße zu sehen. Am oberen Bildrand stehen einige Zelte. Das Flüchtlingscamp entsteht langsam.
Am 15. September 2015 sind einzelne Autos auf einer Nebenstraße zu sehen. Am oberen Bildrand stehen einige Zelte. Das Flüchtlingscamp entsteht langsam. © Google | Earth Pro
Wolken über dem Zeltplatz verdecken die Sicht, doch am 16. September ist zu sehen, wie immer mehr Fahrzeuge rund im das Flüchtlingscamp anhalten.
Wolken über dem Zeltplatz verdecken die Sicht, doch am 16. September ist zu sehen, wie immer mehr Fahrzeuge rund im das Flüchtlingscamp anhalten. © Google | Earth Pro
Am 17. September scheint das Camp erneut gewachsen zu sein: Dieses Mal sind Zelte am Rand des Camps hinzugekommen.
Am 17. September scheint das Camp erneut gewachsen zu sein: Dieses Mal sind Zelte am Rand des Camps hinzugekommen. © Google | Earth Pro
Am 6. Oktober 2015 sind die kleinen Zelte größeren Zelten gewichen. Seit dem Frühsommer 2015 sind humanitäre Organisation wie Ärzte ohne Grenzen vor Ort, auch sie richten sich im Camp ein.
Am 6. Oktober 2015 sind die kleinen Zelte größeren Zelten gewichen. Seit dem Frühsommer 2015 sind humanitäre Organisation wie Ärzte ohne Grenzen vor Ort, auch sie richten sich im Camp ein. © Google | Earth Pro
Zwischen dem eigentlichen Camp und der Bahnlinie campieren am 13. Oktober zahlreiche Flüchtlinge.
Zwischen dem eigentlichen Camp und der Bahnlinie campieren am 13. Oktober zahlreiche Flüchtlinge. © Google | Earth Pro
Am 25. Oktober wirkt das Camp im Inneren aufgeräumter, doch auf dem Feld rechts des Lagers stehen wieder einzelne Camping-Zelte.
Am 25. Oktober wirkt das Camp im Inneren aufgeräumter, doch auf dem Feld rechts des Lagers stehen wieder einzelne Camping-Zelte. © Google | Earth Pro
Das Camp ist am 30. Oktober 2015 auch jenseits der Bahnlinie gewachsen.
Das Camp ist am 30. Oktober 2015 auch jenseits der Bahnlinie gewachsen. © Google | Earth Pro
Am 4. November sind diese Zelte jedoch wieder verschwunden.
Am 4. November sind diese Zelte jedoch wieder verschwunden. © Google | Earth Pro
Auch am 7. November wirkt das Camp kleiner als noch im Oktober.
Auch am 7. November wirkt das Camp kleiner als noch im Oktober. © Google | Earth Pro
Dieses Bild vom 2. März 2016 lässt erahnen, dass das Camp zwischen November 2015 und Frühjahr 2016 deutlich angewachsen ist.
Dieses Bild vom 2. März 2016 lässt erahnen, dass das Camp zwischen November 2015 und Frühjahr 2016 deutlich angewachsen ist. © Google | Earth Pro
So ist am 3. März zu erkennen, dass nicht nur rechts der Bahnlinie nach Mazedonien, sondern auch links kleine Zentren des Camps entstanden sind.
So ist am 3. März zu erkennen, dass nicht nur rechts der Bahnlinie nach Mazedonien, sondern auch links kleine Zentren des Camps entstanden sind. © Google | Earth Pro
Bei Tag – am 5. März – ist die Größe des Camps erst richtig zu erkennen.
Bei Tag – am 5. März – ist die Größe des Camps erst richtig zu erkennen. © Google | Earth Pro
Wo einst noch grüne Feldflächen waren stehen am 30. März 2016 Zelte und Container. Das Camp mit zeitweise 15.000 Flüchtlingen wirkt fast so groß wie das Dorf Idomeni selbst, das am linken unteren Bildrand zu sehen ist. Mehr Einwohner hatte das Camp fast zu jedem Zeitpunkt seines Bestehens. In Idomeni selbst wohnen laut Statistik von 2011 nur 309 Menschen.
Wo einst noch grüne Feldflächen waren stehen am 30. März 2016 Zelte und Container. Das Camp mit zeitweise 15.000 Flüchtlingen wirkt fast so groß wie das Dorf Idomeni selbst, das am linken unteren Bildrand zu sehen ist. Mehr Einwohner hatte das Camp fast zu jedem Zeitpunkt seines Bestehens. In Idomeni selbst wohnen laut Statistik von 2011 nur 309 Menschen. © Google | Earth Pro
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Dabei war Idomeni vor fast einem Jahr noch ein beschaulicher Ort, den bestenfalls Wanderer oder die wenigen Einwohner des griechischen Dorfes kannten. Durch das Flüchtlingscamp, in dem Tausende Menschen auf ihre Weiterreise warten, ist der Ort weltweit bekannt geworden. Satellitenbilder zeigen, wie sich das Dorf entwickelt hat.

In Idomeni gibt es einen kleinen Bahnhof, der Güterverkehr von und nach Griechenland rattert über die Strecke. Noch vor einigen Monaten verirrten sich hierhin nur wenige Reisende – hauptsächlich Eisenbahnromantiker, die den Gleisverlauf Richtung Mazedonien in Fotos festhielten. Felder und staubige Dorfstraßen dürften im Sommer an Szenen aus Wildwestfilmen erinnert haben.

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Wild ist es in Idomeni tatsächlich auch geworden. Ab August 2015 entwickelte sich der Ort zum Startpunkt der sogenannten „Balkanroute“. Wer es von Syrien und anderen Ländern zu den griechischen Inseln schaffte, reiste früher oder später über Idomeni entlang der Eisenbahnschienen weiter in den Norden.

Als Mazedonien seine Grenze im Februar dieses Jahres schloss, um den Flüchtlingszustrom zu stoppen, erlangte Idomeni schließlich traurige Berühmtheit. Quasi über Nacht sammelten sich fast 15.000 Flüchtlinge und Migranten an der Grenze an. Mitten im Νirgendwo entstand ein provisorisches, wildes Lager, ohne Toiletten, ohne medizinische Versorgung. Das Camp hat auch keine richtige Adresse.

Ein Ort ohne Adresse

Wer Ärzte in der Region nach dem Standort fragte, erhielt folgende Geodaten: Unnamed Road (Deutsch: Namenlose Straße), Peonia 614 00, Griechenland. So unpersönlich der Straßenname ist, so unpersönlich wirken zunächst Satellitenbilder, die der Dienst Google Earth aus Idomeni bereitstellt. Doch wer sich Karten- und Bildmaterial aus den vergangenen Monaten ansieht, erkennt, wie sich an einer Straßenkreuzung im Nirgendwo ein provisorischer Wohnort für Tausende entwickelt hat. Auf den Fotos sind einzelne Zelte zu erkennen, Menschen die an der Straße ausharren und auf eine Mitfahrgelegenheit warten. Die Bilder zeigen auch, wie sich das Lager je nach Jahreszeit verändert. Im Sommer ist es dort trocken und staubig. Im Herbst und auch noch vor wenigen Tagen verwandelte Starkregen die Flüchtlingsunterkunft in ein Sumpfgebiet.

Bis heute harrt ein harter Kern aus Flüchtlingen und Migranten in der Zeltstadt von Idomeni unter schlechten Bedingungen aus. Obwohl mittlerweile viele Hilfsorganisationen vor Ort sind, verschlimmert sich die Situation. Unter anderem kursieren Berichte über Prostitution und Drogenhandel im Lager. (ac/dpa)