Washington. Reince Priebus ist Parteichef der Republikaner. Statt selbst politische Akzente zu setzen, versteckt er sich hinter einem Kandidaten.

Parteivorsitzende in Amerika sind ohnmächtige Gestalten. Als Manager ohne Richtlinienkompetenz müssen sie im Rang eines Generalsekretärs (oder Bundesgeschäftsführers) zwischen den Machtzentren im Zwei-Parteien-Korsett lavieren: den Wortführern in beiden Kammern des Kongresses, den mächtigen Gouverneuren in den 50 Bundesstaaten und – in Wahljahren – den potenziellen Kandidaten, die ins Weiße Haus einziehen wollen. Dabei ist es schwer, eine eigenständige Figur abzugeben. Für Reince Priebus, den Ratsvorsitzenden des „Republican National Committee“ (RNC), wird die Aufgabe zusehends zum Himmelfahrtskommando.

Seit Donald Trump die Präsidentschaftskandidatur auf dem Parteitag in Cleveland im Juli kaum mehr zu nehmen ist, erweckt der 44-jährige Familienvater aus Wisconsin in der Öffentlichkeit den Eindruck, nicht Sachwalter der „Grand Old Party“ zu sein – sondern der persönliche Referent von Trump; ein Mann, den weite Teile der Partei wegen seines pathologischen Populismus’ verachten.

Parteivorsitzender redet Skandale klein

Dass US-Medien seit Tagen anhand von „Opfern“ Trumps bizarres Frauenbild schildern, das mit Sexismus nur oberflächlich beschrieben wäre, dass Trump sich gegen alle Konventionen weigert, seine Steuererklärungen vor der Wahl zu veröffentlichen, tut Priebus bei seinen oft verunglückenden Fernsehauftritten als Lappalien ab.

Tenor: Alles nicht so schlimm. Solche Kinkerlitzchen interessierten die Wähler nicht. Allein die Frage, welcher Kandidat der als politisch verfilzt geltenden Hauptstadt Washington ein „Erdbeben“ bescheren könne, werde am 8. November entscheidend sein.

Es droht die Aufspaltung der Partei

Bei seiner Verteidigung von Trump hat der Jurist für den Geschmack vieler Republikaner die Grenze zur Liebedienerei überschritten. Erzkonservative Kolumnisten wie Jennifer Rubin in der „Washington Post“ halten Priebus für überfordert bis unfähig. Dass Donald Trump in der weiblichen Wählerschaft verheerende Zustimmungswerte aufweist, sei ein Warnsignal. Die Republikaner könnten nach acht Jahren Obama im Herbst wieder leer ausgehen, wenn es um den Schlüssel zum Oval Office geht. Insider halten dann eine Implosion der „GOP“ für möglich. Am Ende könnte sich die Partei aufspalten.

Dass Priebus gebetsmühlenartig betont, die Flügel der Partei könnten sich mit gutem Willen hinter Trump versammeln, widerspricht seiner eigenen Analyse. Nach der krachenden Niederlage von Mitt Romney 2012 gab der Parteichef einen Zustandsbericht in Auftrag. Ergebnis: Die Republikaner müssen die Partei der Toleranz, der Inklusion und der Fürsprache gerade für demografisch aufsteigende Minderheiten werden, um bei Wahlen erfolgreich zu sein. Donald Trump predigt seit Monaten exakt das Gegenteil. Er hetzt gegen Latinos und propagiert einen Einreisestopp für Muslime. Reince Priebus hat Trump in dieser Hinsicht nicht ein einziges Mal widersprochen. Seine Amtszeit endet im Januar 2017. Wenn Trump bis dahin nicht Präsident ist, sind auch die Tage des Parteivorsitzenden gezählt.